Interview | Sozialökologischer Umbau - COP28 «Fossile Brennstoffe sind Massenvernichtungswaffen»

Ein Gespräch mit Alex Rafalowicz zur Notwendigkeit eines Vertrages über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe

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Alex Rafalowicz, fossilfueltreaty.org
«Die größten Produzenten fossiler Brennstoffe auf der Welt haben über Jahrzehnte mit voller Absicht den Klimawandel geleugnet.» (Alex Rafalowicz, Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty Initiative) Quelle: fossilfueltreaty.org

Fossile Brennstoffe sind die Hauptursache für die Erderwärmung. Dennoch wurden sie in internationalen Klimavereinbarungen bis 2021 nicht einmal erwähnt. Die Initiative zum Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe möchte das ändern und fordert einen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe sowie Unterstützung für Länder bei der Energiewende. Juliane Schumacher sprach mit Alex Rafalowicz, dem Direktor der Kampagne, über die historischen Vorläufer eines solchen Vertrages, die ersten Erfolge der Kampagne und die Pläne für die Zukunft.

Juliane Schumacher: Alex, du bist Teil der Kampagne zum Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe. Wie kam es überhaupt zur Idee für einen solchen Vertrag?

Alex Rafalowicz: Die Idee ist nicht völlig neu. Entsprechende Konzepte gibt es seit geraumer Zeit im internationalen Bereich. Im Vorfeld des Pariser Abkommens gab es beispielsweise die Suva-Erklärung, mit der viele Staaten aus dem Pazifikraum ein Moratorium auf fossile Brennstoffe forderten. Mehrere Staaten, allen voran Kiribati, forderten auch, dem Kohleabbau vertraglich ein Ende zu setzen. Offensichtlich hatte diese Kampagne keinen Erfolg. Nach dem Abschluss des Pariser Abkommens orientierten sich viele zivilgesellschaftliche Akteure neu. Sie realisierten, dass das Abkommen den Kohlebergbau, die Pläne zur Förderung von Erdgas, zur Erschließung von Ölfeldern und den Bau der dazugehörigen Pipelines nicht verhindert hatte. Manche Banken weiteten ihre Investitionen in fossile Brennstoffe aus. So kam es zu dem neuen Fokus auf fossile Brennstoffe.

Weil fossile Brennstoffe die Haupttreiber der Klimakrise sind?

Alex Rafalowicz ist der Direktor der Initiative zum Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe. Zuvor arbeitete er für die Global Campaign to Demand Climate Justice, das Climate Action Network und 350.org. Er lebt in Bogotá, Kolumbien.

Die Sorgen unserer Mitglieder hinsichtlich fossiler Brennstoffe gehen über deren Klimawirkung hinaus. Ja, es gibt eine klimabedingte Motivation, schließlich stellen fossile Brennstoffe aufgrund ihrer Wirkung eine existenzielle Bedrohung für das Weltklima dar. Letztes Jahr führten wir allerdings eine Studie zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung durch, die ergab, dass fossile Brennstoffe all diese Entwicklungsziele unterminieren. Fossile Brennstoffe gefährden nicht nur Wasser und Ökosysteme, sondern auch Luft und Gesundheit. Da die Gewinnung fossiler Brennstoffe ein derart zentralisierter Prozess ist, geht er häufig mit Fehlentwicklungen und Korruption einher. Es handelt sich um eine durch und durch patriarchale Branche, weshalb es bei der Gewinnung fossiler Brennstoffe systematisch zu geschlechterbezogener Gewalt kommt. Wir konnten also feststellen, dass fossile Brennstoffe sich auf vielerlei Weise negativ auf Gesellschaften auswirken. Daraus ergeben sich eine ganze Reihe an Vorteilen, die mit einem Ausstieg aus dem fossilen Paradigma einhergehen. Die Eindämmung des Klimawandels ist eine gewichtiger Vorteile, aber keineswegs der einzige.

Wie funktioniert eure Kampagne? Handelt es sich um eine eigenständige Organisation oder ist es eher ein Netzwerk unterschiedlicher Gruppierungen?

Sie ist ein Bündnis und eine vernetzte Kampagne. Die Kampagne ist grundsätzlich ein Netzwerk, verfügt aber über ein kleines Sekretariat, das die Arbeit der Mitglieder zu koordinieren versucht. Dieser Lenkungsausschuss wurde von Organisationen aus aller Welt ins Leben gerufen, darunter 350.org, Climate Action Network–International (CAN), Power Shift Africa, Asian Peoples’ Movement on Debt and Development (APMDD), Third World Network (TWN), Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica (COICA), Global Witness und Uplift, eine Kampagne zu fossilen Brennstoffen aus Großbritannien.

