Nachricht | Notz (Hg.): August Bebel oder: Der revolutionäre Sozialdemokrat; Berlin 2023

Der revolutionäre Sozialdemokrat

Anlässlich des 110. Todestages von August Bebel am 13. August diesen Jahres ist eine neue Biografie über einen der wichtigsten Wegbereiter der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung erschienen, der auch einer der schärfsten Kritiker der politischen Zustände im Deutschland seiner Zeit war.

Gisela Notz schildert kenntnisreich, sehr spannend und gut lesbar den Lebensweg Bebels, immer eingebettet in die Geschichte der organisierten deutschen Arbeiterbewegung, von ihren Anfängen in der Zeit von 1848 über die Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 bis zur Entwicklung zu einer emanzipatorischen Massenbewegung der Arbeiterklasse, die August Bebel maßgeblich mitgeprägt hat. Sie beschreibt detailliert die Entwicklung Bebels vom «Arbeiterkind einer alleinerziehenden Mutter», dem «es nicht in die Wiege gelegt worden war, einmal zu einer maßgebenden Persönlichkeit der deutschen Arbeiterbewegung zu werden» (S. 8), zu einem der national und international bedeutendsten sozialistisch-marxistischen Politiker.

Zentrales Thema der Biografie ist Bebels lebenslanger Kampf für eine sozialistische Gesellschaftsordnung und gegen Kapitalismus, Militarismus, Rassismus, Kolonialismus, Klerikalismus, Antisemitismus und Sexismus. Ihm ging es darum, der Würde des Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen. Schwerpunkte der Biografie liegen auf seinem Engagement gegen den Krieg und für die Gleichstellung der Geschlechter. Hier kommt auch Julie Bebel, geb. Otto, eine Arbeitertochter, ins Spiel, die schon mit der sozialistischen Idee sympathisierte, bevor sie Bebel kannte. «Sie war weit mehr als die Frau an seiner Seite» (S. 19). Sie führte selbst die Parteigeschäfte, wenn er im Gefängnis war.

August Bebel betrachtete die Frauenfrage als einen der wichtigsten Bestandteile der Klassenfrage, wie er bereits 1874 in der Einleitung seines Buches «Die Frau und der Sozialismus» herausarbeitete, und was ihn von vielen Sozialdemokraten seiner Zeit unterschied. Sein Zukunftsmodell geht von einer gleichberechtigten Gesellschaft aus, mit gleichen Rechten und Pflichten für Männer und Frauen. Er ist seiner Zeit weit voraus, in dem er eine sozialistische «ganzheitlichen Realutopie» (S. 64) entwickelt, die nicht nur die Arbeit in der Industrie, sondern auch Haus- und Sorgearbeit und künstlerische und literarische Betätigung in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung ohne Klassengegensätze mit gleichberechtigten Individuen umfasst. Die Umwandlung des häuslichen Lebens sollte von der individualistischen zur zentral organisierten Arbeit führen und durch den Einsatz neuer Energien wie Sonnenenergie erleichtert werden. Alle Produktionsmittel sollten in Gemeineigentum überführt und nur gesellschaftlich sinnvolle Produkte hergestellt werden.

Das Buch wird ergänzt durch ältere Texte von und über August Bebel, einen Anhang mit biografischen Daten, Literatur und Personenregister.

Trille Schünke

Gisela Notz (Hg.): August Bebel oder: Der revolutionäre Sozialdemokrat; Karl Dietz Verlag, Berlin 2023, 190 Seiten, 12,00 Euro.