Der hier anzuzeigende Band bietet Informationen und Eindrücke zu einer Vielzahl von Themen. Er entstand anlässlich einer Ausstellung in der Galerie der Stadt Remscheid, die bis Ende Januar diesen Jahres zu sehen war und Objekte aus der umfangreichen Sammlung der Stiftung Bauhaus in Dessau zeigte.
Nahezu die erste Hälfte des Buches besteht aus vier in Gegenstand, Sprache und Zielrichtung sehr unterschiedlichen Aufsätzen. Lutz Schöbe, Mitarbeiter der Stiftung Bauhaus, berichtet über den Malunterricht am historischen Bauhaus, im Besonderen den von Paul Klee und Wassili Kandinsky. Obwohl die Mehrzahl der am Bauhaus tätigen Künstler (berühmte) Maler waren, wie etwa Lyonel Feininger, Georg Muche und selbstverständlich Johannes Itten, war das Bauhaus bis 1927 keine offizielle Ausbildungsstätte für bildende Kunst. Kandinsky und Klee boten erst ab 1928 im offiziellen Lehrprogramm Malklassen an. Der Stellenwert der künstlerischen Ausbildung und damit zusammenhängend die Frage, ob Kunst der Gegenpol zur Rationalität ist oder vielmehr Mittel für eine rationelle und funktionale Gestaltung der materiellen Kultur, war immer umstritten. Itten, der wohl wie kein anderer für künstlerische Kreativität und Individualität steht, verlässt das Bauhaus bereits 1923. Nach Schöbe gab es trotz des Leitmotiv „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ keinen eigenständigen Bauhaus-Stil, sondern einen Stilpluralismus.
Oliver Zybok, künstlerischer Leiter der Galerie in Remscheid, macht in seinem ersten Beitrag einen starken Bezug zur heutigen Situation an Kunsthochschulen und –akademien auf. Die Ausbildung dort sei vielerorts durchgehend disziplinär verengt, von einem Gedanken, wie er etwa im Grundunterricht und im Vorkurs am Bauhaus tragend gewesen sei, sei heute keine Spur mehr zu finden. Die vom Bauhaus seinerzeit „forcierte Verbindung von Technik, Industrie und Gestaltung“ münde „gegenwärtig eher in einem ökonomischen Diktat(S.38/39). Gefragt sei heute, dem Leitbild der Ökonomisierung der Hochschulen entsprechend, der Kunststudent, der sich als Unternehmer_in ihrer/seiner selbst versteht. Offen bleibt der Bezug dieses im Grunde spannenden und auch sehr kritischen Aufsatzes zum Thema der Ausstellung.
Wolfgang Thöner, der Leiter der Sammlungen am Bauhaus in Dessau berichtet im besten Aufsatz dieses Bandes über das Leben und Wirken ehemaliger Bauhaus-AbsolventInnen in der DDR. Das Bauhaus wurde in der DDR bis in die 1970er Jahre hinein abgelehnt. Es galt, obwohl die Mehrzahl seiner Lehrkräfte als liberal bis links angesehen werden kann, und Hannes Meyer, der zweite Direkto, als Marxist bekannt ist, als weltfremde und abstrakte Kunst, während im Land der Werktätigen ein national aufgeladener sozialistischer Realismus gefördert wurde. Diese wirft die Frage nach dem Zweck von künstlerischem Tun auf, bzw. danach ob jene vor allem frei zu sein habe oder einen Zweck oder ein Ziel hat oder haben sollte. Der sozialistische Realismus sei jedenfalls im Sinne einer plumpen Widerspieglungstheorie ein Instrument der Propaganda zur Erziehung der Massen gewesen. Die DDR wollte, so Thöner Wolfgang Engler paraphrasierend , zwar moderne Verhältnisse, aber ohne moderne Menschen. Dieser Widerspruch durchzog das Verhältnis „der“ DDR zur Kunst und in ihm bewegten sich die Künstler_innen in der DDR, nicht nur die des ehemaligen Bauhauses. Sie hatten alle während des Nationalsozialismus mehr oder weniger überwintert. Einige machten sogar Karriere: Walter Funkat wird Rektor der Hochschule für Kunst und Gestaltung <link typo3/Burg%20Giebichenstein>Burg Giebichenstein</link> in Halle, Marianne Brandt arbeitet einige Jahre an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und Franz Ehrlich wird einer der berühmtesten Architekten und Designer der DDR. 1967 ist es schon möglich in einer Ausstellung über moderne Formgestaltung (wie Design in der DDR heißt), das Bauhaus vorkommen zu lassen, 1976 wird dann das historische Gebäude in Dessau wiedereröffnet. Anlass dafür ist der 50. Jahrestag der Eröffnung des Bauhaus´ in Dessau 1926.
Der vierte Beitrag, wiederum von Zybok, untersucht, so sein Titel den „Einfluss des Bauhauses auf die Kunst von 1945 bis heute“. Das Bauhaus könne zwar, so Zybok, einem abstrakt-geometrischen Stil zugeordnet werden, einen Bauhaus-Stil an sich habe es aber nicht gegeben – höchstens in der Architektur, könnte man anfügen. Das permanente Droping von offensichtlich als bekannt vorausgesetzten Namen verleidet etwas die Lektüre.
Im zweiten Abschnitt des Buches finden sich – in den Originalfarben - Bilder, Grafiken und Plastiken von 58 Bauhausschüler_innen. Sie verleiten natürlich zum Ausruf „Das sieht ja aus wie von Feininger, Bayer, von Albers oder Wassili Kandinsky!!“ Die dokumentierten Werke laden aber zur Betrachtung und dazu ein, nachzusehen, bei wessen Kurs sie produziert wurden. Am Schluss des Bandes sind die Biografien der 58 aufgeführt, darunter, neben den bereits genannten, auch Max Bill.
Das Buch schildert einige interessante Aspekte der Nachwirkungen des Bauhauses, vor allem in der DDR. Es gestattet so einen weiteren Beitrag zur Rezeption des Bauhauses, bzw. ist einer zur Erforschung der Rezeption. Nicht zuletzt sind es viele der Werke der Schüler_innen wert, präsentiert zu werden.
Wolfgang Thöner/ Oliver Zybok (Hrsg.): Bauhaus. Die Kunst der Schüler. Werke aus der Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau, Verlag Hatje Cantz, Ostfildern 2013, 192 S., 179 Abb., 32 EUR
Weitere Literatur
Eintrag Bauhaus im Online-Kunst-Lexikon des Hatje Cantz Verlages
Christina Biundo (unter Mitarb. von Anke Steinhauer und hrsg. von Andreas Haus): Bauhaus-Ideen 1919 - 1994 : Bibliografie und Beiträge zur Rezeption des Bauhausgedankens, Berlin 1994
Hajo Düchting (Hrsg.): Bauhaus-Lexikon, Leipzig 2009
Wolfgang Thöner: Staatsdoktrin oder Regimekritik. Die Bauhaus-Rezeption in der DDR 1963-1990, in Philipp Oswalt [Hrsg.]: Bauhaus-Streit: 1919 – 2009. Kontroversen und Kontrahenten; Ostfildern 2009, S. 231-252