Mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, veranstaltete das Institut für Forschung zur Gesellschaft, Ökonomie und Umwelt (Institute for Studies of Society, Economy and Environment [iSEE]) am 17.09.2013 einen Workshop zur Reform des Ehe- und Familiengesetzes von 2000. Ziel der Veranstaltung war es, der vietnamesischen LGBT-Community eine Stimme im Rahmen der Gesetzesnovellierung zu geben.
Die Teilnehmenden des Workshops umfassten einen Experten des Justizministeriums, der Mitglied des Gremiums für Gesetzesentwürfe ist, Vertreter_innen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), der Non-Profit-Organisation CARE, etlicher anderer Organisationen sowie etwa 70 Jugendliche der LGBT-Community.
In seiner Eröffnungsrede betonte der Leiter von iSEE, Herr Le Quang Binh, dass sich das öffentliche Bewusstsein Im Hinblick auf die LGBT-Community in den letzten Jahren stark gebessert hat. In diesem Zusammenhang wird erwartet, dass der Workshop „Jede Liebe ist gleichwertig“ den Einbezug der LGBT-Rechte in den Prozess der Gesetzesänderung zur Ehe und Familie erleichtert.
Dr. Bui Minh Hong, ein Experte aus dem Justizministerium, stellte fünf Aspekte dieser Änderung heraus, die die Rechte von LGBT direkt betreffen: Ehe und Lebensgemeinschaft, welche wiederrum zum Thema der Lebenspartnerschaft führt; Adoption und Leihmutterschaft; Besitzansprüche; häusliche Gewalt; sozialer Schutz; die Eheschließung mit Ausländer_innen. Laut Dr. Hong sollte die Gesellschaft das Recht auf Kohabitation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans* anerkennen. Jedoch – so der Experte - sei es nötig zu erwägen, ob die gleichgeschlechtliche Eheschließung, zu diesem Zeitpunkt legalisiert werden könne. Es bedürfe eines Plans zur schrittweisen Legalisierung von LGBT-Eheschließungen, sodass sich die öffentliche Meinung dementsprechend entwickeln kann. Es stellt sich nun die Frage, wie viele Schritte dafür nötig sein werden und wie viel Zeit vergehen wird.
Des Weiteren stellte er internationale Erfahrungen mit der Legalisierung vor und betonte, dass ein Wandel der Gesellschaft sowie die mögliche Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger_innen auch von der LGBT-Community selbst abhängig seien.
In den vergangenen zwei Jahren hat die Diskussion um LGBT-Rechte in der Tagespolitik und in den Medien Vietnams vermehrt zustimmende Beachtung gefunden. Dennoch erfahren Angehörige der LGBT-Community nach wie vor zahlreiche Benachteiligungen. Insbesondere in der eher patriarchal geprägten Gesellschaft Vietnams, in der Arbeitswelt und in Familienzusammenhängen sind LGBT oft starken Vorurteilen, Stigmatisierungen und Diskriminierungen ausgesetzt.
Während der Diskussion stellten die Teilnehmenden zahlreiche Fragen, die sich aus alltäglichen Erfahrungen ergaben, wie z.B. Probleme bei der Registrierung in einem Krankenhaus, bei einer Adoption sowie bei Erbschaftsfragen.
Anschließend wurden die Teilnehmenden in Gruppen aufgeteilt, um ausführlicher über den Gesetzesentwurf zu diskutieren und um mögliche inhaltliche Änderungen vorzuschlagen zu können. Die im Gesetzesentwurf aufgehobene Bestimmung zum Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe wurde dabei weitestgehend begrüßt. Allerdings wurde auch die Enttäuschung über das Fehlen einer detaillierten Regelung der gleichgeschlechtlichen Eheschließung deutlich. Entsprechend wurde der Vorschlag gemacht, dass der Gesetzesentwurf das Recht auf Zusammenleben, Adoption, Leihmutterschaft und sozialen Schutz etablieren und letztendlich die gleichgeschlechtliche Ehe legalisieren sollte.
Darüber hinaus wurde bei dem Workshop eine kurze Befragung durchgeführt, welche offenbarte, dass 98% der Teilnehmenden es gut fanden, dass der Gesetzesentwurf die gleichgeschlechtliche Ehe nicht verbietet; 56% waren enttäuscht von dem Gesetzesentwurf; 0% wünschten in einer nicht eingetragenen Partnerschaft zu Leben (wie im Gesetzesentwurf vereinbart) und 70% waren für eine Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe.
Ein weiterer Workshop mit Unterstützung der RLS hat am 20.09.2013 in Ho Chi Minh City stattgefunden.