Am 08.11.2012 jährte sich der Aufenthalt von Olaolu Femi in der Untersuchungshaft in der Ukraine. Olaolu ist ein nigerianischer Student, der als 26-Jähriger 2007 zum Medizinstudium in die ostukrainische Stadt Lugansk kam. Es studieren einige Nigerianer in Lugansk, für das englischsprachige Studium muss man kein Russisch oder Ukrainisch können. Olaolu war Gruppenältester in seiner Uni. In der Nacht zum 05. November 2011 sind Olaolu Femi und sein Freund Eniola Sudadi mit dem Taxi zu einem Freund gefahren. Sie wollten ihn abholen, etwas einkaufen und später bei Olaolu kochen. Es war Abend und das Taxi erschien ihnen nach den Übergriffen auf Ausländer in Lugansk am 01. November 2011 als das sicherste Verkehrsmittel.
Als sie aus dem Taxi ausstiegen, wurden sie von fünf ukrainischen Jugendlichen angepöbelt – als «Affen» beschimpft, die «nach Hause fahren sollten». Ein Versuch der beiden nigerianischen Studenten, sich im Haus zu verstecken, blieb erfolglos: die ukrainischen Jugendlichen wurden gewalttätig. Eniola Sudadi war gleich mit einem Schlag auf den Kopf bewusstlos. Olaolu verteidigte sich mit einer kaputten Flasche. Am nächsten Tag wurde er von der Polizei festgenommen, die Anklage lautete: Mordversuch aus Hooliganismusgründen. Der Fall läuft bereits seit einem Jahr, Olaolu droht eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. In der Ukraine bildete sich die Initiativgruppe «Justice for Olaolu», die sich mit dem Fall beschäftigt.
Olaolu wurden bei den ersten Verhören Grundrechte aberkannt: der Student musste alle Unterlagen in der Vorgerichtsuntersuchung in russischer Sprache unterschreiben, welche er nicht verstand, weil es keinen Dolmetscher bei den Vorgerichtsuntersuchungen gab. Die Gerichtsverhandlung wurde mehrere Male verschoben. Erst im Mai 2012 wurde die Anklage vorgelesen. Ein weiterer Verstoß während der Untersuchung dieses Falls: Obwohl Olaolu Femi viele Verletzungen während des Übergriffs am 05.11.2011 erlitten hatte, wurde ihm keine notwendige medizinische Hilfe zugestanden: noch Monate nach dem Angriff klagte er über Kopf- und Rückenschmerzen.
Obwohl die fünf Angreifer in diesem Fall die Täter sind, treten sie vor Gericht als Opfer auf. Die Eltern eines der Angreifer arbeiten im Innenministerium: es besteht deswegen ein dringender Verdacht auf eine manipulierte Anklage. Während der Gerichtsverhandlungen haben die Angreifer mehrmals ihre Angaben geändert, mindestens dreimal – einmal sogar während der laufenden Gerichtssitzung. Ihre Angaben widersprechen einander und sind inkonsequent. Mehr noch: da ein Angreifer sich nicht «genau» an die Geschehnisse erinnern konnte und nicht von der «offiziellen» Version der angreifenden Gruppe abweichen wollte, hat er während der Gerichtssitzung seine im Gerichtssaal anwesende Mutter nach den Einzelheiten gefragt, die sie ihm dann mit Zetteln gereicht hat. In den letzten beiden Wochen hat sich der Prozess beschleunigt: es sieht alles danach aus, dass Olaolu bald verurteilt werden könnte. Die Situation in diesem Fall ist aus der Sicht der Menschenrechtler bedrohlich. In der letzten Gerichtsverhandlung tauchte nach einem Jahr plötzlich ein Taxifahrer als Zeuge auf, der an dem Abend angeblich beide Nigerianer gefahren hat. Femi und sein Freund Sudadi gaben an, den Mann nicht zu erkennen. Während der Sitzung bestätigte der «Taxifahrer» aber die Version der Angreifer und sprach von «aggressiven Ausländern».
Der Prozess geschieht vor dem Hintergrund des erstmaligen Einzuges der rechtspopulistischen Partei «Swoboda» [Freiheit] ins ukrainische Parlament. Bei den Parlamentswahlen am 28.10.2012 hat die Partei 37 Sitze im ukrainischen Parlament bekommen. Natürlich muss man bei Hassverbrechen zwischen rechtsradikalen, rechtspopulistischen sowie alltäglichem Rassismus unterscheiden. Die Angreifer im Fall Olaolu Femi kamen nicht aus einer rechtsradikalen Gang. Dennoch zeigen solche Fälle in der Ukraine bestimmte Entwicklungen an, die mit dem Parlamentseinzug von «Swoboda einhergehen. Die Zahl der Übergriffe auf Ausländer in der Ukraine ist in den letzten beiden Jahren angestiegen und es zeigt sich eine bestimmte Tendenz.
Stimmen in Deutschland zum Fall
Anlässlich des traurigen «Jubiläums» (ein Jahr in der Untersuchungshaft) fand am 06. November 2012 neben dem Brandenburger Tor in Berlin eine kleine Fotoaktion zur Solidarität mit Olaolu Femi statt: Berliner ließen sich mit einem Foto des nigerianischen Studenten fotografieren. Auf den Fotos stand: «Justice for Olaolu Femi», oder «Victims of Hate Crimes should not be victims of corrupt ukrainian courts!» Diese Aktion vereint inzwischen 85 Fotos, die aus der Ukraine und Deutschland kommen, jeden Tag werden es mehr. Die Deutsche Welle hat über die Aktion berichtet. Auch andere deutsche Medien sind bereits auf den Fall aufmerksam geworden.
Die MdB Ulla Jelpke (DIE LINKE.) hat bereits in einer Fragestunde im Deutschen Bundestag am 26.09.2012 auf den Fall hingewiesen. Die Bundesregierung gab an, den Fall zu beobachten und berichtete, dass die Bundesregierung über die deutsche Botschaft in Kiew mit entsprechenden Menschenrechtsorganisationen «in engem Kontakt» stünde. Das stimmt offensichtlich aber leider so nicht: die Gespräche mit den Menschenrechtsorganisationen, die sich in der Ukraine mit dem Fall befassen, zeigen, dass es diesen «engen Kontakt» in diesem Fall nicht gibt. Deutschland trägt aber eine Verantwortung dafür, Aufmerksamkeit für die Entwicklungen in Osteuropa zu zeigen, insbesondere wenn es sich um Menschenrechtsverletzungen handelt. Der bekannte deutsche Historiker und Politikwissenschaftler Andreas Umland hat dies vor kurzem in seinem Artikel zu den Wahlen in der Ukraine bekräftigt und besonders deutlich gezeigt, warum die deutsche Aufmerksamkeit für die Ukraine wichtig ist.
In der Ukraine existiert alltäglicher Rassismus, die Gerichte sind korrupt und die Polizei zeigt Willkür. All dies findet sich im Fall «Olaolu Femi». Da sich der Prozess dem Ende zuneigt ist es dringend erforderlich, dass Vertreter der deutschen Regierung jetzt öffentlich Position beziehen und so Druck auf die ukrainischen Behörden ausüben.
Oleksandra Bienert, Vertretung Initiative «Justice for Olaolu» in Berlin