Nachricht | Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Kapitalismusanalyse - Griechenland Die Krise(n) diskutieren

Ein Seminar am Institut für Gesellschaftsanalyse widmet sich der «Vielfachkrise»

Die Krise lässt uns nicht los: jeden Tag bestimmen neue Schlagzeilen zur „Schulden- und Eurokrise“ die mediale Agenda. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass es sich bei der aktuellen Krise des neoliberalen Kapitalismus keineswegs ausschließlich um eine ökonomische Krise handelt. In der kapitalismuskritischen Krisendiskussion wird u.a. mit dem Ansatz der „Vielfachkrise“ betont, dass wir mit einer Konstellation miteinander verschränkter Krisendynamiken der Ökonomie, der gesellschaftlichen Naturverhältnisse (etwa die Klima-, Energie- und Ernährungskrise), sozialer und politischer Krisenprozesse konfrontiert sind. Das vorherrschende Deutungsmuster der Krise als „Staatsschulden“ und „Eurokrise“ blendet nicht nur aus, wie die neoliberale Bearbeitung der Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2007 die neue Phase der Krise vorbereitete. Es trägt auch dazu bei, die verschiedenen Krisenprozesse voneinander zu trennen und den Zusammenhang gesellschaftlicher Krisendynamiken unsichtbar zu machen.

Unterschiedliche Facetten des gesellschaftlichen Krisenzusammenhangs in den Blick zu nehmen, ist das Ziel eines ab November vom Institut für Gesellschaftsanalyse (IFG) organisierten Seminars unter der Überschrift „Multiple Krise, Staat und linke Politik“. Das Seminar richtet sich an alle politisch und wissenschaftlich Aktiven und Interessierten. Dabei besteht die Gelegenheit, aktuelle Entwicklungen der Krise gemeinsam mit führenden VertreterInnen kritischer Gesellschaftstheorie und materialistischer Krisenanalyse zu diskutieren: Den Anstoß für das Seminar, das auch verschiedene Ansätze und Diskussionsstränge der Krisenanalyse zusammenführen will, gaben Uli Brand (Professor für Politikwissenschaften an der Uni Wien), Alex Demirovic (Professor am Institut für Soziologie der Uni Basel) und Bob Jessop (Professor am Institut für Soziologie der Uni Lancaster), die im Rahmen eines „Fellowship“-Programms am Institut für Gesellschaftsanalyse arbeiten.

Die genauen Themen des Seminars werden von den Teilnehmenden gemeinsam festgelegt. Die Themenvorschläge reichen von krisentheoretischen Fragen zur „multiplen Krise“ hin zur Analyse sozial-ökologischen Krisenprozesse, der Staatsschuldenkrise, der Zusammenhänge von Krise und Lebensweise, der Wahrnehmungen der Krise im Alltagsbewusstsein u.a. Die Absicht des Seminars ist es, aktuelle Tendenzen gesellschaftlicher Veränderungen krisenanalytisch zu diskutieren, theoretische Begriffe zu schärfen und die Zusammenhänge genauer zu verstehen. Es geht um eine Analyse von Verschiebungen der Kräfteverhältnisse in politischer Absicht: Was verändert sich auf herrschender Seite im Prozess der Krisenbearbeitung, welche Widersprüche entstehen? Aber auch die Entwicklungen sozialer Kämpfe und Bewegungen entlang der multiplen Krise sollen in den Blick genommen, Ansatzpunkte und Strategien gesellschaftlicher Transformation diskutiert werden: Welche Positionen und Strategien entwickeln linke Bewegungen in der Krise der Europäischen Union? Wo liegen Ansatzpunkte und Widersprüche einer sozial-ökologischen Transformation (u.a. in den Diskussionen um „Postwachstum“)?

Das Seminar findet einmal monatlich Donnerstags von 18-21 Uhr statt, die erste Sitzung am Do., 8.11.

Anmeldung erforderlich unter: florian.becker@rosalux.de