Massimo Perinelli, Historisches Seminar, Universität zu Köln, rezensiert für H-Soz-u-Kult
Steinbacher, Sybille: Wie der Sex nach Deutschland kam. Der Kampf um Sittlichkeit und Anstand in der frühen Bundesrepublik. München: Siedler Verlag 2011. ISBN 978-3-88680-977-6; 576 S.; EUR 28,00.
Perinelli schreibt u.a.: "Sybille Steinbacher untersucht die Sexualitäts- und Sittlichkeitsdiskurse der ersten drei Nachkriegsjahrzehnte sowie das Ringen um gesellschaftliche Hegemonie auf knapp 360 Seiten; der 140-seitige Fußnotenapparat und die 70-seitige Literaturliste verweisen auf die Habilitationsschrift, die diesem Buch zugrunde liegt. Es geht der Autorin primär um die Selbstverständigung einer Gesellschaft über das Sexuelle. Als Kern ihrer Arbeit betont sie immer wieder die "gesellschaftliche Selbstsuche, die der soziale Konflikt um Sexualität verdeutlicht" (S. 133)."
Abschliessend meint er: "Trotzdem bleiben Fragen offen: Warum zum Beispiel war die damalige Presse scheinbar selbstverständlich liberal bzw. "modern", obwohl ihr Personal selbst einen bildungsbürgerlichen, mitunter antimodernen Hintergrund besaß? Und warum war die breite Bevölkerung in ihren Konsumwünschen so offen für alles Neue und Erotische und nicht ebenso rückwärtsgewandt wie die bürgerlichen Schichten? Immerhin waren es ja nicht nur die Eliten, die den Nationalsozialismus ermöglicht hatten. Dem Buchtitel zum Trotz bleibt teilweise unbeantwortet, "wie der Sex nach Deutschland kam" und was für ein Sex das war - besonders im Hinblick auf die so genannte sexuelle Revolution Ende der 1960er-Jahre, wenn doch eigentlich 1953 das sexuelle Wendejahr war. War "68" nur eine Folge der 1950er-Jahre, oder besaß es eine eigene, transnationale Logik? Dennoch, das eingängig geschriebene Buch von Sybille Steinbacher ist eine überaus wichtige Studie zur Sexualitäts- (und Demokratie-)Geschichte der Bundesrepublik; es sollte in keiner historischen Bibliothek dieses Landes fehlen."