Vom 6. bis zum 8. Oktober 2023 hielt sich eine Reisegruppe aus Thüringen im Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue in Hitzacker auf. Das Ziel der Reise bestand im Kennenlernen der Arbeitsweise in einem Biosphärenreservat bzw. der Erweiterung bisheriger Erkenntnisse zur Bedeutung und der Funktionsweise von Biosphärenreservaten.
Zu Beginn wurde in einem Vortrag auf aktuelle internationale Entwicklungen im Bereich des Schutzes der Biodiversität verwiesen. Dabei wurde der Schwerpunkt auf einige positive Beispiele aus verschiedenen Weltregionen gelegt.
Im Vortrag von Anne Spiegel, Geschäftsführerin des Reservats, ging es zunächst um die Bedeutung des Reservats und die konkrete Arbeit vor Ort.
Das Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“ ist seit 2002 Teil des fünf Bundesländer übergreifenden UNESCO-Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe. Weite Teile sind durch die europäische Vogelschutz- sowie Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie streng geschützt.
Das Biosphärenreservat erstreckt sich 100 km südöstlich von Hamburg und dehnt sich von Elbekilometer 472,5 bei Schnackenburg bis Elbekilometer 569 bei Lauenburg aus. Es wurde durch das Gesetz über das Biosphärenreservat "Niedersächsische Elbtalaue" 2002 mit einer Gesamtfläche von 567,6 km² eingerichtet. In Niedersachsen ist die Biosphärenreservatsverwaltung gleichzeitig untere Naturschutzbehörde.
Diese übernimmt klassische Aufgaben der Naturschutzbehörde wie z.B. die Beteiligung an der Erstellung der örtlichen Landschaftspläne und Grünordnungspläne sowie der Ausweisung, dem Erlass und der Überwachung von Schutzgebietsverordnungen für Naturdenkmale und Geschützte Landschaftsbestandteile und Landschaftsschutzgebiete. Darüber hinaus übernimmt die Verwaltung des Biosphärenreservats die Öffentlichkeitsarbeit für das Schutzgebiet. Sie unterhält Informationseinrichtungen, erstellt Publikationen, pflegt einen Internetauftritt zum Biosphärenreservat, unterstützt Bildungsprojekte zur nachhaltigen Entwicklung in der Region und führt Fortbildungen, Exkursionen und Tagungen durch.
Das Biosphärenreservat weist eine besondere Vielfalt und Dichte seltener und gefährdeter Biotop- und Lebensraumtypen sowie Tier- und Pflanzenarten auf und hat eine herausragende Bedeutung für den Naturschutz in Niedersachsen.
Die Elbtalaue mit sämtlichen Elbzuflüssen, aber auch Gräben und Stillgewässern hat eine besondere Bedeutung für die Stabilisierung und Entwicklung der niedersächsischen Vorkommen des Fischotters. Sie nimmt ferner eine Schlüsselrolle für die natürliche Wiederbesiedlung und Ausbreitung des Bibers ein.
Die Elbtalaue wird in erster Linie durch den Verlauf der Elbe mit ihren naturnahen Ufern und weiten Vorländern geprägt. Die Räume der Elbaue werden immer noch regelmäßig von Hochwasser überschwemmt, wodurch eine einmalige Auenlandschaft entstanden ist, die auch international als Rast- und Durchzugsgebiet für nordische Schwäne und Gänse bedeutsam ist. Als Brutvögel wichtig sind u. a. Seeadler, Weißstorch, Schwarzstorch, Rot- und Schwarzmilan. Auch Lurche, Kriechtiere, Fische, Weichtiere, Libellen, Tagfalter, Heuschrecken und Käfer sind mit bedeutenden Vorkommen zum Teil stark gefährdeter Arten vertreten.
Der zweite Tag diente der Vertiefung des bisher Berichteten. Es waren Wanderungen an das Steilufer der Elbe in der Nähe von Hitzacker, sowie im Schieringer Forst bei Walmsburg vorgesehen. Allerdings verhinderte das heftige Regenwetter einen Großteil der Wanderungen. So konnte die Wanderführerin Nicola Mahnke viele interessante Dinge nur vortragen, was sie jedoch in höchst interessanter Form tat.
