Nachricht | Sozialökologischer Umbau - COP28 CO2-Speicherung: eine tückische Sackgasse

Die Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid (Carbon Capture Storage) ist riskant

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Autorin

Laura Dunn,

Petra Nova CCS-Anlage im NRG-Kohlekraftwerk in Richmond, Texas, USA, 2018
Das 2020 abgeschaltete Petra Nova-Projekt zur Kohlenstoffabscheidung zeigt das wahscheinliche Schicksal anderer CCS-Initiativen für Kohlekraftwerke. Petra Nova CCS-Anlage im NRG-Kraftwerk in Richmond, Texas, USA, Foto: picture alliance / REUTERS | TRISH BADGER

Unabhängig von ihrer Umsetzung ist die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) gefährlich, lenkt die Aufmerksamkeit von den Ursachen der Klimakrise ab und verhindert Klimagerechtigkeit.

Ein Bericht des Indigenous Environmental Network und der Nichtregierungsorganisation Oil Change International zeigt auf, dass der indigene Widerstand gegen Infrastrukturprojekte in den USA und Kanada zu einer Einsparung oder Aufschiebung der jährlichen Emissionen beider Länder um mindestens ein Viertel geführt hat. Ungeachtet solcher Erfolge und der verschiedensten funktionierenden Klimalösungen, die soziale Bewegungen sowie indigene Völker und Gemeinschaften auf der ganzen Welt vorschlagen, setzen politische Entscheidungsträger*innen lieber auf technische Lösungen wie die Kohlenstoffabscheidung und ‑speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS). Bei CCS soll Kohlendioxid aus der Erdöl- und Erdgasförderung sowie aus industriellen Quellen abgeschieden und unterirdisch gespeichert werden, weshalb Unternehmer*innen und Investor*innen im Bereich der fossilen Energien in der Technologie neue Geschäftsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Klimaschutz sehen.

Laura Dunn arbeitet für das internationale Forschungs- und Aktionskollektiv ETC Group. Zuvor hat sie im Bereich Kommunikation für indigene Organisationen gearbeitet oder diese als Freiwillige unterstützt.

Auch einige Umweltorganisationen und Forschende befürworten die CCS-Technologie, selbst solche, die für Geoengineering offen sind, gleichzeitig aber vorgeben, «Umweltschutz» zu betreiben. Sie gehen sogar so weit, CCS mit «Klimagerechtigkeit» in Verbindung zu bringen oder CCS-Projekte als «gemeinschaftszentriert» zu bezeichnen – als ob diese riskante «Klimatechnologie» wirklich einen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten könnte. Häufig wehren sie Kritik an CCS damit ab, dass das Problem nur in der privaten Eigentumsstruktur liege, und dass die Technologie im Rahmen öffentlicher Projekte erfolgreich eingesetzt werden könnte. Dies lässt jedoch die Tatsache außer Acht, dass die mit dem Einsatz von CCS verbundenen Ziele bislang verfehlt wurden und entsprechende Projekte nur dank enormer öffentlicher Subventionen und Anreize überhaupt nur umgesetzt werden konnten. Die CCS-Technologie birgt gravierendere Risiken und ist deshalb absolut ungeeignet, bei der Bewältigung der Klimakrise zu helfen und zu mehr Klimagerechtigkeit beizutragen.

Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.

Die CCS-Technologie wurde erstmals in den 1920er Jahren genutzt, um CO2 aus Erdgas abzuscheiden, damit Methan übrigbleibt, das rein genug für den Verkauf ist. Seitdem wird CCS zu diesem Zweck verwendet. Damals gab es für das verbleibende CO2 noch keine Verwendung. In den 1970er Jahren erkannte die Ölindustrie jedoch, dass das verbleibende CO2 dazu dienen konnte, an Öl- und Gasvorkommen in großer Tiefe heranzukommen, deren Förderung ansonsten unmöglich oder unwirtschaftlich gewesen wäre. Im Jahr 1972 war die Erdgasaufbereitungsanlage Terrell die erste Anlage, in der mithilfe von abgeschiedenem CO2 zusätzliches Öl aus weit entfernten Ölfeldern gefördert wurde, und zwar mit einer Technik, die als Enhanced Oil Recovery (EOR) bezeichnet wird. Das Erdgas in der Terrell-Anlage hatte einen CO2-Gehalt von 18 bis 53 Prozent und hätte ohne die Abscheidung des CO2 nicht verkauft werden können. Das abgeschiedene CO2 wurde dann durch mehrere hundert Kilometer lange Pipelines geleitet und in erschöpfte Ölfelder injiziert, in denen der natürliche Druck des Öls nicht mehr hoch genug war, um es an die Oberfläche zu pumpen. Das CO2, das unter hohem Druck in die Bohrlöcher gepresst wird, vermischt sich mit dem Öl, das dann zur Weiterverarbeitung an die Oberfläche gepumpt werden kann.

Wie oben beschrieben nutzt die Öl- und Gasindustrie das CCS-Verfahren schon seit den 1920er Jahren, allerdings immer nur zu dem Zweck, entweder reines Methan zu gewinnen oder mehr Öl und Gas aus dem Boden zu holen. Jüngste Analysen zeigen, dass fossile Energieunternehmen an 85 Prozent der bekannten CCS-Projekte beteiligt sind. Einem Bericht des Center for International Environmental Law aus dem Jahr 2019 zufolge fließen 85 Prozent der US-amerikanischen Subventionen für CCS in EOR-Projekte, die darauf abzielen, mehr Öl und Gas aus dem Boden zu holen. Die CCS-Technologie scheint also vorrangig dazu zu dienen, mehr Öl und Gas zu fördern, und zwar unabhängig davon, ob die Projekte öffentlich oder privat betrieben werden.

Doch worin besteht nun der Unterschied zwischen dem Einsatz der CCS-Technik in den 1970er Jahren und heute? Dieselbe Technologie, die von der Industrie seit Jahren eingesetzt wird, um mehr Öl und Gas zu fördern, wird nun als Klimaschutztechnologie «umetikettiert». Als soziale Bewegungen in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren Regierungen und die Industrie angesichts der Klimakrise unter Druck setzten, bot CCS einerseits ein neues Geschäftsfeld und konnte andererseits auch wunderbar von der Tatsache ablenken, dass die Ölindustrie mit ihren Emissionen der Hauptverursacher der Klimakrise ist.

CCS – zum Scheitern verurteilt

Trotz öffentlicher und privater Investitionen in Milliardenhöhe ist die CCS-Technologie auch ein Jahrhundert nach ihrer Einführung noch immer vollkommen ineffektiv. Dennoch scheinen Investor*innen, Regierungen und sogar einige Wissenschaftler*innen ernsthaft auf sie setzen zu wollen. Die Zahl der gescheiterten und hinter den Erwartungen zurückbleibenden CCS-Projekte übersteigt bei weitem die Zahl der erfolgreichen Projekte. Laut einer Studie des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEFFA) sind von 13 Vorzeigeprojekten zur Kohlenstoffabscheidung zehn gescheitert oder haben die angestrebte Emissionsmenge weit verfehlt. CCS-Projekte dienen in der Regel dem ursprünglichen Zweck, für den die Technologie entwickelt wurde, nämlich Erdgas zu verarbeiten und mehr Öl und Gas zu fördern.

Die Liste der gescheiterten CCS-Projekte ist lang. In den USA sind Milliarden US-Dollar an öffentlichen Geldern in mindestens 15 Projekten versickert, ohne dass dabei eine nennenswerte Menge an CO2 gebunden worden wäre. Der IEFFA-Studie zufolge scheiterten fast 90 Prozent der für den Energiesektor vorgeschlagenen CCS-Projekte bereits in der Umsetzungsphase oder wurden vorzeitig eingestellt, und die meisten CCS-Projekte erreichten nicht annähernd die angestrebten Abscheidungsraten. Damit steht fest, dass die CCS-Technologie ineffektiv ist, und zwar auch dann, wenn sie von staatlichen Einrichtungen oder anderen Institutionen entwickelt und eingesetzt wird, die in ihr keinen finanziellen Anreiz sehen, wie etwa die Wiederverwendung des extrahierten CO2 für die erweiterte Ölgewinnung (EOR). In Sachen Klimaschutz bietet die Technologie keine Vorteile, denn sie kann nicht genug Kohlenstoff abscheiden und ist zudem zu teuer.

Angesichts dieser düsteren Bilanz liegt es eigentlich auf der Hand, dass die Hoffnungen, die die Industrie in CCS setzt, eine Illusion sind. Doch selbst wenn einzelne CCS-Projekte die für sie festgelegten Ziele erreichen könnten (was nur sehr selten der Fall ist), ist die Menge des abgeschiedenen Kohlenstoffs angesichts der 40 Milliarden Tonnen CO2, die jedes Jahr ausgestoßen werden, vollkommen unbedeutend.

