Nachricht | Wirtschafts- / Sozialpolitik - Zentralasien - COP28 Kein zweites Kuwait

Die Erdölförderung hat Kasachstan soziale Entwicklung ermöglicht – aber das Land von der Branche abhängig gemacht

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Bau der Ölpipeline zwischen Kasachstan und China (2005) Foto: IMAGO / Xinhua

In den 1990er Jahren träumte Kasachstan von starken Steigerungen der Erdölförderung und Reichtum. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Doch der Lebensstandard im Land liegt dank der Erdölexporte höher als in den Nachbarstaaten, und trotz der Unsicherheiten aufgrund der geopolitischen Lage ist ein Ausstieg aus der Förderung nicht zu erwarten.

Die industrielle Erdölförderung begann in Kasachstan bereits während der Zeit des Russischen Reiches. Allerdings wurde Kasachstan für seinen Erdölreichtum erst bekannt, als die Moskauer Regierung kurz vor dem Ende der Sowjetunion beschloss, die riesige Lagerstätte Tengiz im Gebiet Atyrau dem US-amerikanischen Konzern Chevron zur Erschließung zu überlassen. Dieser Schritt sollte sich für die weitere Entwicklung der kasachstanischen[1] Ölindustrie als höchst symptomatisch erweisen: Fast alle neuen und ertragreichen Ölfelder stellten geologisch und fördertechnisch eine Herausforderung dar und konnten nur erschlossen werden, indem Technologien und Unternehmen aus dem Ausland hinzugezogen wurden. Dadurch erlangten in den ersten Jahren der Unabhängigkeit des Landes internationale Unternehmen – vor allem aus den USA, Großbritannien und China – die Kontrolle über einen Großteil der Ölförderung des Landes. Die Folgen waren ambivalent: Einerseits konnte die Fördermenge durch die eingesetzten Technologien und Investitionen drastisch gesteigert werden, nämlich von 25,8 Millionen Tonnen im Jahr 1992 auf jährlich über 80 Millionen Tonnen ab 2010. Die Branche hatte nun eine zentrale Bedeutung für die Staatseinnahmen. Über 60 Prozent der Einnahmen des Staatshaushalts kamen nun im Durchschnitt aus der Ölbranche, ebenso der Großteil der Einnahmen des Nationalfonds. In diesem Fonds, der nach dem Vorbild des norwegischen Staatlichen Pensionsfonds gegründet wurde, werden die über den Plan hinaus erzielten Einnahmen aus Rohstoffexporten angelegt. Der Nationalfonds erfüllt laut einem seiner Gründer, dem Vorstandsvorsitzenden der Kasachischen Nationalbank, Grigori Martschenko, «beide Funktionen solcher Fonds: Sparen (für zukünftige Generationen) und Stabilisieren (um die schwankenden Ölpreise auszugleichen)».

Abhängig von der fossilen «Monokultur»

Andererseits geriet jedoch die Wirtschaft des Landes in eine äußerst starke Abhängigkeit von dieser «Monokultur». Die starken Preisschwankungen auf den Energiemärkten führten mehr als einmal zur Notwendigkeit einer abrupten Abwertung der Landeswährung Tenge (KZT) gegenüber dem US-Dollar; zudem geriet eine Reihe anderer Branchen in den Hintergrund und wurde im Grunde genommen marginalisiert. Die kasachstanische Wirtschaft ist in hohem Maße vom Import verschiedener Waren abhängig, von Arznei- und Lebensmitteln bis hin zu einer Vielzahl von technischen Anlagen. Ein Kursanstieg des US-Dollar bedeutete hier stets Schwierigkeiten bei der Finanzierung dieser Importe und schmerzliche Einschnitte für die Wirtschaft ebenso wie die Konsument*innen im Land. Darüber hinaus wird die führende Rolle ausländischer Unternehmen in der Ölförderung in der Gesellschaft kritisch gesehen, auch wenn es dazu ganz objektiv keine Alternative gibt.

Jaroslaw Rasumow ist ein unabhängiger Journalist in Kasachstan, der sich auf Fragen der Entwicklung des Energiesektors, u.a. des Ölsektors und des Bereichs erneuerbare Energien spezialisiert.

