Nachricht | Brasilien / Paraguay Deutsche Entwicklungshilfe zerstört den Urwald

Die Entwicklungsbank DEG fördert Abholzung in Paraguay

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Wo früher Regenwald war, ist heute Ackerland: Die systematische Abholzung von großen Waldflächen in Paraguay soll auch durch deutsche Kredite der DEG finanziert worden sein.
Wo früher Regenwald war, ist heute Ackerland: Die systematische Abholzung von großen Waldflächen in Paraguay soll auch durch deutsche Kredite finanziert worden sein. Bild: Base Investigaciones Sociales

Mit dem Ziel, nachhaltige Holzwirtschaft in Paraguay zu fördern, stieg die deutsche Entwicklungsbank DEG bei dem Agrarunternehmen PAYCO ein. Nun ist bekanntgeworden, dass PAYCO die Abholzung im Chaco-Urwald vorantreibt. Poltiker*innen und NGOs fordern Aufklärung.

Deutsche Entwicklungshilfe ist mitverantwortlich, dass der Urwald in Paraguay abgeholzt wird. Das legt eine gemeinsame Recherche der Medien El Surtidor (Paraguay) und CORRECTIV (Deutschland) nahe. In der Kritik steht die Entwicklungsbank DEG, eine Tochtergesellschaft der deutschen Förderbank KfW, die 25 Millionen in die Paraguayan Agricultural Corporation (PAYCO) investiert hat. Das luxemburgische Agrarunternehmen hat zwischen 2013 und 2020 mindestens 7.000 Hektar Wald auf drei Grundstücken im Chaco von Paraguay gerodet. Der Gran Chaco ist der größte tropische Trockenwald der Erde und erstreckt sich im Nordwesten von Paraguay über die Ländergrenzen hinweg nach Brasilien, Argentinien und Bolivien. Nach dem Amazonas ist er das größte zusammenhängende Urwaldgebiet Südamerikas. Inzwischen beschäftigt sich das Verwaltungsgericht Köln mit dem Fall.

Auch unter Umweltpolitiker*innen sorgte die Recherche für Aufsehen: Cornelia Möhring, entwicklungspolitische Sprecherin der Linken im Deutschen Bundestag forderte, dass «ein sofortiger Ausstieg aus der Finanzierung der Abholzung der Wälder in Paraguay der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG)» notwendig sei.

Eine Investition für nachhaltige Holzwirtschaft?

Das Unternehmen PAYCO, das aus der 2014 insolvent gegangenen luxemburgischen Grupo Espirito Santo hervorging, ist laut der Entwicklungsorganisation Oxfam der zweitgrößte Landbesitzer Paraguays. In Paraguay widmet es sich neben der Viehzucht auch dem Anbau von Soja und Eukalyptusplantagen und verkauft Umweltdienstleistungen an den paraguayischen Staat. PAYCO verfügt zudem über politischen Einfluss und war etwa an der Ausarbeitung des Gesetzes über Emissionsgutschriften beteiligt.

Die DEG investierte im Jahr 2013 25 Millionen Euro in das Unternehmen. Ziel der Investition, so die Bank, sei es gewesen, «die lokale Nahrungsmittelproduktion» und eine «nachhaltige Holzwirtschaft» zu fördern. «Mit unserem Engagement stärken wir ein professionelles und verantwortungsbewusstes Unternehmen», teilte die DEG bei der Bekanntgabe der Vertragsunterzeichnung mit, mit der sie 18,5 Prozent der Aktien erhielt.

Doch das Gegenteil geschah: Auf mindestens drei Farmen von PAYCO kam es seither zu großflächigen Brandrodungen sowie Abholzungen für die Viehhaltung. Das belegt eine Auswertung von Satellitendaten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, das die Entwaldung auf den Flächen des Unternehmens im Zeitraum von 2013 bis 2020 aufzeichnete. Es handelt sich dabei um die Farmen Carandayty und Timboty, die bis 2022 in den eigenen «Nachhaltigkeitsberichten» als Unternehmenseigentum auftauchten. Ebenso betroffen ist die Farm Santa Rosa, welche zwischen 2015 und 2016 im Besitz von PAYCO war.

Den Daten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zufolge wurden auf der Farm Carandayty im Bundestaat Alto Paraguay zwischen 2013 und 2020 etwa 4619 Hektar entwaldet. In Timboty, im Bundesstaat Presidente Hayes, waren es im gleichen Zeitraum etwa 2037 Hektar. Santa Rosa, ebenfalls im Bundesstaat Presidente Hayes gelegen, verzeichnete zwischen 2015 und 2016 eine Entwaldung von 824 Hektar. Inzwischen haben die Farmen Carandayty und Timboty beide den Besitzer gewechselt und laufen seit August 2023 auf den Namen des Treuhänders Investor. El Surtidor und CORRECTIV fanden keine Aufzeichnungen, die die derzeitigen Eigentümer der Farm Santa Rosa ausmachen könnten.

Eine Studie der Menschenrechtsorganisation FIAN von 2021 belegt ein ähnliches Vorgehen von PAYCO auch im Osten des Landes. Hier habe das Unternehmen eine Palmplantage abholzen lassen, um Eukalyptus zu pflanzen. Die Studie bezieht sich auch auf Landkonflikte, die die Plantage betreffen und kritisiert den Einsatz von Agrochemikalien durch das Unternehmen.

Die DEG hatte bereits vor Veröffentlichung der Recherche zu den Vorwürfen Stellung bezogen und teilte mit, dass die Bank keine Kenntnis von der Entwaldung habe. «Unseren Informationen zufolge wurde in den Jahren 2016 bis 2017 eine Flächenumwandlung in einem viel kleineren Umfang von etwa 800 Hektar vorgenommen, welche bereits vor der Investition der DEG beantragt und 2014 von den zuständigen Behörden genehmigt worden war», so die Entwicklungsbank. Sie fährt fort: «nach unseren Informationen hat das Unternehmen (PAYCO) seit 2016 keine weitere Entwaldung durchgeführt oder beantragt».
Die Satellitendaten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt beweisen jedoch, dass auf den Farmen Timboty und Carandayty der größte Teil der Entwaldung nach 2016 durchgeführt wurde. Das lässt Zweifel daran aufkommen, wie strikt die DEG  bei ihren Investitionen Umweltvorgaben tatsächlich kontrolliert.

Intransparente Entwicklungspolitik

Auch jenseits der Umweltfrage muss die Investition als zweifelhaft bewertet werden. Der Geschäftspartner der DEG, die EuroAmerican Finance, der ungefähr 85 Prozent von PAYCO gehören, ist aus dem undurchsichtigen Firmennetzwerk um die inzwischen insolvente Grupo Espírito Santo hervorgegangen. Infolge der portugiesischen Finanzkrise wurden der Bank betrügerische Praktiken vorgeworfen, mit derer sie sich weiter mit Kapital versorgen wollte. Das Debakel wurde im Jahr 2014 bekannt – ein Jahr nach der Investition der DEG in PAYCO. Nach einer Untersuchung der Ökonomin Sarah Zevaco, war PAYCO Paraguay gerettet, als am 8. Dezember 2014 ein Gericht in Luxemburg die Insolvenz der Unternehmen der Gruppe Espírito Santo bestätigte und begann, ihr Eigentum zu beschlagnahmen.

Gegenwärtig besteht beim Verwaltungsgericht Köln eine Auskunftsforderung gegen die staatliche Entwicklungsbank KfW, zu der auch die DEG gehört. Die Menschenrechtsorganisation FIAN und das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) verlangen die Offenlegung der Umwelt- und Sozialaktionspläne von PAYCO in Paraguay. Das Gericht hatte entschieden, dass die KfW nach dem deutschen Informationsfreiheitsgesetz zur Auskunft verpflichtet ist. Dennoch legte die KfW gegen diese Entscheidung Berufung ein.

