Analyse | Parteien / Wahlanalysen - Rosalux International - Südostasien Indonesische Thronfolge

Mit Prabowo Subianto kommt in Indonesien eine obskure, unberechenbare Figur an die Macht.

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John Sidel,

Ex-Verteidigungsminister Prabowo Subianto (links) hält eine Rede bei einer Versammlung in Jakarta, nachdem er den Sieg bei den indonesischen Präsidentschaftswahlen am 14. Februar 2024 erklärt hat. Er steht neben Gibran Rakabuming Raka, dem ältesten Sohn des bisherigen indonesischen Präsidenten Joko Widodo, den er als Vizepräsidenten nominiert hat. 
Ex-Verteidigungsminister Prabowo Subianto (links) hält eine Rede bei einer Versammlung in Jakarta, nachdem er den Sieg bei den indonesischen Präsidentschaftswahlen am 14. Februar 2024 erklärt hat. Er steht neben Gibran Rakabuming Raka, dem ältesten Sohn des bisherigen indonesischen Präsidenten Joko Widodo, den er als Vizepräsidenten nominiert hat.  Foto: IMAGO / Kyodo News

Die Wahlen in aller Welt haben uns dieses Jahr eindringlich vor Augen geführt, dass Wähler*innen selbst unter den Bedingungen eines «freien und fairen» Wettbewerbs nicht viel von der liberalen Demokratie erwarten können. Es ist leicht, die gefälschten Ergebnisse in Bangladesch, Pakistan und Russland zu beklagen oder die Art und Weise, in der die indische BJP und der südafrikanische ANC ihren Amtsbonus für den Machterhalt nutzen. Aber das spektakuläre «Rückspiel» zwischen Biden und Trump in den USA und die trüben Aussichten einer Starmer-Regierung in Großbritannien deuten darauf hin, dass die Probleme heutiger Wahlsysteme nicht auf repressive oder klientelistische Regime beschränkt sind.

In Indonesien, der Demokratie mit der drittgrößten Bevölkerung der Welt – und der größten mehrheitlich muslimischen –, soll nun eine notorisch obskure und unberechenbare Figur an die Macht kommen. Der am 14. Februar gewählte Prabowo Subianto ist ein Ex-Schwiegersohn des langjährigen Militärdiktators Suharto, der als General unehrenhaft aus der Armee entlassen wurde, weil er die Entführung und Folter von Dissident*innen beaufsichtigt haben soll und als Politiker ethnische und religiöse Spannungen ausschlachtete. Dem Land droht damit erneut eine autoritäre Herrschaft.

John Sidel ist Professor für Internationale und Vergleichende Politik an der London School of Economics and Political Science.

Prabowo kandidierte bei den letzten beiden Wahlen und verlor beide Male gegen Joko Widodo («Jokowi»). Nachdem er 2019 als Jokowis Verteidigungsminister kooptiert worden war, trat er 2024 erneut an, diesmal mit dem Präsidentensohn Gibran Rakabuming Raka als Vizekandidaten – ein klares Zeichen dafür, dass seine Kandidatur vom amtierenden Präsidenten gebilligt wurde. Jokowis stillschweigende Unterstützung sowie die Einschüchterung und Bestechung lokaler Beamt*innen zur Mobilisierung von Unterstützung könnten erklären, warum Prabowos Stimmenanteil am Wahltag mit 58 Prozent fast zehn Punkte über den Vorwahlumfragen lag. Sein Sieg ersparte ihm die Stichwahl gegen seine beiden Konkurrenten, Jakartas Ex-Gouverneur Anies Baswedan, der 24 Prozent der Stimmen erhielt, und Zentraljavas Gouverneur Ganjar Pranowo, der lediglich 17 Prozent erreichte. Um zu verstehen, warum die Indonesier*innen diese groteske Figur auserwählt haben, ist ein genauerer Blick auf das politische System des Landes notwendig.

