Torben Gülstorff, Berlin, berichtet auf HSozKult über eine Tagung des Centre Marc Bloch am 22.06.2012, Berlin.
"Am 22. Juni 2012 wurde am deutsch-französischen Forschungszentrum Centre Marc Bloch in Berlin die Konferenz 'Zwischen Moskau und Europa. Die europäischen kommunistischen Parteien 1945 bis heute / Entre Moscou et l'Europe. Les partis communistes européens de 1945 à aujourd'hui' veranstaltet. Neben dem erwähnten Forschungszentrum waren das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF), die Historische Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowie die Deutsch-Französische Hochschule (DFH) an der Tagung beteiligt. Den Gegenstand der Konferenz bildeten die historischen Entwicklungen der west- und osteuropäischen kommunistischen und sozialistischen Parteien, wobei eine einfache Darstellung der jeweiligen Parteigeschichten vermieden wurde. Im Zentrum der Vorträge standen vielmehr die Vernetzung der Parteiinstitutionen und die Verflechtung ihrer Aktivitäten. Über die Kontakte und Beziehungen ihrer Kader und Institutionen wurde Einblick in die Netzwerktätigkeit der kommunistischen und sozialistischen Parteien sowie deren Auswirkungen auf die jeweiligen nationalen Parteikörper genommen. Hierbei kam vor allem eines zum Vorschein: die - auch heute noch stark unterschätzte - Vielfalt innerhalb der kommunistischen und sozialistischen Parteienlandschaft.
Schon im einleitenden Vortrag wurde von ARND BAUERKÄMPER (Berlin) die Bedeutung einer systematischen Erforschung dieses - in der Forschung bislang nur unzureichend berücksichtigten - Teils der west- wie osteuropäischen kommunistischen und sozialistischen Parteigeschichten, unterstrichen. Unterschiede in ihren historischen Entwicklungen, in ihren nationalen und internationalen Aktionsräumen sowie den von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) gewährten politischen Freiräumen würden deutlich vor Augen führen, dass im Fall der kommunistischen und sozialistischen Parteien kaum von 'mehreren politischen Blöcken' oder gar nur 'einem monolithischen politischen Block' gesprochen werden könne. Um diesen Sachverhalt angemessen zu berücksichtigen, müsse in der künftigen historischen Aufarbeitung der Parteigeschichten verstärkt auf transnationale Forschungsansätze zurückgegriffen werden. Schwierigkeiten, die solch ein Ansatz im Fall der häufig eng verzahnten gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen der osteuropäischen Parteien zweifellos mit sich bringen würde, müssten dabei in Kauf genommen werden. Der zu erwartende Erkenntnisgewinn dürfte die Mühe wert sein.
Der gesamte Bericht ist über den Link unten einsehbar.
Konferenzübersicht:
Panel I: Eurokommunismus als Herausforderung für Ost und West
(Moderation: Fanny Le Bonhomme (Rennes), Kommentar: Ulrich Pfeil
(Lorraine))
Aurélie Denoyer (Paris-Est): Les relations entre le PCE et la SED après
1968
Nikoas Dörr (Potsdam): Der Eurokommunismus als Herausforderung für die
kommunistische Bewegung Europas am Beispiel der ersten Direktwahlen zum
Europäischen Parlament 1979
Panel II: Im Spannungsfeld zwischen Ost und West (Moderation: Dominik
Rigoll (Jena), Kommentar: Zoltan Maruzsa (Budapest))
Francesco di Palma (Berlin): Die Dreiecksbeziehungen zwischen PCF, PCI
und SED
Karlo Ruzicic-Kessler (Wien): Der PCI, die Beziehungen zu Jugoslawien
und die Hand Moskaus 1945-1954
Maximilian Graf (Wien): Die KPÖ im Spannungsfeld zwischen Ost und West
1945-1989. Von Moskau über den 'Austroeurokommunismus' nach Ost-Berlin
Panel III: Europa und der europäische Kommunismus (Moderation: Ariane
Brill (Potsdam)
Paulina Gulinska-Jurgiel (Potsdam): Europavorstellungen im Ostblock in
den 1960er und 1970er Jahren
Wolfgang Mueller (Wien): Osteuropa und die europäische Integration