Auf Nachfrage von CORRECTIV und El Surtidor war die DEG nicht bereit, weitere Auskunft zu den Plänen von PAYCO erteilen. Man sei dazu gesetzlich nicht verpflichtet. Die Art und Weise, wie sie mit Informationen umgeht, zeige, dass sich die DEG fälschlicherweise als Privatbank betrachte, sagt Roman Herre von FIAN Deutschland. «Statt als staatlicher Akteur, der im öffentlichen Interesse handelt und rechenschaftspflichtig ist.»

Mangelnde Transparenz und fragwürdige Geschäftspraktiken sind auch ein wiederkehrendes Thema im deutschen Parlament, wo die Bundesregierung seit Jahren zu mehr Transparenz und Regulierung der DEG-Geschäfte aufgefordert wird. «Die Bank operiert im Schatten der KfW. Niemand weiß genau, was sie eigentlich macht», sagt Peter Wolff, Experte für entwicklungspolitische Finanzen. Auf Anfrage von CORRECTIV und El Surtidor verteidigte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die DEG mit den Worten, dass «ohne Mittel des privaten Sektors weder Ziele für nachhaltige Entwicklung, noch die Klimaziele des Pariser Abkommens erreicht werden können».

Umweltpolitiker*innen fordern Konsequenzen

Damit wollen sich Umweltpolitiker*innen im Europäischen Parlament und im Bundestag nicht zufriedengeben. Delara Burckhardt, umweltpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten (SPD) im Europäischen Parlament, kritisierte die Verwicklung europäischer Finanzinstitute in die Abholzung und meint, dass freiwillige Verpflichtungen nicht ausreichten. «Ohne ihre Kredite, Versicherungen oder Garantien wären viele wirtschaftliche Aktivitäten, die auf der Zerstörung der Wälder beruhen, nicht möglich», so Burckhardt.

Auch Cornelia Möhring von der Linken betont, dass es Konsequenzen und auch Entschädigungen geben müsse. Sie ist der Ansicht, dass «der Schaden an der Biodiversität von der deutschen Regierung ausgeglichen werden muss, zum Beispiel durch Aufforstung vor Ort.» Die entwicklungspolitische Sprecherin forderte von Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Finanzminister Christian Lindner, die gesamte Finanzierung der Bank zu prüfen und die Ergebnisse transparent zu machen. Es sei Zeit für eine «ehrliche Debatte",so Möhring, und für «eine Transparenzoffensive» darüber, ob die Förderung des Privatsektors in der deutschen Zusammenarbeit wirklich «Teil der Lösung» ist oder ob Unternehmen, «sich aufgrund ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen den Versuchen des öffentlichen Sektors, Armut, Klimawandel und Ungerechtigkeit zu lösen, entgegenstellen.»

Die DEG untersteht der Deutschen Entwicklungsbank, die als öffentliche Einrichtung dem deutschen Entwicklungsministerium unterstellt ist. Vertreter des Finanz- und Wirtschaftsministeriums sitzen ebenfalls im Aufsichtsrat der Einrichtung.

Der Entwicklungsausschuss des Bundestages befasst sich nun ebenfalls mit dem Fall. Roman Herre, Experte für Landwirtschaft und Menschenrechte der Organisation FIAN, betont in diesem Zusammenhang, dass mehr Transparenz bei den Geldern der deutschen Zusammenarbeit notwendig sei, wobei er insbesondere die negativen Auswirkungen der DEG in Paraguay erwähnte.

Der Artikel ist eine übersetzte und überarbeitete Fassung von zwei Recherchen von CORRECTIV und El Surtidor, Paraguay:

https://elsurti.com/pt/reportaje/2023/09/26/banco-alemania-deforestacion-chaco/ und

https://elsurti.com/pt/en-el-parlamento-aleman-y-el-europeo-piden-fin-de-inversion-de-banco-a-empresa-que-deforesto-en-el-chaco/

Recherche und Text: Maximiliano Manzoni und Gesa Steeger Übersetzung aus dem Spanischen von Piet Fenske