Burkina Faso durchlebt einen der dunkelsten Abschnitte seiner Geschichte. Der seit fast zehn Jahren anhaltende dschihadistische Terrorismus hat das Land massiv destabilisiert. Da rund 30 Prozent des Territoriums von bewaffneten Kräften kontrolliert werden, konzentrieren sich die staatlichen Anstrengungen inzwischen auf den militärischen Bereich. Diese Entwicklung gefährdet die Demokratie, das Bildungswesen und die Freiheitsrechte der Bevölkerung.
Ein kurzer Überblick
Burkina Faso wird seit 2016 von Gewalt und Terror geplagt. Die ersten dschihadistischen Terroranschläge wurden zeitgleich zu den ersten demokratischen Wahlen des Landes verübt. Dem Militär dienten die zahlreichen Anschläge als Rechtfertigung, um den Ende 2020 wiedergewählten Präsidenten, Roch Marc C. Kaboré, im Januar 2022 zu stürzen.
Vor diesem Hintergrund verhängten die neuen Machthabenden den Ausnahmezustand. Nach einem zweiten Putsch im September 2022 durch Hauptmann Ibrahim Traoré wurde unter Vermittlung der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) eine Übergangsperiode von 18 Monaten ausgehandelt. Um den Angriffen vor allem im Norden und Osten des Landes besser begegnen zu können, wurden neue Militärzonen eingerichtet.
Aufgrund der aktuellen Situation in Burkina Faso, wo Regierungskritiker*innen unterdrückt werden, möchte der*die Autor*in anonym bleiben.
Übersetzung aus dem Französischen von Camilla Elle und Laura Haber für Gegensatz Translation Collective.
Parteipolitische Aktivitäten sind seit der Machtübernahme durch das Militär unter Traoré ausgesetzt. Selbst den Gewerkschaften und einem Bündnis von Vereinigungen wurde zuletzt am 31. Oktober eine Versammlung untersagt, die an die erfolgreichen Aufstände 2014 gegen Langzeitpräsident Blaise Compaoré erinnern sollte. Dagegen dürfen zivilgesellschaftliche Organisationen, die den Übergangspräsidenten unterstützen, Kundgebungen und Pressekonferenzen abhalten, über die in den Medien ausführlich berichtet wird.
Von Terroranschlägen erschüttert
Derzeit blockieren bewaffnete Gruppen den Zugang zu mehreren Städten, insbesondere zu den Provinzhauptstädten (Nouna, Djibo, Diapaga, Tougan u.a.). In vielen noch zugänglichen Städten herrscht eine Ausgangssperre. Städte wie das nur wenige Kilometer von der Grenze zu Mali entfernt liegende Djibo werden regelmäßig angegriffen und von den Behörden, Nichtregierungsorganisationen und dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen phasenweise aus der Luft versorgt. Zivile Versorgungskonvois mit militärischem Begleitschutz werden nicht selten von bewaffneten Angreifern überfallen.
Burkina Faso war 2023, wie in den Vorjahren, erneut von schweren Anschlägen betroffen. Im Juni fielen dem Anschlag in Seytenga mindestens 80 Menschen zum Opfer, im September kostete der Anschlag in Gaskindé elf Militärangehörige das Leben, 50 weitere Personen werden noch vermisst. Schließlich starben am 23. November mindestens 40 Zivilist*innen bei einem Anschlag, zu dem sich die Al-Qaida zugehörige Gruppe Jnim (Jamāʿat nuṣrat al-islām wal-muslimīn) bekannte. Der Gegenschlag forderte nach Angaben der Militärbehörden über 200 Tote auf Seiten der Terroristen.
Besonders unsicher sind die Provinzen im Osten des Landes unweit der Grenzen zu Niger und Benin sowie die Städte der Sahelzone. Nach Angaben des Global Terrorism Index (GTI) war Burkina Faso 2022 das am zweithäufigsten von Terroranschlägen betroffene Land weltweit.
