Die Rosa Luxemburg Stiftung Südliches Afrika organisiert mit Denis Goldberg, langjähriges ANC-Mitglied, Freiheitskämpfer und Berater verschiedener südafrikanischer Ministerien, eine Serie von politischen Diskussionsforen anlässlich des 100 jährigen Bestehens des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) an mehreren südafrikanischen Universitäten.
Die Auftaktveranstaltung fand am 25. April vor 80 TeilnehmerInnen an der Universität Kapstadt statt. Neben Goldberg diskutierten Sipho Pityana, amtierender Vorsitzender des Rats zur Weiterentwicklung der südafrikanischen Verfassung, und Eusebius McKaiser, politischer Analyst an der Witwatersrand Universität. Die Moderation des Abends hatte Richard Calland, Direktor des Instituts Demokratische Regierungsführung und Recht an der Universität Kapstadt, inne.
Im Zentrum der engagiert geführten Diskussion stand das Verhältnis des ANC zu den errungenen Freiheitsrechten, wie sie in der allseits anerkannten Verfassung des Landes niedergelegt sind.
In jüngster Zeit kam wegen Kritik an der Verfassung und der Macht der Verfassungsrichter von Seiten des ANC Zweifel an der Verfassungstreue einiger ANC-Politiker auf. McKaiser malte eine mögliche Abkehr des ANC von Kerninhalten der Verfassung an die Wand. Das beabsichtigte neue Mediengesetz, das einem investigativen Journalismus enge Fesseln anlege, zeige, so McKaiser, dass der ANC die Verfassung in Teilen als zu liberal ansehe und sie gerne geändert sehe. Auch die harsche Kritik an KritikerInnen der ANC-Regierung in den Medien, Unternehmen und Zivilgesellschaft deute auf eine fehlende demokratisch-freiheitliche Kultur der ehemaligen Befreiungsbewegung hin. McKaiser sieht die Probleme des ANC denn auch in seinem Verharren sich selbst als Befreiungsbewegung zu sehen. Der ANC müsse endlich erwachsen werden und sich wie eine normale politsiche Partei verhalten, forderte McKaiser.
Pityana legte in seinem Beitrag den Schwerpunkt auf die Beantwortung der Frage, inwieweit der ANC von ideologischen Gesichtspunkten geleitet werde oder ob vielmehr verschiedene rivalisierende Gruppen sich des ANC bemächtigt hätten, da sie über Macht im ANC und damit im Staat sich mit Pfründe versorgen könnten. Für Pityana ist denn auch die Politik des ANC mehr von diesen nicht-ideologischen Erwägungen getrieben.
Aufstieg und Fall des ANC-Jugendligapräsidenten Julius Malema seien nur vollständig zu verstehen wenn man diesen andauernden Kampf um Macht und Geld im ANC berücksichtige, wobei einzelne Figuren von einflussreichen Gruppen hin und her bewegt würden, so Pityana. Die kommunistische Partei des Landes beschuldigte Pityana sich in der Regierung „warm“ eingerichtet zu haben. Er vermisse ein echtes Engagement der Kommunisten für eine solidarische und gerechte Gesellschaft in Südafrika.
Denis Goldberg warb in seinem Diskussionsbeitrag für mehr Zeit und mehr Realismus in der Betrachtung der Regierungsarbeit. Jacob Zuma, ANC-Präsident und Staatspräsident, nahm er ausdrücklich gegen die Kritik von McKaiser in Schutz. Zuma gehe gegen Korruption und Misswirtschaft im ANC vor, doch sei es naiv zu glauben, dass er allein das Ruder rumreißen könne.
Goldberg forderte denn auch eine Fortsetzung der Revolution. Es gebe keinen Grund in seinen Bemühungen nachzulassen. Noch sei das Land nicht wirklich befreit. Deshalb wünscht sich Goldberg auch mehr Einsatz für die gemeinsame Sache von seinen GenossInnen in Regierung und Partei. Kritiker, wie McKaiser, müssten aber auch zu einer realistischeren Kritik zurückkehren, so Goldberg, welche die errungenen Fortschritte gegen alle Widerstände, gerade auch des alten Regimes, würdige.