„Bildungsland Brandenburg – ein steiniger Weg?“ - unter dieser Fragestellung diskutierten Bildungsexperten über die Veränderungen und Entwicklungen im Brandenburger Bildungssystem im Zusammenhang mit dem Untergang der DDR und der deutschen Vereinigung. Es war die dritte Veranstaltung im Rahmen der Reihe der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg „'Der Brandenburger Weg'. Schritte zu einem parlamentarischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“, die die Arbeit der Enquetekommission der Landtages zur Aufarbeitung der DDR- Geschichte kritisch begleitet. Im Unterschied zur Enquêtekommission beschränkte sich die Diskussion weder auf gegenseitige Schuldzuweisungen noch auf die Argumente, die gegen eine Überführung des DDR-Bildungssystems in das vereinigte Deutschland gesprochen haben. Vielmehr wurde nach Potenzialen gesucht, die in diesem Transformationsprozess gelegen haben. Es wurde viel über Chancen, auch über verpasste, gesprochen, und über Leistungen, Enttäuschungen, Unsicherheiten und begangene Fehler.
Grundlage der Diskussion war ein einleitender Beitrag von Gerrit Große, Vizepräsidentin des Landtages und bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Sie machte auf sehr anschauliche und beeindruckende Weise am persönlichen Beispiel deutlich, welchen Herausforderungen sich Lehrerinnen und Lehrer stellen mussten, mit welchem Engagement, mit welchem Mut, mit welcher Neugier und zum Teil auch mit welchen Ängsten sie versuchten, „Steine“ aus dem Weg zu räumen und sich Neuem zu öffnen.
Auch in der anschließenden Podiumsdiskussion, die vom Journalisten Matthias Krauss moderiert wurde, spielte immer wieder die Aufbruchstimmung Anfang der neunziger Jahre eine zentrale Rolle. Der ehemalige Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) gestand ein, dass Fehler gemacht wurden und er – ebenso wie die damalige Ministerin Marianne Birthler - am liebsten die bestehenden Strukturen erhalten und sich vorrangig auf inhaltliche Fragen konzentriert hätte. Ein solches Herangehen sei aus seiner Sicht jedoch nicht mehrheitsfähig gewesen. Statt dessen wurde das Schulsystem aus NRW übernommen, was Prof. Dr. em. Günter Behrmann, der 1993 einen Lehrstuhl an der Universität Potsdam übernahm, eindeutig für einen Fehler hielt. Günther Fuchs, Vorsitzender der GEW bedauerte, dass es keine Besinnung auf Erhaltenswertes und keine Reflexion gegeben habe, was zu großer Verunsicherung, oft auch zu einem Gefühl der Überforderung bei Lehrerinnen und Lehrern geführt hat. Dieter Starke, Leiter des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrums Oranienburg/Zehdenick, kam 1992 aus den alten Bundesländern nach Oranienburg, erlebte eine beeindruckende Aufbruchstimmung unter seinen OstkollegInnen – für wenig Geld mit viel Elan hätten sie Enormes geleistet. Allerdings sei diese Stimmung längst verloren gegangen – Erfolge seien ausgeblieben, zahlreiche Versetzungen beeinträchtigten in den vergangenen Jahren das Klima an den Schulen, führten zu Unruhe und Resignation. Schulleiter fühlten sich oft allein gelassen.
Nach Auffassung der Podiumsteilnehmer wird mit der Arbeitszeit der Lehrkräfte oft nicht sorgsam umgegangen, sie fühlen sich wenig einbezogen in wichtige Entscheidungsprozesse, warten daher oft auf Vorgaben „von oben“. Viele Lehrkräfte scheuen sich, ihre Meinung zu sagen. Die Diskussionskultur der Wendejahre ist verloren gegangen, sie gilt es wieder zu beleben. Auch bedarf die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer größerer gesellschaftlicher Anerkennung. Das könnten Mosaiksteinchen auf dem Weg zu einer besseren Schule sein.
Den Einleitungsvortrag von Gerrit Große (Vizepräsidentin des Brandenburger Landtags und Bildungsexpertin der Fraktion DIE LINKE) finden Sie hier: