Afrikas älteste Befreiungsbewegung, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), feiert dieses Jahr seine Gründung vor 100 Jahren. Zahlreiche Veranstaltungen im Land blicken auf die Geschichte des ANC und seine Leistungen seit Übernahme der Regierunsgverantwortung 1994 zurück. Die RLS lud unter der Überschrift „ANC 100 – and the Future of South Africa“ am 20.2.2012 zu einem Round Table ins Stiftungsgebäude in Johannesburg.
Mehr als 50 TeilnehmerInnen kamen zur Diskussion mit Denis Goldberg, ANC-Freiheitskämpfer, der während der Apartheid 22 Jahre im Gefängnis saß, Prof. Susan Booysen von der Witwatersrand Universität und Autorin des Buches „ANC and the Regeneration of Political Power“ und Buti Manamela, National Secretary der kommunistischen Jugendliga. Einig waren sich alle drei, dass Südafrikas Zukunft noch lange durch den ANC bestimmt werden wird.
Susan Booysen sprach von einem „großen Vertrauen“ der Bevölkerung in den ANC, vor allem wegen seiner Leistungen im Kampf gegen das Apartheidregime, aber auch wegen seiner Leistungen, dem Ausbau der Sozialleistungen wie Kindergeld und Pensionen sowie dem Bau neuer Häuser und den Anschluss vieler Haushalte an die Versorgung mit Elektrizität und Wasser, seit der Regierunsgübernahme durch Nelson Mandela im Jahr 1994.
Hart ins Gericht ging Denis Goldberg sowohl mit den Kritikern von links, die vom ANC eine „sozialistische Revolution“ erwartet hatten, als auch mit dem ANC selbst, da in diesem eine „Kultur der Selbstbereicherung“ gewachsen sei. Goldberg machte klar, dass niemand vom ANC erwarten konnte, dass alle sozialen Probleme über Nacht verschwinden. „Politik muss sich den Realitäten stellen“, so Goldberg „und diese sind nun mal 350 Jahre Kolonialismus und Apartheid und eine kapitalistische Weltordnung.“ Dennoch sei für jeden, der mit offenen Augen Südafrika betrachtet, der Wandel im Land zu erkennen. Große Hoffnung setzt er in Präsident Jacob Zuma, der begonnen habe, die Korruption in Regierung und Partei zu bekämpfen.
Buti Manamela stimmte der Analyse von Goldberg weitgehend zu. Auch er forderte mehr Realitätssinn, aber auch mehr Anstrengungen im ANC. Beide wünschten sich mehr „Patriotismus“, mehr Bürgersinn, nur so sei das Land aufzubauen, nur so könne man im Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit Modellländern, wie Brasilien oder Malaysia, nachfolgen. Manamela sparte denn auch wie Goldberg nicht mit Kritik an Lehrern, die, wie letztes Jahr geschehen, kurz vor dem Abitur wegen Lohnforderungen in den Streik treten. Angesichts der Bildungsmisere im Land erwartet Manamela mehr Solidarität von den Lehrern mit ihren Schülern, die ohne eine gute Ausbildung keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.
Weitere Informationen:
Denis Goldberg, Der Auftrag. Ein Leben für die Freiheit in Südafrika.
Susan Booysen, The African National Congress and the Regeneration of Political Power, Wits University Press 2011