Warum stimmen Linke für den Krieg? Die Grünen taten es 1999 beim Kosovokrieg, die italienischen KommunistInnen zerbrachen an der Abstimmung über den Afghanistaneinsatz, die antideutsche Linke mobilisierte 2003 gegen die deutsche Friedensbewegung und für den Irak-Krieg. Die Voraussetzungen könnten unterschiedlicher nicht sein, doch eins ist gemeinsam: Parteinahme im Krieg der Herrschenden bedeutete immer eine Niederlage für linke Bewegungen, brachte Spaltungen, Hass und Verratsvorwürfe mit sich. Urbild dieser Konflikte ist der August 1914, als Gewerkschaften und SPD in Deutschland durch die Unterstützung des Ersten Weltkrieges von vaterlandslosen Gesellen zu Patrioten wurden. Ein Blick zurück auf eine Entscheidung, die mehr war als ein Verrat von Prinzipien.
Die sozialistische Bewegung in Deutschland war am Vorabend des Weltkrieges nicht nur die größte, sie galt auch als die »marxistischste« der Welt. Ihre Partei, die Sozialdemokratie, hatte trotz zwölf Jahren Verbot dem »eisernen Kanzler« Otto von Bismarck getrotzt; nach seinem Sturz 1890 erlebte sie einen unaufhaltsamen Aufstieg. Der SPD-Chefideologe Karl Kautsky galt als Nachfolger von Marx und Engels, SozialistInnen überall auf der Welt lasen seine Schriften. In der 1889 gegründeten Sozialistischen Internationale war die SPD stärkste Partei, Internationalismus ihr Markenzeichen.
Kautsky kritisierte 1907 auf dem internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart die halbherzige Haltung der niederländischen SozialistInnen zum Kolonialismus. Denn im Zeitalter des Imperialismus waren sich alle Parteien der Internationale der Gefahr eines großen Krieges bewusst; 1912 verabschiedeten sie mit großer Symbolkraft eine Friedensresolution gegen das Wettrüsten ihrer Regierungen. Noch während der Julikrise 1914 gab es in Deutschland große Antikriegsdemonstrationen, doch nur Tage später erfolgte der radikale Schwenk: Am 2. August erklärten die Gewerkschaften die Einstellung aller Streiks, am 4. August gab die SPD im Reichstag ihr Ja zu den Kriegskrediten zur Finanzierung des Weltkrieges. Sogar Karl Liebknecht stimmte beim ersten Mal dafür - aus Fraktionsdisziplin.
Der komplette, in der linken Zeitung "analyse & kritik" (Nr. 589, 17.12. 2013) erschienene Text von Ralf Hoffrogge ist über den nachfolgenden Link zugänglich. "Deutschlands Weg in den Ersten Weltkrieg" ist der Schwerpunkt dieser Ausgabe und enthält weitere drei Artikel, u.a. von Rosa Luxemburg und von Karl Liebknecht.