Wie soll der Vertrag zu fossilen Brennstoffen eurer Vorstellung nach funktionieren? Soll er im Rahmen internationalen Rechts umgesetzt werden? Oder denkt ihr an eine freiwillige Vereinbarung?

Wir denken, dass die Kampagne verschiedene Ziele anstrebt. Erstens wollen wir die Debatte neu ausrichten. Wir möchten, dass in politischen Räumen stärker über fossile Brennstoffe gesprochen wird. Natürlich werden die Ergebnisse sich je nach Situation unterscheiden. Uns geht es jedoch vor allem darum, Folgendes klarzumachen: Wenn wir vom Klimawandel, über Gesundheit und über wirtschaftliche Entwicklung reden, dann müssen wir auch über fossile Brennstoffe reden. Zweitens wollen wir Erfahrungen und Wissensstände darüber erweitern, was Menschen konkret tun können. Wir haben einen Tracker erstellt, mit dem sich die Wirkung politischer Maßnahmen zur Versorgung mit fossilen Energieträgern nachverfolgen lässt und der es ermöglicht zu sehen, was in anderen Regionen passiert. Wir unterstützen uns im Netzwerk gegenseitig bei Forschungsvorhaben, um alternative Lösungen und Pfade aufzuzeigen, die uns zur Verfügung stehen. Und drittens möchten wir uns dann tatsächlich auch für eine internationale Vereinbarung einsetzen.

Eine Vereinbarung innerhalb der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC)?

Wir sind nicht auf ein konkretes Format der Vereinbarung festgelegt und denken, dass dies letzten Endes die Staaten gemeinsam entscheiden müssen. Ich glaube nicht, dass sie dafür die UNFCCC wählen werden. Die UN-Klimarahmenkonvention erfüllt bestimmte wichtige Aufgaben: So setzt sie etwa das Temperaturziel fest und hat eine Grundlage für Vorschläge zu klimabedingten Schäden und Verlusten geschaffen. Die Vereinbarung zu fossilen Brennstoffen hingegen wird höchstwahrscheinlich eher komplementären Charakter haben. Wir haben andere internationale Vereinbarungen ausgiebig studiert. Für gewöhnlich begleiten sie bereits existierende Prozesse. Der Vertrag zum Verbot von Antipersonenminen etwa begann mit der Unterstützung von nur wenigen Staaten, die dabei halfen, den Text auszuformulieren. Manche der Vereinbarungen zu Chemiewaffen nahmen einen ähnlichen Anfang – sie entstanden parallel zur Chemiewaffenkonvention. Dasselbe gilt auch für den Atomwaffensperrvertrag.

An welche Akteur*innen richtet ihr euch? Die Zivilgesellschaft? Regierungen? Oder internationale Organisationen?

Unsere Arbeit richtet sich hauptsächlich an Regierungen und internationale Foren, um das Thema der fossilen Brennstoffe auf die politische Agenda zu setzen. Es ist einfach unglaublich, dass die UNFCCC fossile Brennstoffe bis zur Klimakonferenz in Glasgow 2021 kein einziges Mal erwähnte. Man sollte meinen, dass diese direkt in der Einleitung stehen müssten! Daher stand auf dem Transparent, das wir nach Glasgow mitnahmen, eben dieser Spruch: «Say the F-Word! Just say ‹fossil fuels›!» [dt. etwa: «Sagt das F-Wort! Sagt endlich ‹fossile Brennstoffe›!», Anm. d. Ü.] Das war damals unsere Mindestforderung. Uns ging es unter anderem darum, das Thema auf verschiedenen Ebenen zu pushen. Unsere Hoffnung ist jedoch, dass Regierungen aus verschiedenen Teilen der Welt zusammenkommen und damit beginnen, die Prinzipien eines globalen Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen auszuhandeln. Das würde jene unter Druck setzen, die ihre fossilen Industrien weiter betreiben oder sogar ausweiten wollen – was klar im Widerspruch zu dem steht, was sich nach und nach als neue internationale Norm herauszuschälen beginnt, sowie zu unserem aktuellen Verständnis der Bedrohung, die fossile Brennstoffe für die Umwelt und die Menschenrechte darstellen.

