Institut für Gesellschaftsanalyse/Rosa-Luxemburg-Stiftung
Die Wahl zum 17. Niedersächsischen Landtag am 20. Januar 2013
- Wahlnachtbericht und –analyse -
Zusammenfassung und erste Bewertung auf der Basis der vorliegenden Hochrechnungen um 20:15
Die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl in Niedersachsen ist leicht gestiegen. Sie bleibt mit Abstand die zweitschlechteste seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Die landespolitische Demobilisierung in den Wahlkämpfen 2003 und 2008 konnte auch nicht durch ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen von Schwarz-Gelb und Rot-Grün wettgemacht werden. Eine deutliche Mehrheit der Niedersachsen wollte den amtierenden Ministerpräsidenten David McAllister im Amt behalten. Ebenfalls eine Mehrheit erwartete sich von einer rotgrünen Landesregierung bessere Resultate als von der amtierenden schwarzgelben Regierung. Zwar hielt eine Mehrheit die Zeit für einen Wechsel gekommen, aber es gab keine mobilisierende Wechselstimmung im Land. So hat der leichte Anstieg der Wahlbeteiligung nach den vorliegenden Zahlen in erster Linie der CDU genutzt.
Der Wahlabend hat zwei Sieger hervorgebracht: die Grünen und die CDU.
Der CDU ist eindrucksvoll gelungen, dass sie einen politisch substanzlosen Koalitionspartner am Leben erhalten kann. Nur 9% der Zweitstimmen-Wähler_innen der FDP gaben an, dass die FDP die Partei ihrer ersten Wahl sei; 80% nannten die CDU als ihre erste Wahl, 10% andere Parteien. Der Wahlerfolg der FDP erscheint daher als Scheinriese: Sie wurde gewählt, weil die CDU und McAllister weiterregieren können sollten. McAllister und Merkel erschufen die niedersächsische FDP als Funktionspartei von ihren Gnaden neu. Ob es angesichts der darüber erlittenen eigenen Verluste reicht, um mit knappster Mehrheit weiterregieren zu können, ist derzeit noch offen.
Die Grünen können sich als eigentlicher Wahlsieger des Abends fühlen. Sie haben ihre Bringschuld für eine rotgrüne Landesregierung im Rahmen eines in sich ruhenden Wahlkampfes erbracht und ihr mit Abstand bestes Ergebnis im Land erzielt. In den großen Städten erreichten sie teilweise deutlich mehr als ein Fünftel der Stimmen – möglicherweise, wie erste Zahlen andeuten, mit Einbrüchen in die bürgerliche CDU-Wählerschaft. Reicht es für einen Regierungswechsel in Hannover nicht, so können die Grünen auf die relative Schwäche der SPD verweisen. Das ermöglicht ihnen ein Mehr an strategischer Handlungssouveränität mit Blick auf den Bundestagswahlkampf.
Die SPD hat hinzugewonnen, aber dennoch ihr zweitschlechtestes Ergebnis bei niedersächsischen Landtagswahlen erreicht. Sie bleibt eine „um die 30%-Partei“. Das Ergebnis verdankt sie in erster Linie ihrem Spitzenkandidaten, dem Noch-Oberbürgermeister von Hannover Stephan Weil. Mit Blick auf die Umfragen vor dem Wahltag ist ein negativer Steinbrück-Effekt nicht eindeutig zu erkennen, auch wenn in den Wahltagsbefragungen eine knappe Mehrheit der Befragten meinte, Steinbrück habe dem Wahlkampf seiner Partei in Niedersachsen geschadet. Entscheidend ist: Der Kanzlerkandidat hat seine Partei im Landtagswahlkampf nicht nach vorne gebracht. Bleibt es bei der knappen Mehrheit von Schwarz-Gelb startet Steinbrück mit einer weiteren Niederlage ins Wahljahr und die Sozialdemokraten werden es schwer haben, eine Siegchance gegen Angela Merkel glaubwürdig zu kommunizieren.
Die FDP hat es mit einem fulminanten Ergebnis wieder in den Landtag geschafft. Es beruht nicht auf eigener Leistung. Da der eigene Anteil am Wahlerfolg nicht erkennbar ist, werden die innerparteilichen Strategie- und Personaldebatten mit der Niedersachsen-Wahl nicht beendet sein. Aber die Partei kann es sich jetzt auch nicht leisten, vor den Bundestagswahlen einen Parteivorsitzenden abzulösen, unter dessen Verantwortung nun ein drittes Mal die Wiederauferstehung vom politischen „Demoskopie-Tod“ gelungen ist.
DIE LINKE wurde dieses Mal nicht von den Demoskopen unterschätzt. Deutlich verfehlte sie den Wiedereinzug in den niedersächsischen Landtag. Aus der leichten prozentualen Verbesserung gegenüber Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein lässt sich kaum politisches Kapital schlagen. Die Partei bleibt im Westen ein bundespolitisches Phänomen, weil sie dort ihre Stärke aus bundespolitischen Themen und Präsenz zieht. Darauf hatte auch der Wahlkampf der Partei in Niedersachsen gesetzt, ohne am Ende auch nur in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Der Start in das Bundestagswahljahr muss als missglückt gelten. Die Wahlergebnisse der letzten Landtagswahlen zeigen jedoch, dass die treue Anhängerschaft der Partei im Westen sich gegenüber früheren PDS-Zeiten mehr als verdoppelt hat. Das ist immerhin keine allzu schlechte Ausgangsposition für die Bundestagswahl.
Die Erfolgswelle der Piratenpartei ist in Niedersachsen beendet worden. Sie erreichte in Niedersachsen ihr Bundestagswahlergebnis von 2009. Nach dem die mediale Berichterstattung den Nachrichtenwert über den Erfolg einer neuen und wirklich andersartigen Partei ausgeschöpft hatten, hatte die Partei keine neuen Ereignisse anzubieten außer innerparteilicher Selbstbeschäftigung. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen populären Vorwurf gegenüber Parteien, der gerne als Frame für eine Periode der Berichterstattung über eine Partei genutzt wird. Ob die Piratenpartei es schafft, aus dem Umfrageloch herauszukommen, ist derzeit nicht absehbar.
Die ausfürhliche Wahlanalyse finden Sie ab morgen hier.
Es grüßt Sie herzlich
Jannine Menger-Hamilton
Presse | Rosa Luxemburg Stiftung