Dünne Fassade pseudodemokratischer Legitimität

Im Vergleich zu früheren demokratischen Phasen sind die Parameter der indonesischen Politik seit der Rückkehr zu freien Wahlen im Jahr 1999 sehr eng gesteckt. Während des Unabhängigkeitskampfes in der frühen Nachkriegszeit wurde die angeschlagene Republik von einer Reihe zerstrittener Mehrparteienregierungen geführt. Nach der Unabhängigkeit von der niederländischen Herrschaft erlebte das Land ein kurzlebiges parlamentarisches Experiment, wobei vier Parteien die Wahl von 1955 dominierten: Partai Nasionalis Indonesia (PNI, Indonesische Nationalpartei, 22 Prozent), Masyumi (Konsultativrat der Muslime Indonesiens, 21 Prozent), Nahdlatul Ulama (NU, Wiedererwachen der Gelehrten, 18 Prozent) und Partai Komunis Indonesia (PKI, Kommunistische Partei Indonesiens, 16 Prozent). Jede dieser Parteien war eine Massenorganisation, die in bestimmten Regionen und Schichten besonderen Rückhalt genoss und von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen unterstützt wurde. Die PKI baute in dieser Zeit ihre Macht in der Wählerschaft und im Staat kontinuierlich aus. Mit ihrem Gewerkschaftsbund, dem Bauernverband, den Frauen- und Jugendgruppen, ihrem Unterstützerkreis aus Künstler*innen und Intellektuellen sowie ihren zahlreichen Parteipublikationen war sie im öffentlichen Leben und im politischen Diskurs sehr präsent: die wohl größte legale und offen arbeitende kommunistische Partei außerhalb der Sowjetunion und der Volksrepublik China.

Doch dieses ausgesprochen partizipative und inklusive System fiel dem Kalten Krieg zum Opfer. Vor dem Hintergrund CIA-unterstützter regionaler Aufstände in den Jahren von 1957 bis 1959 verhängte Präsident Soekarno das Kriegsrecht, löste das Parlament auf und verbot 1960 die Masyumi. Nachdem Armeegeneral Suharto Ende 1965 durch einen von den USA unterstützten Militärputsch an die Macht gekommen war, wurde die PKI in einem antikommunistischen Pogrom zerschlagen, bei dem Hunderttausende Aktivist*innen und Mitglieder ermordet und Millionen weitere eingeschüchtert und inhaftiert wurden.

In den folgenden drei Jahrzehnten wahrte das Militärregime eine dünne Fassade pseudodemokratischer Legitimität. Sorgfältig inszenierte Wahlen brachten sowohl ein gefügiges Parlament als auch ein weitgehend auf Ernennung beruhendes überparlamentarisches Gremium hervor, das Suharto und den von ihm bestimmten Vizepräsidenten alle fünf Jahre zuverlässig «wiederwählte». Die PNI und die beiden kleinen katholischen und protestantischen Parteien wurden gezwungen, zur Partai Demokrasi Indonesia (PDI) zu fusionieren, während die NU und andere islamische Parteien in der Partai Persatuan Pembangunan (PPP oder Vereinigte Entwicklungspartei) zusammengefasst wurden. Im Parlament dominierte unterdessen mit der Golkar (eine Abkürzung für Golongan Karya, «Partei funktioneller Gruppen») der parteipolitische Arm des Regimes. Aufgrund der garantierten Unterstützung des militärischen Establishments, der Bürokratie und der – seit dem Aufstieg des indonesischen Kapitals in den 1980er Jahren und der ersten Hälfte der 1990er Jahre – expandierenden Geschäftswelt handelte es sich im Wesentlichen um ein abgekartetes Spiel.

Erst die asiatische Wirtschaftskrise der Jahre 1997/1998 und Suhartos hartnäckige Begünstigung der Geschäftsimperien und politischen Karrieren seiner Nachkommen ließen Meinungsverschiedenheiten aufbrechen und Gefolgsleute abtrünnig werden, was das Regime schließlich destabilisierte. Im Mai 1998 drängte ein Zusammenschluss aus Golkar-Führer*innen, Kabinettsminister*innen und hochrangigen Militärs Suharto dazu, seinen Platz für Vizepräsident B.J. Habibie zu räumen, seines Zeichens langjähriger Minister für Forschung und Technologie und erbitterter Rivale von Suhartos Tochter Tutut. Die anhaltende Abwertung der Rupiah und der sich verschärfende wirtschaftliche Abschwung schädigten massiv die Geschäftsinteressen verschiedener Branchen – wie Bauunternehmen und Zollagenturen, Holzfällerei- und Bergbaukonzessionen, Agrarindustrie und Immobilienfirmen –, die bislang vom Regime repräsentiert worden waren; Suharto und seine Familie mussten gehen.

Die unterschiedlichen Geschäftsinteressen, die innerhalb des Regimes vertreten waren – Baufirmen und Zollagenten, Holzfäller- und Bergbaukonzessionen, Agrarindustrie und Immobilienfirmen – konnten der anhaltenden Abwertung der Rupiah und dem sich verschärfenden wirtschaftlichen Abschwung nicht standhalten.