David Ho, Klimawissenschaftler an der Universität von Hawaii, zieht zur Erklärung des Nutzens von Klimaschutztechnologien gern das Bild einer Zeitmaschine heran. Wenn die Welt mehr als 40 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr ausstößt, dann können wir Technologien zur Kohlenstoffabscheidung vergleichen, indem wir ausrechnen, wie weit wir ausgehend von einem Ausstoß von 40 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr in der Zeit zurückreisen könnten. So würde beispielsweise eine CCS-Anlage, die eine Million Tonnen CO2 pro Jahr speichert (was für viele Projekte immer noch ein unrealistisches Ziel ist), die Atmosphäre in den Zustand von vor 13 Minuten zurückversetzen. Aber in der Zeit, die diese CCS-Anlage benötigt, um den Zustand von vor 13 Minuten wiederherzustellen, wäre schon wieder so viel CO2 in die Atmosphäre gelangt, wie wir in einem Jahr ausstoßen.

Dies ist auch bei staatlichen CCS-Projekten nicht anders, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Saskpower ist ein staatlicher kanadischer Energiekonzern, der das CCS-Projekt Boundary Dam betreibt. Nach vier Jahren wurden im Rahmen des Projekts insgesamt 2,46 Millionen Tonnen CO2 abgeschieden, was 0,62 Millionen Tonnen pro Jahr entspricht. Im Jahr 2021, nach sieben Jahren, sank der Durchschnittswert auf 0,57 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Wie andere CCS-Projekte konnte auch dieses Projekt die angestrebte Menge an abgeschiedenem Kohlenstoff nicht erreichen. Die Menge an abgeschiedenem CO2 ist seit Beginn des Projekts rückläufig – und das trotz massiver öffentlicher Subventionen, die in viel wirksamere Klimaschutzmaßnahmen hätten fließen können.

Petronas, ein staatliches malaysisches Erdölunternehmen, beabsichtigt die Entwicklung eines CCS-Projekts mit dem Ziel, etwa vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abzuscheiden. In Anlehnung an David Hos Theorie würde diese Anlage die Atmosphäre in einem Jahr Betrieb in den Zustand von vor gerade einmal etwa 52 Minuten zurückversetzen. Aber natürlich würden in dem einen Jahr des Betriebs wieder Unmengen neues CO2 freigesetzt werden. Und die 52 Minuten würden auch nur dann erzielt, wenn die Anlage von Petronas ihre Zielkapazität erreicht, was angesichts der Erfolgsbilanz von CCS-Anlagen eher unrealistisch ist.

Die Öl- und Gasindustrie begann 1996 mit der Entwicklung von Kapazitäten für die Speicherung von abgeschiedenem CO2, etwa 26 Jahre nachdem CO2 erstmals für die erweiterte Ölgewinnung verwendet wurde. CO2 wird in der Regel in tiefen Gesteinsschichten wie saline Aquifere, erschöpfte Lagerstätten für fossile Brennstoffe oder Kohleflözen gespeichert. Nur ein kleiner Prozentsatz der CCS-Projekte sieht vor, den abgeschiedenen Kohlenstoff zu speichern, anstatt ihn zur Gewinnung weiterer fossiler Brennstoffe zu verwenden. Doch ungeachtet ihrer geringen Anzahl investieren Regierungen und die Öl- und Gasindustrie in großem Maßstab in diese Projekte und ziehen sie als mögliche Lösung für die Klimakrise heran.

Das erste Projekt zur Kohlenstoffabscheidung, bei dem CO2 auch langfristig gespeichert werden sollte, ist die Gasplattform Sleipner in der Nordsee, die der norwegischen Regierung gehört. Es gilt als das erfolgreichste CCS-Großprojekt, das seit 1996 in Betrieb ist und am längsten läuft. Allerdings hat sich als schwierig erwiesen, die Geologie rund um die CO2-Speicherstätte korrekt einzuschätzen. So haben unerwartete geologische Veränderungen etwa bereits dazu geführt, dass das gespeicherte CO2 von der Injektionsstelle in den oberen Teil des Speichers aufgestiegen ist, wo sich große Mengen an CO2 anzusammeln begannen. Nur weil diese bis dahin unbekannte obere Schicht geologisch abgeschlossen ist, konnte das CO2 nicht einfach austreten.

Bislang ist völlig unbewiesen, dass die unterirdische Speicherung von CO2 langfristig eine tragfähige Lösung ist. Das Risiko von CO2-Lecks ist hoch. Angesichts des Umgangs der Öl- und Gasindustrie und selbst staatlicher Unternehmen mit Methan-Lecks (einem weiteren klimaschädlichen Gas) ist davon auszugehen, dass sie eine sichere Speicherung von CO2 weder unterirdisch noch in Offshore-Bohrungen gewährleisten können. Eine Studie des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung zeigt, dass bei 65 Prozent der direkt untersuchten Bohrlöcher in Öl- und Gaslagerstätten Methan-Lecks festgestellt wurden, aus denen erhebliche Mengen Gas austreten.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass gespeicherter Kohlenstoff, insbesondere wenn er in erschöpfte Lagerstätten für Erdöl oder Erdgas injiziert wird, ähnlich wie das aus alten Bohrlöchern entweichende Methan, austritt und damit alle Ressourcen vergeudet werden, die für die CO2-Speicherung eingesetzt werden mussten. Fällt eine Lagerstätte aus, während CO2 injiziert wird, könnte dies zur Freisetzung einer großen Menge CO2 führen. Im Großen und Ganzen gibt es einfach keine zuverlässigen Beweise dafür, dass in den Boden injiziertes CO2 auch langfristig dort verbleibt.

Transport und Lagerung von CO2 mit erheblichen Risiken verbunden

Befürworter*innen von CCS aus der fossilen Brennstoffindustrie stellen diese Technologie oft so dar, als würde CO2 wie von Geisterhand abgesaugt und irgendwo vergraben. Petronas in Malaysia und die Pathways Alliance in Kanada sind zwei der Unternehmen, die sich für öffentliche Investitionen in die CCS-Technologie starkmachen. Die USA hat mit ihrem Infrastructure Investment and Jobs Act 8,5 Milliarden US-Dollar an Investitionen für CSS bereitgestellt. Für die Abscheidung und Speicherung von CO2 im großen Stil ist eine komplett neue Infrastruktur mit einem ganzen Netz an Pipelines für den CO2-Transport erforderlich, die zur riesigen Gefahr werden können.

Im Februar 2022 konnte die Bevölkerung von Satartia, Mississippi, aus erster Hand erfahren, welche Gefahren mit CO2-Pipelines verbunden sind. CO2 wird bei niedrigen Temperaturen transportiert und mit hohem Druck gepumpt. Als die Pipeline in der Nähe der Kleinstadt brach, schoss das Gas heraus und bildete eine tiefhängende Wolke, an der die Menschen in der Umgebung hätten ersticken können. Einige Anwohner*innen saßen auf dem Highway fest, weil das CO2 den Sauerstoff verdrängt hatte, den sie zum Starten ihrer Motoren benötigten. Andere Bewohner*innen dieser mehrheitlich Schwarzen Gemeinde rangen nach Luft, mussten sich übergeben und litten unter Schwindel. 49 Anwohner*innen wurden ins Krankenhaus eingeliefert, einige von ihnen mit Atembeschwerden, unter denen sie lange nach dem Vorfall noch litten.

Es steht außer Frage, dass jede neue Nutzung der CCS-Technologie durch die Ausweitung der CO2-Transport-Infrastruktur und die Installation neuer Anlagen mit großen Risiken verbunden ist. Die Anlagen werden meist in denselben Gemeinden errichtet, die bereits unter den Gesundheits- und Umweltauswirkungen der Öl- und Gasindustrie leiden. Bei grenzüberschreitenden Fällen, das heißt, wenn verschiedene Bundesstaaten oder gar Länder beteiligt sind, wachsen die Risiken und die Lage gestaltet sich rechtlich noch viel komplizierter. In hohen Konzentrationen führt Kohlendioxid zum Ersticken. Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit undichten Pipelines verheißt dies nichts Gutes, denn immer wenn CO2 aus Endlagern entweicht, stellt das eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit und eine weitere Bedrohung für das Klima dar.

Kohlenstoffabscheidung und -speicherung hat nichts mit Klimagerechtigkeit zu tun.

CCS als Lösung für die Klimakrise anzupreisen, ist bizarr, wenn man bedenkt, welche Risiken damit für die Bevölkerung verbunden sind, wie häufig diese Technologie versagt hat und dass sie immer wieder als Deckmantel dafür herangezogen wird, noch mehr Öl aus dem Boden zu holen. Die Kosten für erneuerbare Energien sind heute geringer als die Kosten für die preiswerteste Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen. Wie auch immer die Wissenschaft CCS darstellt, steht fest, dass diese Technologie nur für ihren ursprünglichen Zweck geeignet ist, nämlich den Reinheitsgehalt von Methan zu erhöhen und mehr Öl und Gas zu fördern. Im Hinblick auf die Klimagerechtigkeit ist CCS eine tückische Sackgasse.
 

Übersetzung von Cornelia Gritzner & Sebastian Landsberger für Gegensatz Translation Collective