Die Erwartungen in den 1990er und 2000er-Jahren, dass sowohl die Produktion als auch der Export von Erdöl in absehbarer Zeit stark steigen würden, haben sich als stark übertrieben herausgestellt. So prognostizierte Nurlan Balğymbajew, der damalige Erdölminister, Premierminister und Vorsitzende des Staatskonzerns Qazaqojl (Kazakhoil), im Jahr 1997, dass das jährliche Fördervolumen bis 2003 auf 100 Millionen Tonnen ansteigen könnte. Später sprach er gar von 120 Millionen Tonnen jährlich bis 2010 und von 200 Millionen Tonnen für den Zeitraum von 2010 bis 2015. Die größten Hoffnungen waren mit dem Ölfeld Qashağan (Kaschagan) im Kaspischen Meer verbunden. Dort sollte bereits 2005 die industrielle Ölförderung beginnen, doch dies gelang schließlich erst 2013. Die heutigen Zahlen liegen weit unter den Prognosen aus den 1990er Jahren: Laut Energieministerium wurden in Kasachstan 2022 insgesamt 82,4 Millionen Tonnen Öl gefördert. Für 2023 prognostiziert die Behörde ein Fördervolumen von 90,5 Millionen Tonnen, von denen 71 Millionen Tonnen für den Export bestimmt sind.[2] Zum Vergleich: 2010 wurden nach Angaben des Ministeriums für Erdöl und Erdgas 79,7 Millionen Tonnen Erdöl und Erdgaskondensat gewonnen, von denen 71,2 Millionen Tonnen exportiert wurden.

Öl statt politischen Reformen

Die Entwicklung der Ölbranche hat die autoritären Tendenzen in der  Politik Kasachstans der 1990er bis 2010er-Jahre begünstigt und die fast dreißigjährige Herrschaft Nursultan Nasarbajews – Präsident des Landes von 1990 bis 2019 – möglich gemacht. Das Öl lieferte die finanziellen Mittel, um in Kasachstan im Vergleich zu anderen Ländern der Region einen relativ hohen Lebensstandard zu gewährleisten; und es war auch der Grund für die diplomatische und mediale Unterstützung Nasarbajews durch Länder, die Interesse an den Förderprojekten hatten. Vor diesem Hintergrund entstand der Slogan Nasarbajews «Erst die Wirtschaft, dann die Politik!». Der Schwerpunkt sollte also – basierend auf der Ölförderung - auf der wirtschaftlichen Entwicklung liegen, während politische Reformen aufgeschoben werden sollten, bis sich die soziale und wirtschaftliche Lage nachhaltig stabilisiert haben würden. Diese Entwicklung sollte der Präsident gewährleisten, mit dessen Namen der Erfolg der Wirtschaftsreformen verknüpft wurde.

Was gibt die Ölförderung der Bevölkerung des Landes? Wie gerecht werden die Einnahmen verteilt? Diese Fragen zu beantworten ist schwierig. Einerseits sind die Ölgelder die wichtigste Einnahmequelle des Staates; sie ermöglichen so auch staatliche Sozialprogramme. Der Nationalfonds ist ein Grundpfeiler der Staatsfinanzen; Transferzahlungen aus dem Fonds sichern in schwierigen Zeiten den Staatshaushalt ab. Berücksichtigt man, dass in der Ölförderung selbst und den damit verbundenen Industrien nicht allzu viele Menschen direkt beschäftigt sind und der durchschnittliche Lebensstandard im Land vergleichsweise hoch ist, lässt sich durchaus sagen, dass die Nation von der Rohstoffgewinnung profitiert. Im ersten Quartal 2023 betrug das monatliche Durchschnittsgehalt in Kasachstan 340.636 KZT, etwa 760 US-Dollar. Zum Vergleich: In den Nachbarländern Tadschikistan und Kirgisistan, deren Wirtschaft nicht ölbasiert ist, betrug im April 2023 das Durchschnittsgehalt umgerechnet nur 176,6 bzw. 377 US-Dollar. Von 2000 bis 2008 stiegen – getragen durch die hohen Ölpreise auf dem Weltmarkt – der Wohlstand und der Konsum in Kasachstan stark an, gleichzeitig wurden in der Wirtschaft Phänomene wie die „holländische Krankheit“ spürbar. Kasachstanische und internationale Ölgesellschaften errichteten in den Regionen, in denen sie tätig sind, zahlreiche moderne soziale Infrastrukturobjekte, etwa Sportanlagen und Krankenhäuser. Die Aktien der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft QazMunajGaz (KazMunayGas) werden an der kasachstanischen Börse gehandelt und können von Privatpersonen erworben werden. Außerdem ist die Ölindustrie in manchen Gegenden im Westen Kasachstans der wichtigste, bisweilen sogar der einzige Arbeitgeber, da die harten Natur- und Klimaverhältnisse dort die Entwicklung der Landwirtschaft und anderer Wirtschaftszweige erschweren.

