Das Museum der Arbeit ist eines der wenigen Museen, die sich ausdrücklich den arbeitenden Menschen widmen. Es existiert seit Anfang der 1980er Jahre. Damals forderten Geschichtswerkstätten, Gewerkschaften und sympathisierende Intellektuelle gemäß den Prinzipien einer „Geschichte von unten“, dass die arbeitenden Menschen und ihre Kultur und Organisationen auch Bestandteil der offiziellen Geschichtsschreibung und ebenso der Ausstellungslandschaft werden. Die herrschende Politik und Wissenschaft musste auch auf den damals beginnenden, schleichenden Prozess der Entindustrialisierung reagieren, und Kultur und Geschichte konnte auch dazu dienen, diesen teilweise dramatischen Bruch (mit Massenentlassungen, Werksschließungen etc.) abzufedern. Die meisten dieser Initiativen für solche Museen, wie es sie etwa auch in Bremen oder München gab, scheiterten jedoch (1).
Das Hamburger Museum ist auf ehemaligen Fabrikgelände der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie untergebracht. In einem Teil des insgesamt vierstöckigen Hauptgebäudes wurden noch bis 1989 von der Firma Wild Anstecknadeln, Medaillen und andere, vergleichbare Kleinteile produziert. Diese handwerkliche Produktionsweise (nach der Ende des vorletzten Jahrhundert noch nahezu die Hälfte der ArbeiterInnen in Hamburg produzierten), nimmt das Erdgeschoss ein: Hier werden Maschinen und Werkzeuge ausgestellt, die in diesen Räumen früher benutzt wurden. Die meisten davon sind sehr sauber (gemacht), einige wenige zeigen die beeindruckende, schmutzige Patina eines jahrzehntelangen Gebrauchs und vermitteln somit auch einen ungefähren Eindruck von der Gesundheitsschädlichkeit dieser Arbeit.
Im zweiten Stock findet sich eine umfangreiche Ausstellungsfläche zu verschiedenen Druckverfahren. Hier sind verschiedene Maschinen und andere Objekte zu sehen. Erstere werden regelmäßig von kompetenten ehrenamtlichen Museumsarbeitern zu festgesetzten Zeiten in Gang gesetzt und, zusammen mit interessierten BesucherInnen, benutzt. Im hinteren Teil ist noch der koloniale Überseehandel, sprich konkret die Arbeit der weltweit agierenden Gummi-Waaren Compagnie dargestellt, vom Anbau des Rohkautschuk, über die Prüfung des Materials bis hin zum Thema Kommunikation per Überseekabel.
Der dritte Stock ist komplett dem ABC der Arbeit gewidmet. Hier werden anhand einzelne Menschen beispielhafte Berufe näher vorgestellt: Hebamme, Arzt, Zimmermann und so weiter. Parallel werden Themen wie Arbeitskämpfe, Arbeitszeit oder auch soziale Sicherung angesprochen. Wer möchte, kann hier Interviews mit Zeitzeugen zu ihren Berufen anhören, (die vermutlich noch aus der Anfangszeit des Museums stammen).
Im obersten Stock ist derzeit die sehr erfolgreiche, seit Mai letzten Jahres laufende Ausstellung „Das Fahrrad. Kultur, Technik, Mobilität“ zu sehen. Sie surft auf dem Hype um das Fahrrad als Fortbewegungs-, Sport- und Freizeitmittel und ebenso als neues Statussymbol und Distinktionsmittel. Konkret werden über 100 Fahrräder ausgestellt: Vom historischen Hochrad, über Militärfahrräder bis hin zu zeitgenössischen Klapp-, Liege- und Lastenrädern. Die Ausstellung zeigt anschaulich sowohl die ganze Vielfalt an Fahrrädern, wie auch die soziale und ökologischen Utopie einer anderen, um das Fahrrad herum aufgebauten, modernen Stadt.
Die Herausforderung bei solchen Museen ist immer ihr Umfang. Es ist wohl nur möglich, einen kleinen Ausschnitt mitzunehmen. So ist es auch hier. Hinzu kommt, dass man nicht wirklich ergriffen wird, was durch die Textlastigkeit der Präsentation und den Umstand, dass die allermeisten Dinge nicht berührt werden dürfen, noch verstärkt wird.
Gleichwohl ist das Museum interessant und ein Besuch zu empfehlen, da es die Bedeutung der Arbeit für die Menschen darstellt und, gerade durch die Abteilung „grafisches und Druckgewerbe“ vermittelt, wie wichtig (handwerkliche) Praxis und darüber angesammeltes Erfahrungswissen für ein wertiges Produkt ist. Für Kinder ist das Museum dagegen nicht wirklich geeignet. Hier empfehlen sich die umfangreichen Vorführungen, Werkstätten und andere Angebote, die das Museum speziell für Kinder anbietet.
Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, Hamburg-Barmbek, S- und U-Bahn Barmbek. Eintritt 7 EUR, Kinder bis 18 Jahre frei. Umfangreiche Website mit Bildern und Beschreibungen der einzelnen Ausstellungsteile: http://www.museum-der-arbeit.de
Die Ausstellung „Das Fahrrad“ ist noch bis 1. März 2015 geöffnet.
Literatur:
Christina Bargholz. Museum der Arbeit (Hg.): ABC der Arbeit: Vielfalt, Leben, Innovation ; von Kupferschmieden und Kaufleuten, Blaumännern und Schürzen, Lohntüten und StreikkassenDezember 2013, 14,90 EUR
Lisa Kosok (Hg.): Museum der Arbeit. Katalog, Hamburg 1997, 12,50 EUR
Mario Bäumer/Museum der Arbeit: Das Fahrrad, Junius Verlag, Hamburg 2014, 24,90 EUR
(1) Museen der Arbeit bzw. vergleichbare Museen sind im deutschsprachigen Raum noch die Ausstellung Arbeitswelt im DASA (eine 1993 als Deutsche Arbeitsschutzausstellung eröffnete Ausstellung) in Dortmund, das Museum Arbeitswelt im österreichischen Steyr und ggf. noch das Museum Industriekultur in Nürnberg. Viele andere Museen haben dagegen einen vorrangig technik- oder lokalgeschichtlichen Zugang zur Welt der industriellen Arbeit oder der des Handwerks.
Zeitschriften zum Thema sind Kultur & Technik. Das Magazin aus dem Deutschen Museum und Industriekultur. Zeitschrift für Denkmalpflege, Sozial,- Umwelt- und Technikgeschichte (Klartext-Verlag).
Link-Seite zu Deutschland auf dem Internetangebot der Europäischen Route der Industriekultur, dem touristischen Informationsnetzwerk zum industriellen Erbe in Europa: http://www.erih.net/de/links/germany.html