Burkhard Jacob hat sich nach Thomas Klein (Ch. Links Verlag, 2009) als Zweiter mit der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin (SEW) befasst. Von 1946 bis 1962 existierte die SED auch auf dem Westberliner Terrain. Die 1962 gegründete und formal eigenständige SED-W firmierte dann von 1969 bis zu ihrer Auflösung 1990 unter dem Namen SEW. Dem Mythos einer einhelligen Ablehnung der Vereinigung von SPD und KPD zur SED begegnet Jacobs mit dem nüchternen Zitieren von Abstimmungsergebnissen. Obwohl die SEW in ihren Hochzeiten über 7.000 Mitglieder zählte, war sie stets finanziell von der DDR abhängig, die die Funktionärsebene kontrollierte. Dadurch konnte die Partei nie eine eigenständige Politik entwickeln. Ihre bündnispolitischen Erfolge in der außerparlamentarischen Opposition wurden durch blinde Apologetik der DDR-Verhältnisse wieder zunichte gemacht. Ob es die Atompolitik der sozialistischen Länder oder die widersprüchlichen und scheinheiligen Beziehungen zu faschistischen Diktatoren betraf, die SEW stand felsenfest an der Seite der offiziellen DDR-Politik und machte sich in weiten Kreisen der Linken dadurch unglaubwürdig. Versuche, neomarxistische Debatten zur Neuausrichtung einer Politik zu führen, wurden mit Parteiausschlüssen geahndet. Der Versuch einer Neuorientierung nach 1990 unter dem Namen Sozialistische Initiative scheiterte; der Rest der SEW verschwand sang- und klanglos von der politischen Bühne.
Matthias Reichelt
Burkhard Jacob: Pfahl im Fleisch. Geschichte der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin. Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 2011. 225 Seiten mit Dokumenten-CD, 19,90 EUR.
Quelle: analyse & kritik, ak 574 vom 17.8.2012
Nachricht | Jacob: Pfahl im Fleisch. Geschichte der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin; Köln 2011
Sozialistische Einheit?