Unter Habibie fanden 1999 erstmals wieder freie Wahlen statt, und das indonesische Parteiensystem erweiterte sich, wenn auch in engen Grenzen. Der anhaltende Antikommunismus schloss eine Wiederauferstehung der PKI aus. Gewerkschafter*innen und studentische Aktivist*innen hatten kaum eine andere Wahl, als sich der umbenannten PDI-P (Demokratische Partei des Kampfes Indonesiens) anzuschließen, die von Soekarnos Tochter Megawati Soekarnoputri geführt und von genug pensionierten Armeeoffizieren und evangelikalen Geschäftsleuten unterstützt wurde, um etwaige linke Tendenzen zu neutralisieren.

Das Wahlergebnis von 1999 war richtungsweisend für die indonesische Demokratie im neuen Jahrtausend: 34 Prozent entfielen auf die PDI-P, 22 Prozent auf die Golkar, und ein Großteil der restlichen Stimmen verteilte sich auf eine Vielzahl kleinerer Parteien, die verschiedene Strömungen des islamischen Bildungs- und Vereinslebens repräsentierten. Das neue System schuf eine extrem konservative Form des Pluralismus, bei der jede Partei und ihre Finanziers staatliche Unterstützung und politischen Einfluss in einer Reihe breit angelegter Koalitionsregierungen genossen. Beobachter*innen sprachen bald von «Parteikartellen».

Vor diesem Hintergrund bot lediglich das Präsidentschaftsamt die Option für ernsthafte politische oder wirtschaftliche Reformen. Nach Megawatis kurzer und enttäuschender Amtszeit von 2001 bis 2004 wurde 2004 und 2009 mit Susilo Bambang Yudhoyono ein pensionierter Armeegeneral gewählt, der einen guten Ruf als «Berufssoldat» und erfahrener Kabinettsminister besaß und mit dem Versprechen antrat, die Korruption und parteipolitische Zerrissenheit zu überwinden. Seine zehnjährige Amtszeit erwies sich jedoch als eine Dekade, in der die Chance verpasst wurde, institutionelle Reformen und die industrielle Entwicklung des Landes voranzutreiben – und das inmitten eines Rohstoffbooms, der durch die steigende Nachfrage aus dem nahen China angetrieben wurde.

Enttäuschte Hoffnungen: Die Jakowi-Präsidentschaft

Die Präsidentschaftskandidatur Jokowis im Jahr 2014 bot eine vermeintlich vielversprechendere Vision für einen Wandel von oben. Der Kleinunternehmer mit einer Möbelexportfirma wurde für seine Problemlösungs- und Bündnisfähigkeit als PDI-P-Bürgermeister der zentraljavanischen Stadt Solo sowie für die öffentlichkeitswirksamen Stegreifgespräche gelobt, die er während seiner Amtszeit als Gouverneur von Jakarta mit Anwohner*innen führte. Sein vermeintlich «sauberer» Geschäftshintergrund, seine Erfolge im Wahlkampf und in der Zusammenarbeit mit christlichen Abgeordneten chinesischer Herkunft, sein Engagement für lokale Nichtregierungsorganisationen, zivilgesellschaftliche Gruppen und Gewerkschafter*innen sowie seine Distanz zu Megawati – der heutigen Vorsitzenden der PDI-P – weckten Hoffnungen auf einen unbestechlichen, unabhängigen, integrativen und fortschrittlichen Präsidenten.

Während Jokowis Amtszeit wuchs die Wirtschaft dank der weltweiten Nachfrage nach indonesischen Bodenschätzen, Palmöl und anderen Exportgütern weiter, und massive Investitionen in die Infrastruktur trugen zur Popularität des Präsidenten bei. Jokowi beeindruckte einige Indonesier*innen auch mit seinem Wirtschaftsnationalismus. Er verhängte ein Exportverbot für unverarbeitete mineralische Rohstoffe wie Nickel, bei dem Indonesien einen bedeutenden Weltmarktanteil hält, und löste damit eine Welle von Investitionen in neue mineralverarbeitende Anlagen aus, deren Kapital überwiegend aus China kam. Der wachsenden Sorge um die tiefliegende, überschwemmungsgefährdete und kontinuierlich absinkende Hauptstadt Jakarta begegnete Jokowi mit dem Plan, in einem abgelegenen Landstrich in Ost-Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos, eine neue Kapitale als Planstadt zu errichten. Diese Maßnahmen trugen dazu bei, dass seine Popularitätswerte während seiner beiden Amtszeiten über der 80-Prozent-Marke blieben.

