Unser Vereinsmitglied Manfred Richter, Drehbuchautor, Szenarist, Dramaturg und Schriftsteller, wäre am 16. Oktober 2023 94 Jahre alt geworden.
Ein Nachruf von Juliane Nitsche:
Du hattest mich zu dir nach Hause eingeladen und Filme zum Ansehen bereitgelegt. Deine erste Frage war, „Hast du Zeit mitgebracht?“- natürlich hatte ich und natürlich war ich gespannt, welche Filme Du ausgewählt hattest. Mich begeisterte der Fernsehfilm „Ein Wigwam für die Störche“ von 1986, dessen Szenarium Du geschrieben hattest, mit Erwin Geschonneck in der Hauptrolle. Ein Film, der an Aktualität nichts verloren hat.
Dieser Film bist ganz und gar Du, mit Deiner Lebensfreude, Deinem Humor, Deiner Liebe zu Kindern, Deiner Sicht auf das Leben aber auch Deiner Eigensinnigkeit und Deiner Beharrlichkeit. Hier erlebe ich Dich als genauen Beobachter von Menschen und Natur. Jede noch so kleine Geste oder scheinbare Nebensächlichkeit, jedes gesprochene und auch ungesprochene Wort erhält bei Dir eine tiefe Bedeutung.
Wir zeigten ihn zu deinem 90. Geburtstag in der Rosa Luxemburg Stiftung Brandenburg.
Geschichten, Filme, Episoden, Gedanken wirbeln durch meinen Kopf und wollen nicht zur Ruhe kommen. Ich hatte Dir versprochen, mit Dir weitere Filme anzusehen und freute mich auf weitere, neugierig machende Gespräche. Corona zwang uns Abstand zu halten.
Vor mir liegt Dein Redebeitrag, den Du auf dem 4. Landesparteitag der PDS im Dezember 1995, gehalten hattest. Es war eine ganz besondere, offene Tagung. Es ging um die Bedeutung von Kultur und Wissenschaft. Unsere Basisorganisation Künstler hatte große Hoffnungen in den Parteitag gesetzt. In Fortsetzung des Landesparteitages als praktische kulturpolitische Arbeit der Partei hast Du die „Leseecke“ initiiert und über viele Jahre Schriftsteller, Filmemacher, Maler, Fotografen und andere Kulturschaffend in der Alleestraße zusammengeführt.
Deine Gedanken, Deine nicht enden wollenden Ideen und Aktivitäten, Deine Streitbarkeit, Dein Humor, Deine Verschmitztheit und Deine Hartnäckigkeit werden mir fehlen. Danke für alles, und hier noch ein Auszug aus Deinem Redebeitrag, nicht nur in eigener Sache.
„…die Kultur jedoch ist ein Produkt von uns. Sie ist nicht nur das, was ich mir leisten kann, sondern auch das, was ich mir leiste. An Lebensstil, an Haltung, an Widerstand, Würde, an Umgang mit mir selbst und meinen Mitmenschen und an der Natur, in dem ich mich selbst, also ein Teil von ihr begreife. Es ist unsere Sache, Genossinnen und Genossen, der Kultur, den Künsten fördernd zur Seite zu stehen. Wir brauchen sie und sie braucht uns. Dabei darf es nie wieder zu Bevormundungen kommen. Was wir nicht verstehen oder billigen, muss deshalb nicht falsch sein.“
Juliane Nitsche