Nachricht | International / Transnational - Afrika Der ANC im Exil

Stephen Ellis diskutiert mit vielen interessierten Gästen seine Thesen in Johannesburg

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Knapp 80 Interessierte kamen am Freitag den 10. Mai 2013 in das ehemalige Militärfort und Gefägnis auf dem heutigen Constitutional Hill in Johannesburg, um mit Stephen Ellis die Thesen in seinem jüngsten Buch mit dem Titel „External Mission. The ANC in Exile“ zu diskutieren. Mit Ellis, der Desmond Tutu Professor an der Universität Amsterdam ist, saßen auf dem Podium Sakhela Buhlungu von der Universität Pretoria, Arianna Lissoni und Noor Nieftogden beide von der Witwatersrand Universität. Eingeladen zur Veranstaltung  hatten das South African History Archive (SAHA / http://www.saha.org.za/) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung Südliches Afrika

Das international vielbeachtete Buch des Historikers Ellis setzt sich mit der Zeit des ANC im Exil zwischen 1960 und 1990 auseinander. Damals befanden sich viele ANC-Mitglieder, die nicht im Gefängnis in Südafrika einsaßen, in London und Tansania und später auch in Sambia, Mosambik und Angola im Exil. Dort erhielten sie Unterstützung sowohl von den ehemals kommunistischen Staaten und der Ant-Apartheid-Bewegung im Westen im Kampf gegen das Apartheidregime in Südafrika.

Ellis zeigte in seinem Vortrag einige wichtige Punkte der Exilerfahrung des ANC auf, die teilweise bis heute nachwirken. Einer der Gegenstände der historischen Forschung ist der Weg in den bewaffneten Kampf des ANC und dabei vor allem auch die Rolle der kommunistischen Partei Südafrikas (SACP).

Für Ellis ist die damalige SACP, die über sehr gute Beziehungen zu den kommunistischen Staaten und damit über Finanzmittel und militärische Trainingseinrichtungen verfügte, die mitentscheidende Kraft, welche den bewaffneten Kampf gegen das rassistische Apartheidregime anstrebte. Der ANC hingegen selbst zeigte sich lange in dieser Frage gespalten.

Vor allem der damalige Präsident und Friedensnobelpreisträger des ANC Albert Luthuli hatte sich, so Ellis, lange gegen die Aufnahme eines bewaffneten Kampfes gestellt, da er negative Konsequenzen für die Arbeit des ANC im Land befürchtete. Nelson Mandela gehörte hingegen zu den Befürwortern von militärischen Aktionen gegen das Apartheidregime und für Ellis war er auch damals Mitglied der kommunistischen Partei, was Mandela aber immer bestritt.

Die Anfang der 1960er Jahre herausgehobene Stellung der SACP, welche den bewaffneten Kampf des ANC bzw. den bewaffneten Arm Umkhonto we Sizwe („Der Speer der Nation“ / http://www.sahistory.org.za/topic/umkhonto-wesizwe-mk) steuerte, hat viele Probleme für den ANC mit sich gebracht, so Ellis. Vor allem die große Dominanz der Weißen in der SACP war für viele im ANC ein Dorn im Auge. Für sie war der ANC reserviert als Vertretung der schwarzen Südafrikaner.

Die heute von ANC-Politikern gerne dargestellte Einheit des ANC, so Ellis, war schon damals nicht gegeben. Es gab nicht nur Probleme im Exil zwischen Weiß und Schwarz, große Differenzen bestanden im ANC auch zwischen den verschiedenen afrikanischen ethnischen Gruppen sowie zwischen Nationalisten und Kommunisten und ganz allgemein zwischen um Einfluss konkurrierenden Gruppen, die sich gegenseitig belagerten und bespitzelten. All dies habe auch den bewaffneten Kampf negativ beeinflusst, so Ellis.

Der bewaffnete Kampfes war im Gegensatz zu manchen Interpretationen nicht besonders erfolgreich. Der ANC war niemals wirklich in der Lage das rassistische Apartheidregime und seine Armee zu besiegen. Grund dafür sei eine fehlerhafte Analyse der Lage durch Kommunisten wie Joe Slovo gewesen, die lange dem kubanischen Vorbild eines militärischen Kampfes auf Basis einer populären Massenmobiolisierung im ländlichen Raum folgten. Sie waren im festen Glauben, dass mit der Unabhängigkeit vieler afrikanischer Länder auch das Ende des Kapitalismus und der Apartheid, die man als Kolonialismus der besonderen Art analysierte, gekommen sei.

Sakhela Buhlungu, selbst Gewerkschafter in der Zeit des Exils mit engen Verbindungen zum ANC, stimmte Ellis Analyse der Exilgeschichte des ANC in wesentlichen Punkten zu. „Gut, dass wir nicht wussten, wie zerrissen der ANC und wie schlecht organisiert der bewaffnete Widerstand eigentlich waren, sonst wären wir womöglich dem ANC nicht gefolgt und die Geschichte hätte einen anderen Lauf genommen,“ so Buhlungu. Heute aber müsse man die Mythen, welche um das Exil ranken, korrigieren, so der Dekan der Humanwissenschaften der Universität Pretoria.

Korruption in der Politik, das alles überschattende Thema heute in Südafrika, hat, darin waren sich die Experten einig, auch Gründe in der (Exil)Geschichte. Das Exil, der Unterhalt der Camps in den Frontstaaten, war ohne illegale Geldbeschaffung nicht denkbar. Auch waren einige der Kommandeure des ANC ehemalige Gangster. Aber auch das Apartheidregime war durch und durch korrupt, so Ellis, da Schwarzgelder für illegale Aktionen gegen den ANC gebraucht wurden. Nicht selten, so Ellis, teilten sogar ANC-Kämpfer und Sicherheistleute des Staatsapparates korrupte Informanten und Gangster zur Informations- und Geldbeschaffung.

Anschließend an die Präsentationen der Experten entwickelte sich eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum. Viele der Zuhörer waren im Exil und gehörten dem bewaffneten Kampf des ANC an. Für sie war die Diskussion mit Ellis und den anderen Experten eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Einige der Zuhörer stritten denn auch ab, dass es Korruption im Exil oder große Differenzen zwischen verschiedenen Fraktionen im ANC gegeben hätte.

Eine häufig gestellte Frage des Publikums war nach den Gründen des Erfolgs des ANC, denn damals war es alles andere als klar, dass der ANC sich als führende Befreiungsbewegung etablieren konnte. Vielen galt damals der Pan Africanist Congress (PAC) als vielversprechendere Bewegung. Für den ANC sprach, trotz aller Differenzen und Fehleinschätzungen was die eigenen Möglichkeiten einen bewaffneten Kampf zu führen und vor allem auch die Fähigkeit des Regimes gegen den ANC vorzugehen, anbelangte, die Qualität seiner damaligen Führer, so Ellis. Oliver Tambo und Nelson Mandela, dieser aus dem Gefängnis auf Robben Island heraus, waren in der Lage den ANC zu dem zu machen, was er heute ist: the ruling party of South Africa.