Nachricht | International / Transnational Der "vergessene Konflikt"

Zur Lage in der Westsahara und den politischen Zielen der Frente Polisario

Im Rahmen von zwei Vortragsveranstaltungen am 5. Dezember 2013 in Frankfurt/Oder und am 12. Dezember 2013 in Potsdam informierte Jamal Zakari, Repräsentant der Frente Polisario in Brüssel über den Westsahara-Konflikt und die politische Zielstellung der Polisario. An der Veranstaltung in Potsdam nahm auch der Direktor des Zentrums für internationalen Dialog und Zusammenarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Wilfried Telkämper, teil.

Ende 1974 kündigte die frühere Kolonialmacht Spanien an, im folgenden Jahr die Bevölkerung in einem Referendum über die Zukunft der Westsahara entscheiden lassen zu wollen.

Der Internationale Gerichtshof wog zwischen den historischen Bindungen der Westsahara an Marokko und Mauretanien auf der einen Seite, und dem Recht des saharauischen Volkes auf Selbstbestimmung ab. Das endgültige Gutachten wurde am 16. Oktober 1975 veröffentlicht und stellte fest, dass das Selbstbestimmungsrecht einen höheren Wert hat. Daher solle die Bevölkerung der Westsahara in einem Referendum über seine Zukunft entscheiden. Zu diesem Referendum ist es auf Druck Mauretaniens und Marokkos bis heute nicht gekommen.

Noch am gleichen Tag kündigte Hassan II. einen Marsch marokkanischer Zivilisten in die Westsahara an, um die historischen Bindungen zwischen Marokko und der Westsahara zu unterstreichen. Nachdem marokkanisches Militär im Vorfeld in der nördlichen Westsahara eingedrungen war, um ein Eingreifen Algeriens zu verhindern und um Polisario-Kräfte zu binden, fand der Grüne Marsch vom 6. bis 10. November statt. Marokko hatte 350.000 Teilnehmer organisiert, die an mehreren Stellen die marokkanisch-westsaharische Grenze überschritten und einige Kilometer tief in westsaharisches Gebiet vorstießen.

Als Ergebnis von Verhandlungen zwischen Marokko, Mauretanien und Spanien beschloss das spanische Parlament, die Kolonialherrschaft über die Westsahara zum 26. Februar 1976 aufzugeben.

Nachdem am 26. Februar 1976 eine Versammlung saharauischer Stammesfürsten der Aufteilung der Westsahara zwischen Marokko und Mauretanien zustimmte, rief die Polisario am 27. Februar 1976 in Bir Lehlu die Demokratische Arabische Republik Sahara aus. Marokko annektierte die nördlichen zwei Drittel der Westsahara, Mauretanien das südliche Drittel. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen forderte in der Resolution 3458 weiterhin die Durchführung eines Referendums. Die Polisario wird seit 1975 von Algerien unterstützt. Infolge dieses Kampfes erklärte Mauretanien 1979 den Verzicht auf alle Ansprüche in der Westsahara, woraufhin Marokko auch das südliche, ehemals mauretanisch verwaltete Drittel der Westsahara annektierte. Im weiteren Verlauf der Kämpfe konnte Marokko die Polisario-Kämpfer immer weiter ins Landesinnere zurückdrängen. Parallel dazu wurde ein System von Mauern angelegt, welches das Eindringen von Polisario-Kämpfern in marokkanisch kontrolliertes Gebiet verhindern soll. Dieses Mauersystem wurde nach jedem bedeutenden Gebietsgewinn Marokkos erweitert, um die neu kontrollierten Gebiete zu schützen. Seit 1991 beträgt die Länge der äußersten Wallanlage, die das marokkanisch kontrollierte Gebiet vom Polisario-Gebiet trennt, etwa 2500 Kilometer.

Die Teile der einheimischen Bewohner, die auf Seiten der Polisario kämpften, flohen nach Algerien, wo ca. 180.000 Saharauis seit 1976 in Flüchtlingslagern bei Tindouf leben und beinahe vollständig von Hilfslieferungen der EU, der Vereinten Nationen und anderer internationaler nichtstaatlicher Organisationen abhängig sind.

Der offene Kampf zwischen Marokko und der Polisario wurde 1991 durch einen Waffenstillstand beendet. Der Waffenstillstand wird von den Vereinten Nationen durch die in der UN-Resolution 690 zustande gekommene MINURSO-Mission überwacht. 2005 konnten die letzten 404 marokkanischen Soldaten, die bis zu 19 Jahre in Polisario-Gefangenschaft verbracht hatten, nach Marokko zurückkehren. Bis zur Resolution 1469 im Jahr 2002 hatte sich der UN-Sicherheitsrat mehrfach mit dem Westsaharakonflikt beschäftigt. International stark beachtet werden die gewaltfreien Widerstandsaktionen der Menschenrechtsaktivistin Aminatou Haidar, die für die politische Selbstbestimmung der Westsahara eintritt.

Dennoch, so das Fazit der Diskussion mit Jamal Zakari, blieb der Westsahara-Konflikt in Europa lange ein „vergessener Konflikt“. Vorträge und Diskussionsveranstaltungen dieser Art können jedoch zur Information und Aufklärung über die komplizierte Lage der saharauischen Bevölkerung beitragen.