Hoffnungen auf progressive Reformen wurden jedoch enttäuscht, wie etwa die neu eingeführten Gesetze zeigen, die gewerkschaftliche Organisierung, mediale Berichterstattung und sexuelle Freiheiten einschränken. Am Ende seiner zehnjährigen Amtszeit fühlten sich die Gewerkschaftsbewegung, Bürgerrechtsaktivist*innen und Menschenrechtsgruppen bitter betrogen. Kritiker*innen warfen Jokowi zunehmend autoritäres Verhalten und Intoleranz gegenüber Andersdenkenden vor. Zu seinen engen Berater*innen gehörte eine Reihe pensionierter Armeegeneräle wie A.M. Hendropriyono, der ehemalige Chef des indonesischen Geheimdienstes, der 1989 in ein Massaker an islamistischen Aktivist*innen und 2004 in die Ermordung des Menschenrechtsaktivisten Munir Said Thalib verwickelt gewesen war.

Doch die größte Enttäuschung sollte noch bevorstehen. Infolge lautstarker Demonstrationen nach seiner Wiederwahl im Jahr 2019 holte Jokowi seinen zweimaligen Gegenkandidaten Prabowo als Verteidigungsminister ins Kabinett und ignorierte Bedenken über dessen hetzerische Rhetorik und Menschenrechtsbilanz. Anstatt Megawatis Vorschlag zu akzeptieren, den ehemaligen Gouverneur von Zentraljava zum Präsidentschaftskandidaten der PDI-P zu machen, schloss Jokowi Ende 2023 einen Hinterzimmer-Deal mit Prabowo und verbrachte die letzten Monate seiner Präsidentschaft damit, den Sieg seines Thronfolgers zu sichern.

Ein Mann des Militärs: Der neue Präsident Parbowo

Was zeichnet Prabowo selbst aus? Die meisten westlichen Medien haben eine nahezu pathologische Neigung, ihn als Außenseiter zu porträtieren, dessen politisches Comeback auf die «populistische» Attraktivität seines energischen und unkonventionellen Stils zurückzuführen sei. Prabowos Aufstieg zum Präsidenten lässt sich jedoch nur durch eine historisch fundierte Analyse verstehen. Er wurde 1951 in die Kreise der Priyayi hineingeboren, jener javanischen Aristokratie, die den niederländischen Kolonialstaat mit Personal versorgte und deren Privilegien den Übergang in die Unabhängigkeit und die nachfolgenden Jahrzehnte des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Wandels weitgehend unangetastet überstanden. Sein Großvater war ein in den Niederlanden ausgebildeter Kolonialbeamter, der während der Revolution in die republikanische Regierung eintrat und die Zentralbank des Landes gründete. Prabowos Vater, Sumitro Djojohadikusumo, promovierte in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Rotterdam und bekleidete in den 1950er Jahren in mehreren Kabinetten wichtige Wirtschaftsressorts. Als führendes Mitglied der konservativen Partai Sosialis Indonesia (PSI) spielte Sumitro jedoch eine Rolle in den Anti-Soekarno-Aufständen dieses Jahrzehnts, deren Niederschlagung ihn und seine Familie für einen Großteil von Prabowos Jugend ins Exil zwang.

Mit der Errichtung des konservativen Militärregimes unter Suharto Mitte der 1960er Jahre kehrte Sumitro nach Indonesien zurück und spielte als Handelsminister (1968-1973) eine Schlüsselrolle bei der erneuten Öffnung der indonesischen Wirtschaft für ausländische Kredite, Investitionen und Handel. Sein Sohn Prabowo trat 1970 in die indonesische Militärakademie ein und machte vier Jahre später seinen Abschluss. Sein familiärer Hintergrund und seine prägenden Jahre sind gekennzeichnet durch die holländische Kolonialherrschaft, aristokratische Privilegien und den Erfolg eines konservativen, den Übergang zur Unabhängigkeit wie auch das spätere Abgleiten in die Militärdiktatur überdauernden Antikommunismus und Wirtschaftsliberalismus.

