Der Historiker Wolfgang Kraushaar hat in Deutschland mit seinem Buch über eine Anschlagserie Anfang der siebziger Jahre eine Debatte ausgelöst. Seine These: Der deutsche Linksterrorismus habe seine Wurzeln im Antisemitismus.
Von Gerhard Hanloser
1976 verkündete der Schriftsteller Gerhard Zwerenz: «Linker Antisemitismus ist unmöglich!» Damals tobte ein Streit um Rainer Werner Fassbinders Stück «Der Müll, die Stadt und der Tod» in Frankfurt am Main. Zwerenz schob in der «Zeit» hinterher: «Linke Kritik kann nicht rassistisch, biologistisch, nationalistisch argumentieren. Wo sie, wie in Frankfurt, auf Juden oder Israelis trifft, geht das nicht gegen ‹die› Juden, sondern gegen verfehlte und unmenschliche Baupolitik.»
In Frankfurt waren unter den grossen Immobilienhaltern auch einige Juden, die sich von Fassbinders und Zwerenz’ literarischen Provokationen ausserordentlich angegriffen fühlten. Heutzutage antworten Publizisten wie der Herausgeber der Wochenzeitung «Freitag», Jakob Augstein, der sich als links einschätzt, ähnlich wie Zwerenz auf Vorhaltungen, er argumentiere antisemitisch: Wo «fortschrittliche» Kritik auf Juden oder Israelis treffe, gehe es nicht gegen «die» Juden, sondern gegen eine verfehlte Nahostpolitik und eine unmenschliche Okkupationspraxis des israelischen Militärs.
Ist alles so einfach? So einfach ist es nicht.