Nachricht | GEO EPOCHE Nr. 64, Die DDR. Alltag im Arbeiter- und Bauern-Staat 1949-1990, Hamburg 2013

"GEO kennt in der Regel nur schwarz oder weiß. Dabei wären doch die Grautöne auch interessant."

Information

Das kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft wird heute –n eben individuellen, und in der Regel mündlichen weitergegebenen Erinnerungen - stark durch die Medien geprägt. Durch Bildmedien (Fernsehen, Kino), aber auch durch Druckerzeugnisse, wie Schulbücher und Zeitschriften. Die aktuelle Ausgabe von GEO EPOCHE, dem Geschichtsmagazin der bei Gruner & Jahr erscheinenden GEO ist summa summarum eher enttäuschend. Konzipiert wurde es von der GEO-Autorin Gesa Gottschalk, die dabei von Fabian Klabunde unterstützt wurde. Der 1977 geborene Klabunde ist Stipendiat der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und in Hamburg grüner (!) Kommunalpolitiker.

Das Heft enthält Beiträge zu den üblichen Themen wie das Wirken der Gruppe Ulbricht nach dem Krieg, die Gründung der DDR („Staat von Stalins Gnaden“), die Kollektivierung, den Arbeiteraufstand 1953 oder den Bau der Mauer und die Umstände ihrer Öffnung. Weitere Themen sind der Besuch von Helmut Schmidt in Güstrow 1981, die Ära Honecker oder die Geschäfte der Kommerziellen Koordinierung unter Schalck-Golodkowski. Hier erfährt der vorinformierte Leser gelegentlich Neues, und jüngere Leser_innen oder solche mit wenig Vorwissen, dürften auf ihre Kosten kommen. Der im Untertitel des Heftes angesprochene Alltag zeigt sich aber eher in den vielen beeindruckenden und aussagekräftigen Bildern, weniger in den Texten.

Gelegentlich stößt man dann auf antikommunistischen Übereifer, wenn nicht sogar auf tagespolitischen Geifer, etwa wenn Michael Schaper, der Chefredakteur in seinem Editorial entgegen dem Kenntnisstand der Geschichtswissenschaft schreibt, die „Diktatur“ sei in der DDR „flächendeckend“ und „lückenlos“ gewesen und angesichts dessen könne einen „der Gedanke daran, dass die Nachfolgepartei der SED eines Tages für Deutschland Regierungsverantwortung übernehmen, schier fassungslos machen“.

Die DDR ist vielmehr eine höchst paradoxe Gesellschaft, der Historiker Stefan Wolle nennt sie in einem im Heft abgedruckten Interview, eine „fürchterliche Idylle“. So war das zielzitierte und hochgehaltene Kollektiv eben Sicherheit und soziale Kontrolle zugleich, war die DDR verbal und allgegenwärtig von Mobilität und Dynamik gekennzeichnet, bei gleichzeitigem Stillstand auf vielen Ebenen, war zwar die Jugend in aller Munde, die Macht lag aber bei einer strukturkonservativen Gerontokratie, war zwar viel von Internationalismus die Rede, die Realität dann oftmals mehr als provinziell und von Nischen charakterisiert. Diese autoritäre Widersprüchlichkeit zeigt sich in dem GEO Heft aber selten. GEO kennt in der Regel nur schwarz oder weiß. Dabei wären doch die Grautöne auch interessant.

Eine siebenseitige Chronologie mit Zahlen und Fakten schließt das Heft ab. Das nächste Heft von GEO EPOCHE erscheint am 12. Februar 2014 und hat dann „1914 - Das entscheidende Jahr des 20. Jahrhunderts“ zum Gegenstand.

GEO EPOCHE Nr. 64, Die DDR. Alltag im Arbeiter- und Bauern-Staat 1949-1990, 172 Seiten, 9,50 EUR, überall am Kiosk