An dem Workshop, der wie die gesamte Veranstaltung im Khalil Sakakini Cultural Centre stattfand, nahmen neben den LangzeitprojektpartnerInnen auch palästinensische VertreterInnen aus dem Stiftungsumfeld sowie eine RLS-Delegation aus Deutschland teil. Ziel der Veranstaltung war es, den thematischen Zusammenhang der verschiedenen Projekte darzustellen, die Komplementarität der Ansätze abzubilden sowie die Kommunikation und Vernetzung zwischen den Partnerorganisationen zu stärken.
Ein Schwerpunkt des Regionalbüros Palästina, den die Partnerorganisationen der Rosa-Luxemburg-Stiftung auf unterschiedliche Weise bearbeiten, liegt auf der kritischen Reflektion gegenwärtiger Entwicklungsansätze und -prozesse, insbesondere mit Bezug auf die Wirkung internationaler Hilfe in den Palästinensischen Gebieten. Obwohl internationale und lokale Akteure seit langem auf die ausbleibende positive bzw. teilweise negative Wirkung internationaler Entwicklungshilfe hinweisen – die jahrelange Demokratieförderung führte nicht zu einem Mehr an Demokratie, die vielen Frauenförderprojekte fanden wenig Niederschlag in der gesellschaftlichen Praxis und die Wirtschaftsförderung blieb entweder ineffektiv oder benachteiligte weite Teile der palästinensischen Bevölkerung, um nur einige Beispiele zu nennen – wird diese Problematik kaum bearbeitet. Auch die Erarbeitung von Alternativen zu den gegenwärtigen Ansätzen steht noch ganz am Anfang.
Vor diesem Hintergrund kooperiert das Ramallah-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Einzelpersonen, die sich mit der Demokratisierung palästinensischer Entwicklungspolitik, also mit der Information und Einbindung betroffener Bevölkerungsgruppen sowie dem Lobbying bei politischen Institutionen und Organisationen beschäftigen und das Ziel verfolgen, Entwicklungsfragen und Entwicklungspolitik zu einem Teil der politischen Programmatik und Praxis zu machen. Die folgenden Partnerorganisationen stellten ihre Arbeitsbereiche und Ansätze auf dem Workshop vor:
Das Bisan Center for Developmental Studies (Bisan) forscht seit einigen Jahren zu den drei (geplanten) Industriezonen in der Westbank. Sie hat die abzusehenden negativen Auswirkungen der Industriezonen auf die lokale palästinensische Bevölkerung aufgedeckt und den teils nicht-öffentlichen Prozess hierzu aufgearbeitet und veröffentlicht. Bisan hat damit eine lokale Debatte mit Betroffenen und politischen Akteuren begonnen, ein wichtiger Beitrag zur Demokratisierung dieser Entwicklungsvorhaben.
Ausgehend von der negativen Erfahrung mit Trainingspraktiken in Palästina, die im Kontext der gesamten Bildungspraxis, auch an Schulen und Universitäten, zu sehen ist, trainiert das Afkar Institute for Educational and Cultural Development (Afkar) mit SchülerInnen freies, kritisches Debattieren an palästinensischen Schulen. Die Stärkung kritischen Denkens und freier Meinungsäußerung ist die Grundvoraussetzung für gesellschaftliche und politische Teilhabe, auch mit Blick auf die gegenwärtigen Entwicklungsprozesse.
Die Civil Association Union for Development (CAUD) verbindet Entwicklungsarbeit mit politischer Aktion. Die in diesem Dachverband zusammengeschlossenen NGOs arbeiten in unterschiedlichen palästinensischen Regionen und mit verschiedenen Ansätzen an der Fragestellung, wie die im linken Umfeld theoretisch von vielen geforderte Geschlechtergleichstellung in die soziale Praxis umgesetzt werden kann. Die kritische Reflektion von Geschlechterstereotypen in palästinensischen Schulbüchern ist ein Beispiel ihrer Arbeit.
Auch das Fuad Nassar Institute for Development Studies (FNI) beschäftigt sich mit Fragen der Geschlechterdemokratie, allerdings vor allem mit Blick auf aktive Frauen aus dem linken politischen Lager. So hat sich das FNI ausführlich mit den Auswirkungen europäischer Hilfe auf das Empowerment von Frauen auseinandergesetzt; die Ergebnisse weisen eher in Richtung Fragmentarisierung und Schwächung als dass Frauen und ihr gesellschaftspolitischer Kampf für Gleichberechtigung durch die zahlreichen Empowerment-Programme in Palästina gestärkt würden.
Im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Center of Development Studies der Birzeit-Universität (CDS) werden mehrere Forschungsprojekte zu entwicklungsbezogenen Themen durchgeführt, die sich eines radikalkritischen Ansatzes bedienen und die (entwicklungs-) politische Alternativen zum gegenwärtigen Mainstream entwickeln.
Das Forumtheater Ashtar Theatre hat 2011 ein Theaterstück zu Entwicklungsprojekten in Palästina ausgearbeitet und dieses unter Einbeziehung des Publikums sowie auf Workshops diskutiert. Mit ihrem partizipativen, aktivierenden Ansatz gelingt es Ashtar, (gesellschafts-) politische Themen mit lebhafter Debatte zu verbinden und die BesucherInnen – gerade auch junge Leute – zu motivieren, sich zu aktuellen Fragestellungen zu verhalten. Aus dem Feedback auf dieses Stück entwickelte Ashtar „Mohatta“ (Bahnhof), ein Stück, das die derzeitige festgefahrene politische Lage in Palästina reflektiert und Fragen zur zukünftigen Entwicklung der Situation stellt.
Zum Ausklang der Übergabeaktivitäten besuchten das Team der RLS gemeinsam mit PartnerInnen und FreundInnen aus Ramallah sowie mit Mitgliedern der deutschen Delegation das Ashtar-Theater, um sich das neue Stück „Mohatta“ anzusehen. Der Theateraufführung folgte eine intensive Diskussion, in der teilweise Themen des Workshops wieder aufgegriffen und vor allem die Frage nach der Rolle der internationalen Gemeinschaft in und für Palästina gestellt wurde. Ein passender Abschluss - mit vielen offenen und drängenden Fragen -, um Peter Schäfer nach vier Jahren als Büroleiter der RLS in Ramallah zu verabschieden und Katja Hermann als neue Büroleiterin willkommen zu heißen.
Katja Hermann ist in Ramallah unter katja.hermann@rosaluxemburg.ps zu erreichen. Peter Schäfer wird ab 2013 das neue Nordafrika-Büro der RLS leiten, er ist zu erreichen unter pschaefer@rosalux.de.