Nachricht | Jugendbildung - Politische Weiterbildung Von der Kultur zur Utopie - ein Interview mit Žanna Ponomarenko zur Platforma11

Im Rahmen eines Interviews erklärt die Vertrerin der Humanistischen Jugendbewegung aus Murmansk ihre Sichtweise auf das internationale Projekt.

Žanna Ponomarenko, Politikwissenschaftlerin, Humanistische Jugendbewegung Murmansk (HJM).

Seit 2005 ist sie dabei – zu Beginn als Teilnehmerin mit Inputs zu Politik und Kunst in der Sowjetunion und zur linken politischen Landschaft in Russland. Mitplanerin, -Koordinatorin und –Organisatorin des Dialogs der Kulturen und der Politischen Jugendbildungsakademie „Vostok Forum“; ebenso des jährlich von HJM und AG Russland des Jugendbildungsnetzwerks bei der Rosa Luxemburg Stiftung weiterentwickelten „Vostok Prozesses“, aus dem die Idee der platforma11 erwachsen ist. Heute leitet Žanna zusammen mit Natalja Stepakova die HJM.


Das Interview führte Tiina Fahrni, Referat Osteuropa der rls:

Tf: Was erwartest Du von platforma11?   
ZhP: Meine Erwartungen an platforma11… dass es eine platforma12 geben wird! Eine nächste Station, auf die wir zufahren. Wir und die AG Russland denken viel darüber nach, wie unser selbstorganisiertes Format weiterentwickelt werden kann, und überhaupt über Formen der Verbindung von Kunst, Bildung und Politik.
Ich hoffe dass viele wichtige Fragen während der platforma11 angesprochen werden. Dazu gehört der Einsatz von Kultur für die politische Jugendbildung. Dazu gehört, wie kulturelle Prozesse politische Debatten initiieren und umgekehrt, also die Wechselbeziehung zwischen Kunst und Politik. Dazu gehört auch die Frage, wie wir die Ideen, die wir diskutieren, nachvollziehbar machen.
Und ich möchte neue Kontakte herstellen. Wir haben ja eine Menge Ideen betreffend die grenzüberschreitende Entwicklung, und wir hoffen auf viele neue Netzwerkpartner.

Tf: Welche Bedeutung hat es für Dich, dass die Veranstaltung nun in Deutschland stattfindet?

ZhP: Von russischer Seite her werden viele Teilnehmende die Möglichkeit haben, zu erfahren, wie nun diese alternativen politisierten kulturellen Räume in Deutschland aussehen. Das bedeutet sehr viel. Und dann interessiert mich sehr, wie die deutschen Partner so ein Projekt machen, denn die Organisation selbst widerspiegelt ja, auf welche Art wir uns die Schlüsselfragen nach Verständnis und Teilhabe stellen. Bisher waren immer wir in der Organisatorenrolle… Insofern sind wir sehr froh, dass das nun möglich wurde. Ich hoffe auch, es werde uns gelingen, eine gemeinsame Vorstellung zu erarbeiten, wie wir uns weiterentwickeln wollen. Unsere Erfahrung und die Erfahrung unserer Kolleginnen und Kollegen zusammenzubringen, sich auszutauschen. Ich hoffe, dass es nach der platforma11 und nach Weitwinkel einfacher sein wird, eine gemeinsame Ebene zu erreichen. Viele Schwierigkeiten rühren daher, dass die Organisatoren  - die Rosa Luxemburg Stiftung, die deutschen Partner, die russischen Partner – verschiedene Vorstellungen haben, und deshalb ist es mir sehr wichtig, Berührungspunkte zwischen den Positionen zu finden, herauszufinden, wie wir gewisse Dinge verstehen, um sie gemeinsam weiterzuentwickeln. Das ist mein größter Wunsch, meine Maximalerwartung.

Tf: Die platforma11 wird ja in der Themenwoche „Weitwinkel – Kunst. Kultur. Politik.“ in Berlin weitergeführt. Du wirst am Weiterbildungstag für Mitarbeitende der Rosa Luxemburg Stiftung einen Workshop zur historischen Legitimierung politischer Kunst leiten. Was hoffst Du, in dem Workshop vermitteln zu können?

ZhP: Mein Thema wird Politik und Kunst im Sowjetrussland der 1920er Jahre sein, da sich das gut als Beispiel für den Zusammenhang zwischen Kunst und Politik eignet. Vor allem hoffe ich, diesen Zusammenhang aufzeigen zu können. Nicht vereinfachend, sondern anspruchsvoll, aber verständlich. Es ist ja so, dass die Verbindung zwischen Kunst und Politik nicht etwas ist, das wir uns selbst ausgedacht haben – das ist schon längst geschehen, gerade in Russland und in Deutschland. Es kann sein, dass sich das jemand noch nicht so vergegenwärtigt hat, dass all die Dinge, über die ich im Workshop sprechen werde, schon lange da sind. Nur der Kontext ist neu, aber die Sache war schon Thema der revolutionären Bewegung, der linken Bewegung, sozial engagierter Menschen. 
Und dann möchte ich auch darlegen, dass das nicht verschiedene Lebensbereiche sein können, denn Politik, wie auch Wirtschaft, wie auch Kultur sind Teile der Wirklichkeit, in der wir leben. Um eine grundlegend neue Utopie zu schaffen, die die Vorstellungen vieler Menschen beinhaltet, müssen verschiedenen Aspekte mit einbezogen werden  - der ökologische Aspekt, der Aspekt der Geschlechtergerechtigkeit, der kulturelle Aspekt, der soziale Aspekt, überhaupt der Umgang von Menschen miteinander. Eine Utopie zu schaffen, in der die Interessen vieler Menschen vertreten sind, insbesondere auch gesellschaftlich marginalisierter – dabei wird Kultur in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, als eine Plattform, auf der diese Utopie geschaffen werden kann.