Prabowos militärische Karriere erstreckte sich über weite Teile der Suharto-Ära und die Blütezeit der Militärherrschaft, wobei seine Heirat mit einer Präsidententochter im Jahr 1983 seinen Aufstieg in höhere Führungspositionen sicherte. Einen Großteil seiner Laufbahn verbrachte er in den Spezialeinheiten (Kopassus), mit langen Einsätzen im indonesisch besetzten Osttimor, während derer er sich mutmaßlich an massiver Gewalt gegen die Zivilbevölkerung beteiligte, einschließlich des Einsatzes informeller Milizen zur Terrorisierung der lokalen Bevölkerung. Ähnlichen Vorwürfen sah er sich bezüglich der von ihm geleiteten Kopassus-Operationen in Westpapua ausgesetzt, wo der lokale Widerstand gegen die in den späten 1960er Jahren vollzogene Zwangsangliederung an Indonesien während der Suharto-Ära und darüber hinaus mit harter militärischer Repression beantwortet wurde.

Mitte der 1990er Jahre stieg Prabowo in Jakarta in militärische Schlüsselpositionen auf, zunächst als Kommandeur der Kopassus, dann als Kommandeur der Strategischen Reservearmee Kostrad – ein Amt, das Suharto bei seiner Machtübernahme Ende 1965 innegehabt hatte. Im Frühjahr 1998, als der alternde Diktator mit einer beispiellosen Wirtschaftskrise und Forderungen nach seinem Rücktritt konfrontiert war, kontrollierte Prabowo die größte Garnison in Jakarta, während enge Freunde die Schlüsselstellungen in den Spezialeinheiten und im Großraum der Hauptstadt bekleideten. In diesem Zusammenhang ordnete Prabowo die illegale Inhaftierung führender studentischer Aktivist*innen an und inszenierte groß angelegte Unruhen in Jakarta, offensichtlich in der Absicht, einen Ausnahmezustand auszurufen, um seine Macht zu konsolidieren.

Angesichts der zunehmenden Abwanderung von Kapital und chinesischstämmigen Geschäftsleuten ins Ausland sowie der wachsenden Uneinigkeit innerhalb des Regimes wurde Ende Mai 1998 ein alternativer Stabilisierungsplan ausgearbeitet. Suharto trat ab. Habibie übernahm das Präsidentenamt, und der Befehlshaber der Streitkräfte, Wiranto, erhielt die faktische Kontrolle über den Militärapparat zurück. Prabowo und seine Verbündeten wurden kurzerhand ihrer Ämter enthoben und er selbst binnen weniger Monate aus den Streitkräften entlassen. Es sollte nicht weniger als 25 Jahre dauern, bis er sein Comeback feiern konnte. Prabowo nutzte sein beträchtliches Vermögen (das er durch Investitionen in fossile Brennstoffe und Palmöl erworben hatte), die Parteimaschinerie (einschließlich seiner eigenen Bewegung «Groß-Indonesien», Gerakan Indonesia Raya oder Gerindra) und seine Präsenz in den sozialen Medien, um einen erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf zu führen, der in den wichtigsten politischen Fragen Kontinuität mit der Vorgängerregierung versprach.

Das deprimierend stabile System einer oligarchischen Demokratie

Für viele jüngere indonesische Stimmberechtigte mag diese Vorgeschichte irrelevant für ihre Wahlentscheidung gewesen sein, und möglicherweise hat Prabowos überlebensgroße Persönlichkeit Vertrauen in seine Fähigkeit geweckt, die Autorität des Amtes effektiver auszuüben als seine Gegner*innen. Im Laufe der Jahre hat sich Prabowo einen Ruf als starke politische Führungspersönlichkeit erworben. Er leitet seine Partei und hat es geschafft, sich neben einem Sitz im Kabinett auch die stillschweigende Unterstützung Jokowis zu sichern und damit einen Teil von dessen Popularität für sich zu nutzen. Im deprimierend stabilen System einer oligarchischen Demokratie, in der der politische Spielraum aufgrund des Zwangs zur Nominierung durch eine der etablierten Parteien und die praktischen Erfordernisse der Wahlkampffinanzierung eingeschränkt ist, stellt die Wahl Prabowos kaum einen «populistischen» Ausrutscher dar. Sie ist vielmehr der hässliche Ausdruck dessen, was Demokratie in Indonesien heute bedeutet. Prabowo und seine Familie haben eine zentrale Rolle in der Geschichte des unabhängigen Indonesien gespielt, und er steht symbolisch für die ultrakonservativen Kräfte, die das Land nach wie vor heimsuchen.
 

Deutsche Erstveröffentlichung des Textes «Line of Succession», der zuerst von der «New Left Review» publiziert wurde. Die Zwischenüberschriften wurden redaktionell eingefügt. Übersetzung aus dem Englischen von von Camilla Elle und Maximilian Hauer für Gegensatz Translation Collective.