Sie berichtete u.a. von der Entstehung der Elbtalaue. Diese ist eine Altmoränenlandschaft und ein ca. 10 Kilometer breites Urstromtal. Nach dem Abtauen der Weichselgletscher entstand hier eine Tundralandschaft mit Permafrostböden. Ihre Ablagerungen von 20 bis 40 Meter dicken Kies- und Sandschichten ziehen sich bis zur Nordsee. Durch regelmäßige jährliche Überflutungen wurden fruchtbare Sedimente angeschwemmt, welche die Auwaldbildung in der Überschwemmungszone begünstigten. Circa 5000 vor Heute begann in der Jungsteinzeit die Besiedlung des Elbegebiets. Ab dem 13. Jahrhundert wurde das Territorium der Elbauen ausgebaut: es entstanden mit Hilfe holländischer Fachkräfte Deiche und Dämme, hinter denen Häuser gebaut und Landwirtschaft betrieben wurde. Dabei wurde durch Fluss- und Bach-Trockenlegungen der bis dahin deltaartige Flussverlauf der Elbe verändert. Im 19. Jahrhundert wurde über das Anlegen von Buhnen die Schiffbarkeit der Elbe verstärkt. Im Interesse der sich verstärkenden Industrieentwicklung sollte der Warentransport verbessert und beschleunigt werden. Zusätzlich wurden große Kanäle gebaut (z.B.: Elbe- Seitenkanal, Mittellandkanal u.a.).
Mit der Zeit machten sich jedoch auch die negativen Folgen dieser Entwicklungen bemerkbar. Die stete Erhöhung der Deiche haben die Gefahren von Hochwassern nicht beseitigt. So wurden zwischen 2002 und 2013 fünf sogenannte Jahrhunderthochwasser gezählt, die erhebliche Schäden anrichteten. In den letzten Jahren nahm dagegen der allgemeine Rückgang der Wasserstände zu. Zeitweilig war selbst für die kleinen Fähren die Elbquerung nicht mehr möglich. Die Wahrnehmung der wachsenden Probleme führt nun dazu, dass neben dem Deichbau zunehmend über eine Zurückverlegung der Deiche und einen erweiterten Schutz der Elbtalauen diskutiert wird. Erste Maßnahmen sind dafür bereits erfolgt. Denn weitere nicht durchdachte bzw. industriellen Interessen dienende Eingriffe würden einerseits sehr teuer und andererseits die natürlichen Biotopbedingungen weiter verschlechtern oder gar zerstören.
Am Nachmittag des zweiten Tages besuchte die Gruppe, als Ausgleich für die wegen des Wetters unmögliche Wanderung, das Informationszentrum Biosphaerium in Bleckede, wo die Teilnehmenden einen Einblick in die verschiedenen Naturschutzprojekte der Region gewannen. Unter anderem wurde eine „Arche-Region“ gegründet, welche z.B. dazu dient, vom Aussterben bedrohte Haus- und Nutztierrassen zu züchten und somit zu erhalten.
Am letzten Tag wurde die Besichtigung der Stadt Hitzacker und ihres nahegelegenen Waldgebiets angeboten. Wegen ihrer Insellage war die Stadt von Elbehochwassern stets stark betroffen. Nach dem Bau einer Schutzmauer in Folge des Hochwassers im Jahr 2006, in welchem die Stadt zu einem großen Teil überschwemmt wurde, ließ die Stadtverwaltung eine Schutzmauer um die Innenstadt errichten. Diese verhinderte eine neuerliche Überschwemmung der Innenstadt im Jahr 2011. Viele Menschen sind sich Klaren darüber, dass es die sinnvollste Maßnahme zum Hochwasserschutz wäre, dem Fluss wieder mehr Raum zu geben.
Eine für die Gegenwart ganz typische Diskussion findet jedoch gegenwärtig zum Thema des Baus einer Brücke über die Elbe statt. Die eine Seite argumentiert: Der Bau wurde nach dem Anschluss der DDR an die BRD versprochen; Die Grundschule für die Region befinde sich auf der Ostseite, die weiterführenden Schulen jedoch auf der Westseite; Durch zu niedrigen oder zu hohen Wasserstand des Flusses müsse oft per Auto ein 50 km langer Umweg gefahren werden. Die andere Seite: Wenn es zum Bau der Brücke käme, würde der Durchgangsverkehr von und nach Berlin enorm zunehmen, welcher der Region sehr schaden werde. Die schwerwiegendste Folge wäre aber die Aberkennung des Status als Biosphärenreservats.
Die Unterbringung der Gruppe wurde durch das „destinature Dorf“ in Hitzacker gewährleistet. Die Teilnehmenden schliefen in Hütten, welche auf Basis einer ökologisch-nachhaltigen Bau- und Funktionsweise errichtet wurden. Die Verpflegung erfolgte über Bioprodukte. So leisteten die Teilnehmenden einen kleinen Beitrag im Sinne der Veranstaltung.
Der Natur- und Landschaftsschutz wird umstritten bleiben. Je nach Interessenlage gibt es zu fast allen vorgeschlagenen und umgesetzten Maßnahmen Befürworter*innen und Gegner*innen (siehe: Wolfsschutz, Biberschutz usw.). Es sollte jedoch allen Menschen klar sein, dass ohne einen breiten Schutz der Biodiversität eine lebenswerte Welt immer unwahrscheinlicher wird. Über die Konsequenzen kann sich jede*r selbst Gedanken machen…
Bernd Löffler
Der Bericht wurde mit Unterstützung mehrerer Teilnehmer*innen der Reise erstellt.
Fotos von Matthias Weiß