Nachricht | Wehrmacht im KZ-System (Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland, Band 13)

Eine Reihe bemerkenswerter Beiträge zur Rolle der Wehrmacht in Neuengamme erschien unlängst bei der Edition Temmen. Sie beruhen weitgehend auf Vorträgen auf einem Workshop Juni 2010 in Neuengamme.
Stefan Hördler und Reimer Möller schreiben über den Einsatz von Wehrmachtssoldaten 1944/45 in den KZ-Wachmannschaften, Marc Buggeln geht der Frage nach, ob sich daraus unterschiedliche Bedingungen für die KZ-Häftlinge in den Außenlagern ergaben. Rolf Keller und Christian Römmer beleuchten die Lage der sowjetischen Kriegsgefangenen im KZ, Albert Knoll und Astrid Ley Menschenversuche in Dachau und Sachsenhausen.
Dokumentiert wird die Zusammenarbeit der NS-Militärjustiz und der SS bei Vollstreckung von Todesurteilen. Der Band enthält außerdem eine Reihe von Meldungen, Forschungsberichten, Besprechungen, Literaturhinweisen.
Dem rassistischen Weltbild folgend wurden 1941/42 in Sachsenhausen und Buchenwald mindestens 19.000 sowjetische Kriegsgefangene ermordet. Weitere 50.000 übergab die Wehrmacht wegen Arbeitsbummelei der Gestapo. Himmler forderte von der Wehrmacht die Überstellung von 350.000 sowjetischen Kriegsgefangenen für den Arbeitseinsatz. Für Neuengamme unterscheidet Christian Römmer drei Gruppen, etwa 600 ausgesonderte zum Tode bestimmter Kandidaten, 1.000 Arbeitssoldaten, von denen 348 den Winter überlebten, sowie 2-3.000 Kriegsgefangene, die in die  Zwangsarbeit entlassen wurden. Hunderttausende Wehrmachtsangehöriger wurden in Stutthof für den Einsatz im KZ geschult. Fast vollständig erhalten sind die Kommandanturbefehle. In Neuengamme kam es wegen der Landung der Alliierten im Herbst 1944 zu einem erheblichen Personalaustausch. Nicht mehr fronttauglichen Offizieren und Unteroffizieren der Wehrmacht wurde die Führung der zahlreichen Außenlager übertragen. Marc Buggeln zufolge stieg ab Herbst 1944 aufgrund der mangelhaften Versorgung und Überbelegung der Unterkünfte die Häftlingssterblichkeit in den KZ-Außenkommandos sprunghaft an. Ein weiterer Komplex des Bandes behandelt medizinische Versuche an KZ-Häftlingen. Dr. Siegmund Rascher führte 1942 in Dachau für die Luftwaffe 300 Versuche mit Unterdruck und 400 Versuche mit Unterkühlung durch. Ab Ende 1944 wurden in Sachsenhausen im Auftrag der Marine leistungssteigernde Medikamente an Häftlingen erprobt.

Raimund Gaebelein

Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland Band 13: Wehrmacht und Konzentrationslager, Edition Temmen, Bremen 2012, 267 S., 14,90 Euro ISBN 978-3-8378-4033-9

Raimund Gaebelein ist Vorsitzender der VVN/BdA Bremen. Seine Besprechung erschien zuerst in "Der Bremer Antifaschist" September 2012. Wir danken für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung.

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Eine weitere Rezension dieses Bandes, dessen Inhaltsverzeichnis hier onlineist, erschien am 27.9. 2012 auf HSozKult.