Am 27. und 28. September 2012 fand im Haus der Brandenburgisch-preußischen Geschichte das 16. Kolloquium zur Außen- und Deutschlandpolitik statt. Diesmal stand die internationale Tagung unter dem Thema „Deutsch-chinesische Beziehungen in Geschichte und Gegenwart. Die deutsche Außenpolitik gegenüber der Volksrepublik China“. Das diesjährige Potsdamer Kolloquium war hochkarätig besetzt. Die Veranstalter, Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg, Helle Panke e.V., WeltTrends und der Verband für internationale Politik und Völkerrecht, konnte zu einer Podiumsdiskussion den neu ernannten Botschafter der Volksrepublik China, Herrn SHI Mingde begrüßen. Der Botschafter diskutierte mit dem Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten Brandenburg, Ralf Christophers (DIE LINKE) sowie dem stellv. Referatsleiter Ostasien im Auswärtigen Amt, Jan Rudolph, über aktuelle Fragen der deutschen Außenpolitik.
Nach Meinung von SHI Mingde seien die 2010 vereinbarten regelmäßigen Regierungskonsultationen zwischen China und der Bundesrepublik ein „qualitativer Sprung um drei Stufen“ in der Entwicklung der bilateralen Beziehungen. Noch immer hätten viele jedoch nicht begriffen, dass der Kalte Krieg vorbei sei. In den Medien existiere ein China-Bild, dass 20 bis 30 Jahre zurück liege. Globalisierung besage: „Wir sitzen alle in einem Boot“. Kein Staat und keine Supermacht sei imstande, die Menschheitsprobleme allein zu lösen. Abschließend setzte sich der Botschafter für eine „differenzierte und gemeinsame Verantwortung“ der entwickelten Länder und anderer Staaten bei der Industriealisierung und der Klimapolitik ein. Aber, dabei müsse es fair zugehen.
Wirtschaftsminister Christophers informierte über die Beziehungen Brandenburgs zu China und erläuterte, wie sich die Kontakte der vorrangig mittelständigen Unternehmen seines Landes zu chinesischen Unternehmen vor allem auf dem Gebiet der Energietechnik und Ernährungswirtschaft entwickelt haben. Er schlug vor, in Brandenburger Schulen eine chinesische Woche zu etablieren, um den Schülern des Landes Kenntnisse über Wirtschaft und Kultur des bevölkerungsreichsten Landes der Erde zu vermitteln. Diesem Vorschlag stimmte der Botschafter spontan zu.
Legationsrat Jan Rudolph (Auswärtiges Amt) erläuterte die Prinzipien der deutschen Außenpolitik zur Volksrepublik China und hob die konstruktive Rolle hervor, die China in der Euro-Krise spiele. Allerdings seien die Potentiale, die in der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China steckten, längst noch nicht ausgeschöpft. Er würdigte die Ergebnisse der jüngsten Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle sowie weiterer Minister und hochrangige Wirtschaftsvertreter im September 2012 nach Peking im Rahmen der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen und zeigte sich optimistisch für die weitere Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Europäischen Union.
Im Verlauf der zweitägigen Tagung hielten Frau Prof. Dr. LIAN Yu-ru (Universität Peking) und Frau Prof. Dr. SUN Jin song (Parteihochschule der KP Chinas, Peking) Vorträge zu den deutsch-chinesischen Beziehungen seit 1972 bzw. zur Rolle der Volksrepublik China in der Weltpolitik. Außerdem beteiligten sich an den Diskussionsrunden des 16. Potsdamer Kolloquiums der ehemalige DDR-Ministerpräsident Hans Modrow, der Europaabgeordnete Helmut Scholz (DIE LINKE) sowie die Wissenschaftler Dr. Gudrun Wacker (Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin), Prof. Dr. Helmut Peters (Berlin) und Prof. Dr. Lutz Kleinwächter (WeltTrends, Potsdam).
Die Tagung war mit einem Vortrag des Chinawissenschaftlers, Dr. Wolfram Adolphi, eröffnet worden. Er äußerte sich zu den 150 Jahre währenden deutsch-chinesischen Beziehungen, die vor allem in der Vergangenheit auch von „traditioneller deutscher Arroganz“ geprägt worden seien. Adolphi kritisierte, dass im Rückblick auf das deutsch-chinesische Verhältnis in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Beziehungen zwischen der VR China und der DDR häufig ausgespart blieben, obwohl beide Staaten nahezu zeitgleich gegründet worden seien und bereits 1949 diplomatische Beziehungen auf Botschafterebene aufnahmen. Die Bunderepublik folgte erst 23 Jahre später im Jahre 1972.
Die Veranstaltung in Potsdam wurde von etwa 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht. Für Oktober 2013 wird das 17. Potsdamer Kolloquium zur Außen- und Deutschlandpolitik vorbereitet, das zum Thema „Deutschland und Europa“ wiederum in der Brandenburgischen Landeshauptstadt stattfinden wird.
Zur Tagung ist eine Publikation erschienen, die bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg bezogen werden kann. (Preis: 5 Euro)
Raimund Krämer / Yu-ru Lian (Hrsg.): Verstehen und Gestalten. Texte zu den deutsch-chinesischen Beziehungen. WeltTrends Potsdam 2012, 70 Seiten.
Text des Einführungsvortrages von Dr. Wolfram Adolphi: