Nachricht | GK Geschichte Tagungsbericht: Gedenkstätten und Geschichtspolitik

Jutta Mühlenberg, Hamburg, berichtet auf H-Soz-Kult über eine Tagung, die kürzlich in Fürstenberg/Havel stattfand und von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück veranstaltet wurde.

Mühlenberg schreibt: "Welche Veränderungen sind in den Gedenkstätten an Orten ehemaliger Konzentrationslager seit der deutschen Vereinigung festzustellen? Wie gehen die Gedenkstätten mit ihren eigenen und den an sie gestellten Ansprüchen, Verpflichtungen und Aufgaben um, die vom Gedenken an die Verfolgten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, der Zusammenarbeit mit den Überlebenden und ihren Angehörigen, der Realisierung von Foren für internationale Begegnungen sowie der historisch-politischen Bildung und der Forschung reichen? An diese Fragen knüpfte der Workshop "Gedenkstätten und Geschichtspolitik" an, der von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück gemeinsam in Fürstenberg/Havel organisiert wurde.

Ausgangspunkt der Veranstalter/innen war, die KZ-Gedenkstätten als Kristallisationspunkte unterschiedlicher geschichtspolitischer Interessen und Ansprüche vorzustellen. Dabei habe sich in den letzten Jahrzehnten ein Funktionswandel hin zu Orten der kulturellen und politischen Selbstverständigung in der Bundesrepublik Deutschland vollzogen, in dem staatliche Ansprüche auf die Interessen von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Akteuren sowie von Besucher/innen und Mitarbeiter/innen träfen. Ziel des Workshops sollte es sein, herauszufinden, wie sich das Zusammenspiel der einzelnen Akteure konkret ausgestaltet. Außerdem sollten die gesellschaftlichen Tendenzen, Verbrechen des Nationalsozialismus und des Stalinismus als eine gemeinsame Negativfolie zu interpretieren, genauer in den Blick genommen werden. So formulierten INSA ESCHEBACH (Fürstenberg/Havel) und DETLEF GARBE (Hamburg) eingangs in ihren einleitenden Begrüßungsworten, dass die Gedenkstätten von der Peripherie ins Zentrum der Geschichtskultur gerückt und einem dauernden Prozess der Selbstverständigung unterworfen seien."

Die Veranstaltung diente der Vorbereitung der Ausgabe 16 der Zeitschrift "Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland",  deren Erscheinen für 2014 angekündigt ist. Der vollständige Bericht ist über den Link unten einsehbar.


Konferenzübersicht

Begrüßungen und Einleitungen
Insa Eschebach (Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück) / Detlef Garbe
(KZ-Gedenkstätte Neuengamme)

Eröffnungsvortrag
Moderation: Oliver von Wrochem (KZ-Gedenkstätte Neuengamme)

Cornelia Siebeck (Berlin): "[...] und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung." Zur Neukonstitution des gedächtnispolitischen Diskurses in
der Bundesrepublik seit 1990

Panel 1: Die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements für die Entwicklung von Geschichtspolitik und Gedenkstättenarbeit

Moderation: Andreas Ehresmann (Stiftung Lager Sandbostel)

Oliver Plessow (Kassel): NS-Gedenkstätten, zivilgesellschaftliche Bildungsarbeit und staatliche Geschichtspolitik in nationaler und transnationaler Perspektive - Muster sozialer Interaktion zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Claudia Krieg (Berlin): Wissenschaft braucht keine Tränen

Jenny Wüstenberg (Berlin): Zivilgesellschaftliches Engagement als maßgeblicher Impuls der bundesdeutschen Erinnerungskultur: Geschichtswerkstätten und "public memory" seit den 1980er-Jahren

Corinna Tomberger (Berlin): Sachwalter der Geschichte oder Vertreter geschichtspolitischer Interessen? Die Rolle der Gedenkstätten im Streit um das Gedenken an verfolgte Homosexuelle

Panel 2: Geschichtspolitische Interessen in Deutschland und die Arbeit von Gedenkstätten seit der Vereinigung

Moderation: Habbo Knoch (Stiftung niedersächsische Gedenkstätten)

Caroline Pearce, Sheffield: Die Herausforderung der "doppelten Vergangenheit" für deutsche Gedenkstätten

Carola S. Rudnick (Betzendorf): Die Erfindung der Gedenkstättenpolitik und das geschichtspolitisch umkämpfte Ende der Singularität der NS-Aufarbeitung

Verena Haug (Berlin): Erlebniserwartung und Erwartungsproduktion. Zur kommunikativen Herstellung des "authentischen" Ortes in gedenkstättenpädagogischen Veranstaltungen

Tagungskommentar und Moderation der Abschlussdiskussion

Oliver von Wrochem (KZ-Gedenkstätte Neuengamme)