Humanitäre Krise
Die Sicherheitslage macht es vielen Familien unmöglich, ihrer Haupterwerbstätigkeit nachzugehen: der Landwirtschaft. Hinzu kommen die Unwägbarkeiten des Klimawandels. Die Kombination beider Faktoren hat den Anbau und insbesondere die Ernte beeinträchtigt. Dabei ist Burkina Faso ein überwiegend landwirtschaftlich geprägtes Land, in dem viele Familien auf die eigene Produktion angewiesen sind, um sich über das gesamte Jahr zu versorgen. Laut dem Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) waren von Jahresbeginn bis September 4,9 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen. Rund 180.000 Kinder leiden laut OCHA an chronischer Unterernährung. Besonders schlimm sei die Lage im Norden, in der Sahelzone und im Osten des Landes, wo die bewaffneten Gruppen am aktivsten sind.
Während die Kaufkraft der Bevölkerung weiter sinkt, hat der Konflikt auch zu einem Anstieg der Preise für Konsumgüter geführt. Da viele Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, um in sicherere Regionen zu fliehen, hat sich die Sicherheitskrise zu einer humanitären Krise ausgeweitet. Das Land zählt mehr als zwei Millionen Binnenflüchtlinge – zusätzlich zu den Menschen, die in Nachbarländer wie Ghana und vor allem die Elfenbeinküste geflohen sind.
Wie in allen armen Ländern destabilisiert der Terrorismus nicht nur die institutionelle Ordnung, sondern auch grundlegende Bereiche wie das Bildungswesen. Seit 2016 wurden landesweit mehr als 5.000 Schulen geschlossen. In einigen von terroristischer Gewalt betroffenen Regionen verbieten die dschihadistischen Kräfte Schulen in ihrer jetzigen Form, da sie diese als Orte zur Verbreitung westlicher Kultur betrachten.
Repressionen gegen Journalist*innen und Medien
Aber nicht nur Schulen werden ins Visier genommen. Auch zahlreiche Sendemasten der Telekommunikationsnetze wurden zerstört, und lokale Radiosender mussten schließen, um Repressalien zu entgehen.
Krisenzeiten sind für Medien und Medienschaffende immer ein Anlass zur Sorge. In Burkina Faso stellen, neben den Terroranschlägen, auch die Informationssteuerung und Einmischung der Exekutive in die Medienaufsicht eine Bedrohung für die Demokratie dar. Seit Beginn des Jahres 2023 hat sich die Situation für Journalist*innen erheblich verschlechtert. Je ein internationaler Radio- und Fernsehsender (RFI und France 24) wurden vom Kommunikationsministerium (und nicht etwa von der Medienaufsichtsbehörde) des Landes geschlossen; zwei ausländische Printmedien (die Tageszeitung Libération und das Magazin Jeune Afrique) durften nicht erscheinen. Auch ein bekannter lokaler Radiosender wurde wegen «Terrorverherrlichung» für einige Wochen eingestellt.
Versuche, die Presse mundtot zu machen, erfolgen auch durch die Einschüchterung kritischer Journalist*innen. Kritische Einschätzungen, die früher eine Spezialität der burkinischen Presse waren, sind nicht länger erwünscht. Sie können heute dazu führen, dass die Verantwortlichen an die Front beordert werden, um gemeinsam mit der Armee und der bewaffneten Vigilantengruppe VDP gegen die Terroristen zu kämpfen. Diese undemokratischen Praktiken scheinen die Zustimmung einer lautstarken Mehrheit zu finden. Derzeit sind mindestens drei Journalist*innen von dieser Zwangsrekrutierung betroffen. Alle Berufsverbände der Medien haben diese Praxis angeprangert.
Seit der Machtübernahme durch das Militär ist der Zugang zu öffentlichen Medien schwierig. Abweichende Stimmen werden nicht mehr gehört, obwohl es in Artikel 31 des burkinischen Informationsgesetzes heißt: «Politische Parteien oder Organisationen verfügen über einen gleichberechtigten Zugang zu den nationalen öffentlichen Organen, zu Presse, Radio und Fernsehen.» Nur zivilgesellschaftliche Organisationen, die die Doktrin der militärischen Stärke vertreten, können noch auf einen Platz in den öffentlichen Medien hoffen. Faktisch sind auch die privaten Medien ins Visier der Staatsmacht gerückt, da weder politische Parteien noch zivile Organisationen, die nicht hinter die Regierung stehen, in der Berichterstattung vorkommen dürfen.
Und wie so oft, wenn der Zugang zu traditionellen und offiziellen Medien erschwert wird, wenden sich öffentliche Akteure aus Angst vor Repressionen, die mit der Informationskontrolle einhergehen, Untergrundmedien zu. Diese sind jedoch nicht immer glaubwürdig, da sie in dieser Situation eher subjektive als objektive Positionen einnehmen. Einige professionelle Journalist*innen, aber auch Amateur*innen, publizieren in den sozialen Netzwerken unter Pseudonymen, um sich vor Repressionen zu schützen.
Am 21. November 2023 hat die gesetzgebende Übergangsversammlung auf Vorschlag des Kommunikationsministeriums ein neues Gesetz verabschiedet, das bei den Medienschaffenden und vor allem bei den Journalistenverbänden für Verärgerung sorgte. Denn dieses Gesetz erweitert die Kompetenzen des Obersten Kommunikationsrats (CSC) im Hinblick auf die Regulierung sozialer Netzwerke, in diesem Fall Facebook. Seiten mit mindestens 5.000 Abonnent*innen sollen, wie jedes andere vom CSC anerkannte Medium, reguliert werden. Dem Kommunikationsminister zufolge geht es den Behörden darum, «dem CSC die Einführung neuer Steuerungsmechanismen zu ermöglichen, um effizienter zu arbeiten und angemessen auf die neuen Herausforderungen der digitalen Revolution zu reagieren.»
Die Lage in der Sahelzone
In Burkina Faso wird Frankreich als Hauptursache der Probleme gesehen. Wie den anderen Militärmächten der Sahelzone verstehen auch die burkinischen Machthabenden nicht, warum eine so gut ausgerüstete Armee wie die französische nicht in der Lage war, den Terroranschlägen zu begegnen. Um sich zu profilieren und der eigenen antiimperialistischen Rhetorik gerecht zu werden, forderten sämtliche Militärregime der Region den Abzug der französischen Streitkräfte aus ihren Gebieten. Seit dem Staatsstreich in Niger im vergangenen Juli soll es keine französischen Streitkräfte mehr in der Sahelzone geben.
Neben der französischen Armee wird auch die französische Politik in Bezug auf den afrikanischen Kontinent abgelehnt. Entsprechend angespannt sind die Beziehungen Burkina Fasos und seiner Nachbarstaaten Mali und Niger zu Frankreich, das in allen drei Ländern seine konsularischen Vertretungen geschlossen hat. Diese diplomatische Krise hat Burkina Fasos Annäherung an Russland begünstigt, das als sicherer und effizienterer Verbündeter angesehen wird. In Ouagadougou und fast allen anderen Städten des Landes wehen an nahezu jedem Kreisverkehr russische Flaggen. Zudem wird bei Demonstrationen zur Unterstützung der Machthabenden oftmals ein Porträt Präsident Putins hochgehalten.
Im September 2023 schlossen Burkina Faso, Mali und Niger einen Verteidigungspakt zur Bekämpfung des Terrorismus. Diese Allianz dürfte angesichts der schwierigen Beziehungen zu Frankreich das Ende der G5 Sahel bedeuten, aus der Mali sich bereits zurückgezogen hat. Die neue Allianz verfolgt weiter reichende Ziele als die G5 Sahel, da es nicht nur militärische, sondern auch wirtschaftliche Kooperation umfasst. Primäres Ziel ist es, den Terrorismus und die organisierte Kriminalität in dieser Region zu bekämpfen. Außerdem soll in naher Zukunft eine «Architektur der kollektiven Verteidigung und gegenseitigen Unterstützung» aufgebaut werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Burkina Faso auf dem Weg zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung kaum vorankommt. Die amtierenden Regierungsorgane scheinen sich derzeit nicht zu bemühen, die von der ECOWAS gesetzten Fristen einzuhalten. Da die nächsten Wahlen bereits im Juni nächsten Jahres – nach Ablauf der mit der ECOWAS vereinbarten Übergangsperiode – stattfinden sollen, werden die ersten Monate des Jahres 2024 von entscheidender Bedeutung sein.