Liebe, Macht und Abenteuer ist ein schönes Lesebuch zur Geschichte der autonomen Frauenbewegung im Wien der 1970er Jahre. 30 damals und größtenteils bis heute engagierte Frauen im Alter von 60 bis 82 Jahren beschreiben ihren feministischen Werdegang. Der hängt prägend mit der AUF (Aktion Unabhängiger Frauen) zusammen, die Anfang 1973 gegründet wird. Die gleichnamige Zeitschrift erscheint im Oktober 1974 zum ersten Mal und wird erst Mitte 2011 mit der 153. Ausgabe eingestellt.
Das Buch ist eine Collage aus Artikeln und Ausschnitten aus Interviews. Den Anfang bilden biografische Erzählungen vieler Frauen, die über ihre Kindheit und Jugend in den 1940er und 1950er Jahren berichten. Starre Regeln, Gewalt, Schweigen, Unterdrückung und emotionale Kälte - die Prügelstrafe an Schulen wird in Österreich per Gesetz erst 1986 abgeschafft – lösen beim Lesen heute große Beklemmung aus. Selbstverständlich berichten die Frauen auch über die großen Themen, die sie damals beschäftigt haben: Arbeit, Sexualität, Gewalt, lesbisches Leben, Bündnispolitik, Medizin und nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und den eigenen Eltern. Schwerpunkt des Buches sind die ersten Jahre der AUF – insofern ist der Titel des Buches etwas irreführend. Hier wird ein Teil der Geschichte einer der wichtigsten Organisationen der parteiunabhängigen Frauenbewegung erzählt.
Faszinierend ist aus heutiger Warte, wie die Frauen den Aufbruch, die Befreiung, die erlebte Solidarität wiedergeben. Die Frauenbewegung hat sie freier, mutiger und stärker gemacht. Viele beschreiben diese Phase in ihrem Leben als „zweite Geburt“ oder als Erweckungserlebnis: Sie fühlten sich nicht mehr allein. Dieses Erlebnis und seine Auswirkungen bis heute sind in den Texten immer wieder zu spüren.
Dass in diesem Buch nur Gewinnerinnen schreiben, ist solchen Büchern eigen, und soll hier nur erwähnt, nicht kritisiert werden. Das Buch kann aber auch deswegen einen solch sympathischen Geist von Aufbruch und Revolte verströmen, weil es über einen begrenzten Zeitraum spricht. In diesem gibt es zwar auch viele Diskussionen – er liegt aber vor dem, in dem aus einer einigen Bewegung auch Berufe und Institutionen werden - und die teilweise scharfe Debatten mit sich bringen. Inhaltlich wird es ab Ende der 1970er Jahre, etwa in der Debatte um „Neue Mütterlichkeit“, dann unübersichtlich und spätestens durch die Kritiken „schwarzer“ Frauen war die Vorstellung einer starken, einigen Frauenbewegung, wie sie dieses lesenswerte Buch durchzieht, zu Ende. Aber das wäre jetzt eine andere Geschichte…
Bernd Hüttner
Käthe Kratz/Lisbeth N. Trallori (Hg): Liebe, Macht und Abenteuer. Zur Geschichte der neuen Frauenbewegung in Wien, 336 Seiten, 21,90 EUR, promedia Verlag, Wien 2013
(Manuskript einer Rezension, die am 30. April 2014 auch in der Tageszeitung "Neues Deutschland" erschienen ist.)