Der 1940 geborene Roesler legt mit diesem, in der Reihe „Basiswissen“ von papyrossa erschienenen Buch einen Überblick über die Wirtschaftsgeschichte der DDR vor. Jene, so Roesler, existierte immerhin von 1945 bis 1990, also länger als Weimarer Republik und Nationalsozialismus zusammen. Der vielen Literatur zur DDR noch ein weiteres Werk hinzuzufügen, hält Roesler für angebracht, denn was die DDR einzigartig mache, sei, dass erstmals versucht wurde, den ausgetretenen Pfad kapitalistischen Wirtschaftens zu verlassen, um zu einer neuen, gerechteren Gesellschaft zu gelangen, die als Sozialismus bezeichnet wurde. Der Autor geht chronologisch vor, versucht, „unvoreingenommen“ zu schreiben und zu argumentieren. Er erzählt in 17 Kapiteln vor allem wirtschaftliche Sachverhalte, andere aus Kultur, Politik oder Ökologie werden als aus der Ökonomie abgeleitet definiert. Insofern ist der Titel des Buches etwas irreführend. In den letzten drei Kapiteln macht er dann seine persönlichen Auffassungen zur DDR deutlicher.
Roesler erzählt die Geschichte anhand des Narrativ des Konflikts von Reformern und Konservativen. Diese bilden in den Apparaten der DDR jeweils eigene Strömungen aus, die sich bekämpfen. Die Reformer versuchen mehr lokale Autonomie und Wettbewerb einzuführen, um dadurch zu mehr Planungswahrheit und wirtschaftlicher Effektivität zu kommen. Waren in bestimmten Phasen, immer auch mitdeterminiert durch globale Prozesse im befreundeten Ausland oder im Westen, die einen im Vorteil, waren es in anderen Phasen die anderen. Das Problem der SED war, dass sie sich für die Ökonomie zuständig erklärte. Als Folge wurden ihr von den EinwohnerInnen die ökonomischen Probleme, die nicht in den Griff zu bekommen waren (der berühmte 1 MB-Chip!) zur Last gelegt: Die DDR hinkte im Vergleich zum Weltmarkt immer weiter hinterher, die Arbeitsproduktivität war meist nur halb so hoch wie in der BRD. Zweitens verstießen viele Maßnahmen, etwa zur Behebung des Devisenmangels, gegen das gerade von der SED erhobene fundamentale Credo der innergesellschaftlichen Gleichheit. Die von Honecker, auf dem Höhepunkt der DDR anfangs der 1970er Jahre, propagierte Erhöhung der Subventionen für den privaten Konsum – bei gleichzeitiger Integration der DDR in den Weltmarkt – führte zu einer steigenden Verschuldung, die später wiederum nur einer der Gründe für das Ende der DDR werden sollte.
Es macht wenig Sinn, die Geschichte der DDR von ihrem Ausgang her zu erzählen, denn dieser war den Handelnden ja seinerzeit nicht bekannt, schreibt Roesler. Das ist richtig. Erklärt werden muss aber schon, wie ein unter sozialistischen Vorzeichen angetretenes Regime kulturell so konservativ, wenn nicht altersstarrsinnig und zweitens ökonomisch so wenig erfolgreich werden konnte. Diese Frage, beziehungsweise die Antwort darauf, hat Auswirkungen auf eine sozialistische Utopiediskussion heute. Schon allein deswegen ist die Beschäftigung mit der Geschichte und Geschichtsschreibung der DDR wichtig. Roesler hat dazu einen Beitrag geleistet, wenn auch nicht ganz klar wird, wer eigentlich die Zielgruppe für einen solchen Band sein soll.
Jörg Roesler: Geschichte der DDR, 130 Seiten, 9,90 EUR, papyrossa Verlag, Köln 2012
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