Die starke Ausrichtung der Wirtschaft auf das Erdöl bremst allerdings die Entwicklung anderer technologisch komplexerer Branchen, zieht die wichtigsten und besten Investitions- und Personalressourcen auf sich und bremst somit die Schaffung neuer, anspruchsvollerer und gut bezahlter Arbeitsplätze in anderen Branchen.

Ungleiche Entwicklungen

Ein Blick auf die verschiedenen Regionen des Landes ergibt ebenfalls ein uneinheitliches Bild. Auf den Ranglisten der sozialen Entwicklung, die Faktoren wie die Qualität des Bildungs- und Gesundheitswesens sowie den Lebensstandard erfassen, steht oft das Gebiet Atyrau an erster Stelle, jene Region in Kasachstan, in der das meiste Öl gewonnen wird. Andere Ölregionen stehen jedoch bei Weitem nicht so gut da. Im Gebiet Mangğystau zum Beispiel, das in Bezug auf die Menge der Ölvorkommen und Fördermengen an zweiter Stelle steht, finden häufig Streiks mit wirtschaftlichen Forderungen statt, vor allem nach Lohnerhöhungen. Hier waren auch im Januar 2022 wegen der Erhöhung der Flüssiggaspreise jene Proteste ausgebrochen, die sich in weiten Teilen des Landes ausbreiteten und zu vielen Opfern sowie politischen Veränderungen führten. Kasachstan schneidet, was die Beteiligung der Bevölkerung an den Gewinnen aus der Erdölförderung angeht, zwar viel besser ab als viele Entwicklungsländer, die in großem Umfang ihre Ressourcen exportieren, etwa Nigeria oder Venezuela. Gleichzeitig bleibt jedoch die Rohstoffpolitik entwickelter Länder, wie Norwegens oder der Niederlande, bislang ein unerreichbares Vorbild.

Auch im Hinblick auf den Umwelt- und Klimaschutz ist die Situation widersprüchlich. Als die Sowjetunion zerfiel, befand sich die Umwelt in den Ölregionen Kasachstans in einem kläglichen Zustand: Fast überall wurde Begleitgas abgefackelt, was zu erheblichen Treibhausgasemissionen führte. Das war der größte «Beitrag» der Ölbranche zur negativen Klima- und Umweltentwicklung. 2004 wurden die kasachstanischen Ölgesetze geändert: Ab dem 1. Juli 2006 wurde das Abfackeln überschüssigen Gases verboten, ebenso das Ablassen von Gas in die Atmosphäre. In der Praxis brauchte es noch eine Weile, bis diese Vorgaben tatsächlich umgesetzt wurden, doch bis Mitte der 2000er war Kasachstan zu einem der erfolgreichsten Länder geworden, was die Reduzierung von CO2-Emissionen und des Abfackelns von Gas betrifft. Der Schwachpunkt der kasachstanischen Wirtschaft in Bezug auf den Klimaschutz liegt heute nicht in der Ölförderung, sondern in der Stromerzeugung, die im Wesentlichen auf Kohlebasis erfolgt. Auch das Problem austretenden Öls aufgrund von undichten Leitungen in den Fördergebieten wurde weitgehend gelöst. Die Ölgesellschaften verhalten sich darüber hinaus verantwortungsbewusst bei der Speicherung von Schwefel. Viele der in Kasachstan geförderten Erdölsorten enthalten Schwefel, der vor dem Transport über Pipelines extrahiert werden muss. Das Betreiberkonsortium des Ölfelds Qashağan (Kaschagan) im Kaspischen Meer hat die Sorgen der Bewohner der Regionen um das Kaspische Meer um ihre Umwelt durchaus ernst genommen und in dieser Hinsicht viel unternommen. Insgesamt betrachtet ist die Ölindustrie heute nicht die Hauptverursacherin von Umweltproblemen in Kasachstan – die Lage im Erzbergbau sowie im Transport- und Energiewesen ist viel schlechter. Einige Umweltschützer*innen kritisieren allerdings weiterhin auch die Ölbranche für die Umweltschäden, die sie anrichtet. Der bekannte Experte Sergej Soljanik thematisiert zum Beispiel die Verschmutzung des Grundwassers infolge von Verstößen gegen das Umweltrecht bei Erdölbohrungen.

Konflikte um die Pipelines durch Russland

Der Ausbruch des russisch-ukrainischen Konflikts machte sich auch in der  Ölbranche Kasachstans bemerkbar. Zwar wurde die Förderung von den Ereignissen kaum betroffen, doch kam es beim Transport zu erheblichen Problemen. Der Öltransport ist im vergangenen Jahr zu einer zentralen Frage in den Beziehungen zwischen Kasachstan und Russland geworden. Seit Sowjetzeiten fließt traditionell ein Großteil des in Kasachstan geförderten Öls durch Pipelines, die durch Russland verlaufen. 1992 wurde das internationale Unternehmen Caspian Pipeline Consortium (CPC) gegründet, zu dessen Hauptaktionären die russländische Transneft, die kasachstanische KazMunaiGaz sowie eine Reihe westlicher Unternehmen gehören. CPC betreibt ein Pipelinesystem, das in den 1990er Jahren errichtet wurde und den Westen Kasachstans mit der russischen Hafenstadt Noworossijsk verbindet. Über 80 Prozent der Ölexporte Kasachstans erfolgen über diese Route, und bis zum vergangenen Jahr verlief der Transport reibungslos. Weitere rund 11 Millionen Tonnen Erdöl werden jährlich durch die Kasachstan-China-Pipeline in die Provinz Xinjiang transportiert; ihre Kapazität ist auf 20 Millionen Tonnen ausgelegt. Im Frühjahr 2022 wurde der Betrieb der CPC-Pipeline wegen Schäden an den Anlegevorrichtungen des Meeresterminals infolge eines Sturms plötzlich eingestellt. In diesem Zusammenhang gab es mehrere Gerichtsverfahren und die Pipeline war einen Monat lang außer Betrieb. Für Kasachstan und die Unternehmen, die die Pipeline für den Transport ihres Öls nutzen, war dies eine böse Überraschung. Später konnte CPC die Pipeline wieder in Betrieb nehmen, doch hinterließ dieser Zwischenfall bei der Bevölkerung Kasachstans einen sehr negativen Eindruck: Viele Kommentator*innen sahen darin einen Erpressungsversuch. Im Juli 2022 erklärte Kasachstans Präsident Qassym-Schomart Toqajew, das Land müsse seine Exportrouten diversifizieren und dabei der transkaspischen Richtung Priorität geben. Gemeint ist damit der Transport per Öltanker aus kasachstanischen Häfen nach Baku und eine Weiterbeförderung durch die Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC). Das ist der einzig mögliche Weg auf die europäischen Märkte, der nicht durch die Russische Föderation verläuft. Die Regierung lotet zurzeit Möglichkeiten aus, diese Route auf eine Kapazität von mindestens 20 Millionen Tonnen auszubauen. Vor dem Hintergrund der geopolitischen Lage hat sie ein starkes Interesse an einer solchen Lösung. Allerdings steht die schnelle Umsetzung dieser Pläne vor etlichen Hindernissen: Sowohl in Kasachstan als auch in Aserbaidschan ist die vorhandene Hafeninfrastruktur unzureichend und müsste massiv ausgebaut werden. Die Tankerflotte im Kaspischen Meer ist zu klein; der Bau neuer Schiffe lässt sich nicht so schnell in die Wege leiten. Außerdem müsste in Kasachstan eine neue Pipeline für den Transport von den Lagerstätten zum Hafen verlegt werden. Wenn es eine Unterwasserpipeline vom Ost- zum Westufer des Kaspischen Meeres gäbe, könnten auf dieser Route tatsächlich große Mengen Öl transportiert werden. Bereits in den 1990ern hatte diese Idee im Raum gestanden, doch ist ihre Umsetzung aus technischer und ökologischer Sicht schwierig. Und es ist schwer vorstellbar, dass Moskau und Teheran über ein solches Projekt erfreut wären. Zudem ist derzeit noch unklar, ob die großen Ölgesellschaften bereit wären, die nötige Auslastung der transkaspischen Route zu garantieren.

Ein wichtiges Ereignis in diesem Jahr war der Beginn direkter Öllieferungen aus Kasachstan nach Deutschland über die Infrastruktur der russländischen Transneft, hauptsächlich über die Druschba-Pipeline. Anfang Juni 2023 meldeten russländische und kasachstanische Medien, dass seit Januar 90.000 Tonnen geliefert wurden. Das ist zwar nicht viel, doch seien laut Präsident Toqajew bis zu 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr realistisch, in Zukunft könnten die Lieferungen noch ausgeweitet werden.

