„Afrikas Metropolen sind Orte des Nation-Buildings,“ so Simon Bekker, Soziologe an der Universität Stellenbosch, der als Mitautor die Thesen des Buchs „Capital Cities in Africa: Power and Powerlessness“ vorstellte. „Hier in den Metropolen baut die Staatsmacht nach ihren Vorstellungen an der Nation, an der Vereinigung unter bestimmten ideologischen Vorzeichen und hier zeigen sich auch die Brüche in diesen nationalen Projekten.“
Die verschiedenen Phasen des Nation-Buildings finden sich in der städtischen Struktur afrikanischer Metropolen wieder. Kolonialismus und Postkolonialismus sowie Phasen ideologischen Wandels lassen sich an Städte-, Plätze- und Straßennamen sowie Gebäude und Monumente ablesen. In Abuja, Nigerias Hauptstadt, zeigen sich die ideologische Wechsel bis heute, wenn man vonder Queen Elizabeth Street in die Wladimir Lenin Straße biegt.
Südafrikas alte und neue Hauptstadt Pretoria, benannt vom weißen Vortrekker Andries Pretorius, der seinen Vater mit der Bennenung der Stadt ehren wollte, ist heute in der Metropolregion Tshwane aufgegangen. Das neue Südafrika hat sich hier in der alten Hauptstadt mit dem Freedom Park ein neues nationales Denkmal gegeben. Genau gegenüber dem Vortrekker-Denkmal, wichtigster Ort des Apartheidregimes, gedenkt und erzählt die ANC-Regierung der Nation von den Kämpfen auf dem Weg in ein freies und demokratisches Südafrika.
Neue Erzählungen schreiben aber nicht nur der Nationalstaat, sondern auch der Weltmarkt. Johannesburgs Stadtentwicklungspolitik, so Margot Rubin, ist nicht zu verstehen, ohne die globale Konkurrenz der Städte um Investoren. Eine „African World Class City“ will Johannesburg sein, so Rubin. Dabei kommen die Belange vieler einfacher Bewohner der Stadt, die etwa bezahlbaren Wohnraum und einen sicheren öffentlichen Verkehr brauchen, zu kurz.
Neben Orten des Nation-Buildings sind Afrikas Metropolen aber auch Orte der Machtlosigkeit, denn Afrikas (Stadt)-Regierungen, die mit Macht an ihren nationalen Erzählungen schreiben, erscheinen mit den wuchernden Metropolen wegen einer rasant wachsenden Bevölkerung weitgehend überfordert. „Macht über die Verhältnisse haben die Regierungen Afrikas nicht“, so Bekker.
Hilflos stehen die Regierungen dem Wachstum der Städte gegenüber. 400 Millionen Menschen, knapp 40 Prozent der Bevölkerung Afrikas, leben in Afrikas Städten. Jedes Jahr wächst Afrikas Stadtbevölkerung um 3,4 Prozent oder 13,5 Millionen Mensschen. Dem UN-Bericht »The State of African Cities 2010« zufolge wird sich die Zahl der Menschen in Afrikas Städten in den kommenden 40 Jahren verdreifachen. Dann könnten 60 Prozent der Bevölkerung oder 1,23 Milliarden Menschen dort wohnen.
Zu den fünf größten Städten südlich der Sahara werden 2020 Lagos (14,2 Millionen Einwohner), Kinshasa (12,8), Luanda (7,1 Millionen), Abidjan (5,5) und Nairobi (5,2) zählen. Die Stadt mit dem schnellsten Wachstum ist momentan Ouagadougou in Burkina Faso. Dort soll die Bevölkerung von heute 1,9 Millionen auf 3,4 Millionen anwachsen.