Es gibt bereits Regierungen, die einen Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe unterstützen.

Ja, Vanuatu und Tuvalu haben, gemeinsam mit sechs weiteren pazifischen Inselstaaten, öffentlich zur Aushandlung eines solchen Vertrags aufgerufen. Der damalige Klimaminister Neuseelands erklärte, dass Neuseeland den Vorschlag unterstütze. Im vergangenen September kamen Timor-Leste, ein Produzent fossiler Brennstoffe, sowie Antigua und Barbuda, ein besonders vom Klimawandel bedrohter Inselstaat in der Karibik, hinzu. Wir sind hoffnungsvoll, dass weitere Staaten dazukommen und dann gemeinsam erörtern werden, welche Maßnahmen in welcher Form ergriffen werden können.

Gibt es bereits einen Vertragsentwurf?

Wir haben keinen Vertragstext aufgesetzt. Aus vergangenen Erfahrungen haben wir gelernt, dass zu viele Festlegungen gleich am Anfang dafür sorgen, dass weniger Parteien gewillt sind, sich der Initiative anzuschließen. Das müssen also die Regierungen selbst tun. Wir haben jedoch drei Dinge festgelegt, die der Vertrag berücksichtigen sollte. Erstens sollte er den Bau neuer Infrastruktur für fossile Brennstoffe unterbinden. Das wird uns den nötigen Raum für Verhandlungen geben. Zweitens muss er einen gerechten Ausstieg aus der bereits vorhandenen Infrastruktur vorantreiben. Und drittens muss er dafür sorgen, dass die Energiewende auch auf globaler Ebene gerecht gestaltet ist.

Warum sollten Staaten einem solchen Vertrag beitreten?

Es gibt durchaus Anreize, einem solchen Vertrag beizutreten. Als Produzent fossiler Brennstoffe hat man dadurch Zugang zu Infrastruktur, Unterstützung und Planungsmitteln für einen Ausstieg. Bei den Verhandlungen werden die beteiligten Parteien entscheiden müssen, welche Anreize das konkret sind und welche Konsequenzen sich ergeben, wenn Staaten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.

Welche Hoffnungen verbindet ihr mit eurem Engagement für einen solchen Vertrag?

Das lässt sich kurz zusammenfassen: Wir hoffen, dass genug fossile Brennstoffe im Erdboden bleiben, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celcius zu begrenzen. Zu diesem Zweck wollen wir ein internationales System etablieren, bei dem Länder weltweit Unterstützung erhalten und kein Land zurückbleibt. Was wir vermeiden wollen, ist ein Alptraumszenario, bei dem die reichen Staaten sich dank Elektrifizierung und erneuerbaren Energien aus dem Ölgeschäft zurückziehen, während arme Produzenten – sei es in Ecuador, Kolumbien oder Nigeria – auf toxischen Bohrlöchern und undichten Pipelines sitzenbleiben, ohne jegliche wirtschaftliche Perspektive. Wir hegen allerdings die Hoffnung, dass es nicht so weit kommt und wir Gemeinschaften und Staaten eine gemeinsame Basis bieten können, um aus der Förderung fossiler Brennstoffe auszusteigen.

Fossile Brennstoffe haben allerdings auch positive Seiten. Viele würden sagen, dass sie den Menschen Zugang zu Energie ermöglichen.

Ja, das hören wir häufig: «Aber die Menschen brauchen doch Energie!» Und ich stimme damit völlig überein; fast zwei Milliarden Menschen haben keinen ausreichenden Zugang zu Energie. Allerdings geht die Förderung fossiler Brennstoffe nicht zwangsläufig mit dem Zugang zu Energie einher. In bestimmten Gegenden in Kolumbien oder Mosambik zum Beispiel, wo Öl und Gas gefördert wird, haben die Menschen keinen Zugang zu Energie.

Weil die fossilen Energieträger häufig dem Export dienen.

Genau. Und weil es ein systemisches Problem ist. Würde das auf fossile Brennstoffe aufbauende System funktionieren, hätte es in den letzten 200 Jahren alle Menschen mit Energie versorgen können. Das hat es aber nicht vermocht. Das kann dieses System auch nicht leisten, weil das hinter fossilen Brennstoffen stehende Geschäftsmodell auf der Konzentration von Macht und Wirtschaftsinteressen beruht. Die Lösung für die Frage des Energiezugangs besteht darin, Energiesysteme zu entwickeln, die im Sinne der Menschen funktionieren, die von den Menschen und Gemeinschaften kontrolliert werden und auf deren Bedürfnisse ausgerichtet sind – statt dem Interesse einiger weniger Konzerne zu dienen.

Viele Staaten im Globalen Süden werden beim Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft Unterstützung brauchen. Aktuell bestehen verschiedene bilaterale Initiativen, die einen solchen Ausstieg befördern, darunter die Partnerschaften für eine gerechte Energiewende (JETP), die manche westliche Staaten, darunter Deutschland, mit Ländern wie Südafrika, Indonesien oder dem Senegal vereinbart haben. Geht das eurer Meinung nach in die richtige Richtung?

In der Theorie ist das die Art von Zusammenarbeit, die wir befördern wollen, allerdings nicht auf bilateraler Ebene. Denn mit Blick auf die Rechenschaftspflicht braucht es einen externen Rahmen, um festzulegen, welche Ziele verfolgt und mit welchen Mitteln sie umgesetzt werden sollen. Wir haben diesbezüglich verschiedene konkrete Vorschläge gemacht – etwa mehr Geld in Form von Zuschüssen statt Krediten, eine Reform des Zugangs zu geistigen Eigentumsrechten sowie die Ermöglichung von Reformen für einen verbesserten Marktzugang. Darüber hinaus muss auch das Thema Energiezugang Berücksichtigung finden, denn gerade in der Übergangsphase werden die entsprechenden Länder nur einen eingeschränkten Energiezugang haben. Schließlich müssen auch eine vorherige Konsultation sowie eine freie, vorherige und informierte Zustimmung im Prozess verankert werden, um den Schutz der Rechte indigener und anderer Gemeinschaften vor Ort zu gewährleisten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Vorschläge nicht in irgendeinem Ministerium in Berlin erarbeitet werden oder durch eine Regierung, die keine Mitbestimmung der Bevölkerung zulässt, wie etwa in Vietnam oder im Senegal. Stattdessen braucht es ein passendes Modell, ein multilaterales Format für die anvisierten Prozesse. Denn dann können Regierungen dazukommen und sagen: «Wir würden gerne eine Partnerschaft für die Energiewende eingehen, das sind die Prinzipien, an denen wir uns messen lassen wollen, und so stellen wir uns das vor.» Dann könnten andere Staaten einer entsprechenden Partnerschaft zustimmen.

Derzeit existieren keine solchen Formate.

Bislang sind keine ganzheitlichen Ansätze zur Energiewende entwickelt worden. Besonders interessant ist der Fall von Kolumbien. Die kolumbianische Regierung gab bekannt, dass sie raus aus der Förderung fossiler Brennstoffe will, doch die internationale Gemeinschaft zeigte keine Reaktion.

Wie im Fall der gescheiterten Yasuní-ITT-Initiative in Ecuador 2007. Die Regierung bot damals an, von ihrer geplanten Ausbeutung der Erdölvorkommen im ecuadorianischen Regenwald abzusehen, sollten ausreichend Mittel in einen speziellen Fonds eingezahlt werden.

In jenem Fall gab es sogar einen spezifischen Mechanismus. Der Vorschlag umfasste einen alternativen Entwicklungsfonds, in den andere Regierungen einzahlen konnten, um das Land dafür zu entschädigen, dass es seine fossilen Vorkommen im Erdboden lässt. In Kolumbien hingegen gab es keinen solchen Vorschlag. Als Zukunftsvision kündigte die Regierung lediglich an, keine neuen Förderrechte zu verleihen und die Förderung fossiler Brennstoffe im Laufe der kommenden 15 Jahre auslaufen zu lassen. Aus der internationalen Gemeinschaft gab es allerdings kaum Resonanz, geschweige denn konkrete Vorschläge. Vor Kurzem wurde Kolumbien immerhin als befreundete Partei in die BOGA-Allianz (Beyond Oil and Gas Alliance) eingeladen, was ein erster Schritt war. Etwa 15 Prozent des kolumbianischen Etats speisen sich derzeit aus dem Verkauf fossiler Energieträger wie Erdöl oder Kohle. Über die nächsten 15 Jahre gerechnet, bedeutet das ein Prozent weniger Einnahmen pro Jahr. Das klingt nach einer Geldmenge, die durchaus aufbringbar wäre. Um diesen Weg einschlagen zu können, benötigt Kolumbien allerdings die Hilfe der internationalen Gemeinschaft. Und diese hat bislang keinen nennenswerten Vorschlag gemacht. Die einzige Ausnahme ist eben die von Dänemark und Costa Rica 2021 in Glasgow initiierte BOGA-Allianz. Das Bündnis verfügt zwar nicht über einen Fonds zur Finanzierung der Energiewende, aber immerhin über einen Fonds für die diesbezügliche technische Unterstützung – ein erster Schritt also.

