Am Nachmittag des 9. Juni 2004 explodierte eine vom selbsternannten «Nationalsozialistischen Untergrund» (NSU) gelegte Bombe mit rund 800 Nägeln vor einem Frisörsalon auf der Keupstraße in Köln-Mülheim. Mehr als 20 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt und viele weitere traumatisiert. Einer von ihnen war Atilla Özer, der 2017 an den Spätfolgen des Anschlags starb, wie seine Frau Candan Özer berichtet.
«Nach meiner Vermutung waren es die Rechtsextremen», zitierte der Kölner Stadtanzeiger einen Überlebenden direkt nach dem Anschlag. Doch die Betroffenen wurden ignoriert und stattdessen gegen sie ermittelt. Anwohner*innen und Ladenbesitzer*innen wurden von den Behörden bespitzelt und kriminalisiert.
Der Anschlag nach dem Anschlag
Die Ermittlungen und Diffamierungen empfanden die Betroffenen wie einen zweiten Anschlag. Die Verdächtigungen und Befragungen, die Stigmatisierung, das Misstrauen, die Unsicherheit, die rassistische mediale Berichterstattung, fehlende Hilfe und Solidarität haben ebenso Narben hinterlassen.
Die Opfer wurden zu Täter*innen gemacht, während die wahren Täter*innen bis 2011 unbehelligt blieben und ihre Anschlagsserie fortsetzten. Genau ein Jahr nach dem Bombenanschlag in der Keupstraße ermordete der NSU am 9.6.2005 Ismail Yaşar in Nürnberg.
Trotz jahrelanger Bemühungen gibt es bis heute kein Mahnmal in Köln. Die Initiative «Herkesin Meydanı - Platz für alle» setzt sich für die Umsetzung des Mahnmals Keupstraße ein.
Von Mauerfall bis Nagelbombe
Zum 10. Jahrestag des Nagelbombenanschlags 2014 hat die Gruppe «Dostluk Sineması» ein Buch mit Berichten der damaligen Anwohner*innen herausgebracht.
«Von Mauerfall bis Nagelbombe. Der NSU-Anschlag auf die Kölner Keupstraße im Kontext der Pogrome und Anschläge der neunziger Jahre» ist bei der Amadeu Antonio Stiftung mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW erschienen.
Zum diesjährigen 20. Jahrestag des Anschlags stellen wir die Publikation auf dieser Seite zum Download zur Verfügung.