Der 5. Bildungspolitische Dialog der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg stand in diesem Jahr im Kontext der aktuellen Diskussionen über die Einführung einer Gemeinschaftsschule in Brandenburg. Petra Linderoos von der Universität Jyväskylä stellte in ihrem Vortrag über das finnische Bildungssystem die erfolgreiche Umsetzung eines Gemeinschaftsschulsystems vor. Sie betonte dabei, dass die Erfolge der finnischen Gemeinschaftsschule auch auf die konsequente individuelle Förderung seit der Vorschule zurückzuführen sind. In Finnland konzentriere man sich nicht auf die Defizite des einzelnen Kindes, sondern fördere bewusst die Stärken. Zudem gebe es eine enge Verzahnung der gymnasialen Oberstufe und der beginnenden beruflichen Bildung nach der 9. Klasse.
Der Bildungsforscher Ulrich Vieluf verglich in seinem Vortrag die Lernergebnisse des Pilotprojekts Gemeinschaftsschule in Berlin (an 22 Schulen) mit den Ergebnissen des dreigliedrigen Hamburger Schulsystems. Seine empirischen Untersuchungen belegen insbesondere im Bereich der Lese- und Rechtschreibkompetenz einen überdurchschnittlichen Kompetenzzuwachs der Berliner Schüler/innen. Die Erfolge der Gemeinschaftsschulen in Berlin führten allerdings auch dazu, dass die Schulen zunehmend von bildungsfernen Familien angewählt werden. Hingegen sinke der Anteil bildungsbürgerlicher Schichten an diesen Schulen kontinuierlich. Diese Eltern aus den Mittelschichten favorisieren weiterhin das Gymnasium und gefährden damit den langfristigen Erfolg des Pilotprojekts.
Die anschließende Podiumsdiskussion u.a. mit der bildungspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Brandenburger Landtag Gerrit Große, dem Brandenburger GEW-Vorsitzenden Günther Fuchs und dem Sprecher des Landeselternrates Wolfgang Seelbach setzte sich mit den Umsetzungsmöglichkeiten der Gemeinschaftsschule in Brandenburg auseinander. Günther Fuchs verwies dabei auf die derzeitige Reformüdigkeit der Lehrerschaft und betonte, dass eine Schulreform die an den Lehrkräften und an den Wünschen der Eltern vorbei ginge, nur wenige Aussichten auf Erfolg haben würde. Trotz der schwierigen Ausgangsbedingungen müsse man weiterhin für das Zukunftsprojekt Gemeinschaftsschule werben. Gerrit Große betonte in diesem Zusammenhang, dass der starke demographische Druck insbesondere in den ländlichen Regionen Brandenburgs für die Einführung der Gemeinschaftsschule spreche, da nur auf diese Weise viele Schulstandorte überhaupt erhalten werden können.
Angesichts der klaren Positionierung der SPD für den Erhalt des Gymnasiums bzw. des zweigliedrigen Schulsystems ist die flächendeckende Einführung der Gemeinschaftsschule in Brandenburg aber eher unwahrscheinlich. Alle Teilnehmer/innen waren sich darin einig, dass der Erfolg der Gemeinschaftsschule langfristig auch vom gesamtgesellschaftlichen Klima abhängen wird, die Angst der bildungsnahen Mittelschichten vor einer Schule für alle Kinder müsse argumentativ überwunden werden.