Kritik hat es auch an Plänen, Produzenten fossiler Brennstoffe auszuzahlen, weil damit jenen, die bereits seit Langem davon profitiert haben, noch mehr Geld gegeben würde.

Hier geht es darum, dass wir eine Regelung brauchen, wie wir mit toxischen Vermögenswerten umgehen. Denn es wird unterschiedlichste Dinge in der physischen Welt geben, wie etwa Pipelines, Bohrstellen oder Ölplattformen, die irgendwann nicht mehr gebraucht werden. Und hier herrscht zuweilen Unklarheit darüber, was die Eigentümer*innen in diesem Fall tun werden. Manche werden bankrottgehen, andere werden die Eigentümerschaft in Abrede stellen oder sich weigern für Rückbau und Beseitigung aufzukommen. Aus diesem Grund werden wir eine Regelung brauchen, wie wir mit solchen Vermögenswerten umzugehen gedenken. Das bedeutet nicht, solche Unternehmen auszuzahlen oder sie notwendigerweise zu retten, aber doch sich grundsätzlich Gedanken dazu zu machen, wie wir mögliche Schäden für Mensch und Umwelt eingrenzen und die dafür verantwortlichen Personen zur Rechenschaft ziehen können. In den USA haben wir das Beispiel verlassener Bohrlöcher, die über das ganze Land verteilt sind. Jetzt gibt es eine Task Force im Rahmen des National Park Service, die genügend Mittel hat, um die entsprechenden Orte zu sanieren. Im Rahmen der Energiewende werden wir unter anderem daran eine Lösung für die enorme Infrastruktur finden müssen, die dem fossilen Energiesystem diente und dann einer neuen Aufgabe zugeführt werden muss.

Es wird allerdings auch großen Widerstand gegen Pläne für einen Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe geben.

Die größten Produzenten fossiler Brennstoffe auf der Welt – Unternehmen und Staaten – haben über Jahrzehnte mit voller Absicht den Klimawandel geleugnet. Heute haben sie diese Strategie durch eine Taktik ersetzt, mit der die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels verschleppt werden sollen. Diejenigen, die sich aktuell an der Zerstörung der Umwelt und der Lebensgrundlagen vieler Menschen bereichern, wollen auch weiterhin davon profitieren. Sie werden nicht von sich aus sagen, dass sie nächstes Jahr weniger fossiler Brennstoffe produzieren werden. Stattdessen gehen sie dieser Debatte aus dem Weg. Das lässt sich auf vielen Ebenen beobachten. Über fossile Brennstoffe möchten sie nicht reden, nur über Emissionen. Sie argumentieren, dass es am Ende nur um die Emissionen ginge, es spiele keine Rolle, woher diese stammten. Das hat damit zu tun, dass sie seit 30 Jahren die internationale Klimapolitik so ausgestaltet haben, dass sie sich dahinter verstecken können. Sie mögen es nicht, im Rampenlicht zu stehen. Doch genau dorthin wollen wir sie zerren. Wir wissen, dass wir für die Zielsetzung unserer Kampagne einen langen Begriff gewählt haben – die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe. Diese Wahl hat damit zu tun, dass fossile Brennstoffe in vielerlei Hinsicht Nuklearwaffen ähneln. Sie sind Massenvernichtungswaffen. Und wenn jedes Land sagt, dass es auf fossile Brennstoffe verzichten wird, allerdings erst nachdem die anderen vorangegangen sind und sie der einzig verbliebene Produzent sind, dann wird unsere Welt unweigerlich in Flammen aufgehen. Aus diesem Grund brauchen wir einen vertraglichen Rahmen, aus dem klar hervorgeht, dass keine fossilen Brennstoffe mehr gefördert werden dürfen. Stattdessen muss es einen gerecht gestalteten Ausstieg geben, der die Grundlage für eine friedliche und gerechte Energiewende bieten kann.
 

Übersetzung von Sebastian Landsberger & Cornelia Gritzner für Gegensatz Translation Collective