Die Notwendigkeit, die Wirtschaft breiter aufzustellen

Angesichts der aktuellen politischen Situation liegt die Vermutung nahe, dass die Lieferungen durch die Druschba-Pipeline und vor allem über die transkaspische Route ausgeweitet werden, allerdings nicht allzu schnell und in einem eher überschaubaren Umfang. Womöglich werden auch die Ölexporte nach China steigen. Auf absehbare Zeit dürfte die wichtigste Exportroute jedoch weiterhin über Noworossijsk verlaufen. Die Entscheider in den Hauptstädten Kasachstans und Russlands und in den Ölunternehmen werden sich wohl auf einen zuverlässigen Betrieb dieser Pipeline einigen: Für Moskau wäre es riskant, in dieser Frage zu viel Druck auszuüben, da sich Kasachstan sonst von Russland abwenden könnte. Sollte ein Albtraum Wirklichkeit werden, nämlich die komplette Schließung dieser Route, würde die soziale und wirtschaftliche Lage in Kasachstan äußerst schwierig werden. Und das wäre für Russland in jederlei Hinsicht ungünstig. Schließlich ist die Grenze zwischen Russland und Kasachstan die zweitlängste weltweit.

Aus der postsowjetischen Geschichte der Ölförderung in Kasachstan lässt sich folgendes Fazit ziehen: Die Erwartungen, die in den 1990er- und 2000er-Jahren herrschten, sind nicht in Erfüllung gegangen; es ist kein «zweites Kuwait» entstanden. Die Ölexporte haben es dem Land dennoch ermöglicht, schwierige Zeiten zu überstehen und der Bevölkerung ein ziemlich gutes Niveau sozialer Entwicklung zu gewährleisten. Doch zugleich ist Kasachstan aus verschiedenen Gründen in eine kritische Abhängigkeit von der Ölbranche geraten, weshalb eine Diversifizierung der Volkswirtschaft von immenser Bedeutung ist. Auf absehbare Zeit werden die Ölexporte jedoch weiterhin als wichtigster Entwicklungsmotor für das Land fungieren. Dabei wird die EU aus geografischen, geopolitischen und technischen Gründen höchstwahrscheinlich der Hauptabsatzmarkt für Kasachstan bleiben, während die wichtigsten Transportrouten wohl weiterhin durch Russland verlaufen werden.[3]


[1] Kasachstan ist ein multiethnischer Staat. Während sich «kasachisch» auf die ethnische Zugehörigkeit bzw. Sprache bezieht, sollte «kasachstanisch» verwendet werden, um Kontexte von Staatlichkeit (Staatsbürgerschaft, Territorium, Eigentumsverhältnissen) zu beschreiben.

[2] Anmerkung der Redaktion: Am 28.9.2023 verwies Präsident Qassym-Schomart Toqajew darauf, dass seit Januar des Jahres 500.000 Tonnen Öl durch die Drushba-Trasse nach Deutschland geliefert wurden. Quelle: www.dw.com/en/kazakhstan-says-ready-to-increase-oil-supplies-to-germany/a-66951721

[3] Anmerkung der Redaktion: Die Europäische Union ist Handelspartner Nr. 1 Kasachstans. 86 Prozent der Exporteinnahmen Kasachstans aus dem Handel mit dieser Region entstanden 2022 durch den Verkauf von Erdöl. Wegen der gestiegenen Ölpreise erbrachten die Ölexporte aus Kasachstan in die EU im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 27,9 Milliarden USD (+35,9 Prozent). Dabei sank der physische Umfang der Lieferungen von Öl aus Kasachstan in die EU um 11,8 Prozent (ca. 5,2 Millionen Tonnen). Bulgarien, Griechenland, Spanien, Malta, die Niederlande, Polen, Finnland, Frankreich und Kroatien nahmen z.T. deutlich weniger Tonnen Öl als 2021 ab. Nur drei der 27 EU-Länder erhöhten die Abnahmemengen: Deutschland (+29,8 Prozent), Italien (+1,7 Prozent) und Rumänien (+8,8 Prozent). Dies waren insgesamt 625900 Tonnen Erdöl mehr.  Im Vergleich nahm China, in der Gesamthandelsstatistik Kasachstans der drittwichtigste Handelspartner des Landes, im Jahr 2022 5,3 Millionen Tonnen Erdöl aus Kasachstan ab. Quelle: kz.kursiv.media/2023-02-23/eksport-kazahstana-rastet-na-vysokih-neftyanyh-kotirovkah/