Die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt die bundesweite Plakataktion «Im Kontext NSU».
Auch in Stuttgart sind im Moment an mehreren Standorten Plakate zu sehen.
Die Künstlerin Beate Maria Wörz beschreibt ihr Konzept wie folgt:
«Im Kontext NSU – Welche Frage stellen Sie?
Konzept für eine bundesweite Plakataktion im öffentlichen Raum
Geplant für ein Jahr | mit wechselnden Fragen auf Werbegroßflächen | in 20 Städten bundesweit
Welche Frage würden Sie formulieren, könnten Sie nur eine einzige in die Öffentlichkeit stellen – bzw. in welcher Frage läßt sich für Sie das Ungeheuerliche am Geschehen im Zusammenhang mit der NSU Mordserie am ehesten fassen?
Vor mehr als drei Jahren erfolgte die Aufdeckung des NSU, der für die wohl größte rassistisch motivierte Mord- und Anschlagsserie in der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich gemacht wird. Untersuchungsausschüsse von Bund und den von den Anschlägen betroffenen Ländern und alle Recherchen warfen und werfen mehr Fragen auf als daß Antworten gefunden würden.
Als Bürgerin hatte ich selbst seit November 2012 regelmäßig an den Sitzungen des 2. Bundestagsuntersuchungsausschusses zum NSU teilgenommen, als Künstlerin wollte ich mit diesem Thema arbeiten und habe vor mehr als eineinhalb Jahren damit begonnen, Menschen aus den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen die eingangs zitierte Frage zu stellen. Ich fragte und frage Menschen, die zu den Betroffenen gehören - Opfer und deren Angehörige, Politiker aus den Untersuchungsaussschüssen, JournalistInnen, WissenschaftlerInnen und andere an der Aufklärung Arbeitende, Bewohner der Städte, in denen die Morde und Anschläge geschahen, aber auch Bewohner der unterschiedlichen Aufenthaltsorte des NSU und Bürger, die sich mit dem Thema befassen und Fragen haben.
Mittlerweile sind so fast fünfzig Fragen zusammengekommen und weitere in Arbeit. Eine Auswahl dieser Fragen soll nacheinander- jeweils eine Dekade, also ca. 10 Tage lang - in 20 Städten auf Werbegroßflächen kommen - in den Städten, in denen Morde und Anschläge im Zusammenhang mit dem NSU geschahen, in den Städten der Untersuchungsausschüsse, aber auch in Städten, in denen das 'Trio' lebte und vernetzt war. Die Aktion soll über ein Jahr laufen und den Prozess in München begleiten. Das Konzept setzt auf Wahrnehmung durch Wiederholung und die Tatsache, daß der Mensch erst nach acht–neunmaliger unbewußter Wahrnehmung etwas bewußt aufnimmt. Dies ist durch die Positionierung entlang öffentlicher (Transport-) Wege und die Verweildauer von jeweils einer Dekade, teils auch längeren Zeiträumen, und der Gesamtdauer von einem Jahr gegeben.
Zur Erläuterung: Zwischen September 2000 und April 2007 gab es in der Bundesrepublik Deutschland Morde an mindestens 10 Menschen und mehrere Bombenanschläge mit vielen Verletzten, die mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Verbindung gebracht werden. Die Opfer der Morde waren acht Männer mit türkischem Migrationshintergrund, ein Grieche und eine Polizistin, deren Kollege bei dem Anschlag lebensgefährlich verletzt wurde. Sie, ihre Angehörigen und die von den Bombenanschlägen Betroffenen wurden teilweise mehr als zehn Jahre verdächtigt, kriminalisiert und verleumdet, das Vertrauen innerhalb der Familien beschädigt und in Beziehung zu diesem Staat zerstört. Drei der vermutlichen Täter, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, die seit ihrem Untertauchen 1998 auf den Fahnungsplakaten der deutschen Polizei standen, konnten 14 Jahre lang unentdeckt in Deutschland leben, Menschen ermorden, Banken überfallen und Urlaub machen. Viele Momente, die zur frühzeitigen Aufdeckung des 'Trios' hätten führen können, wurden versäumt, Naheliegendes unterlassen, Ermittlungen erschwert und Vorgänge verdeckt. Nach mehr als 16 Monaten Arbeit der Untersuchungsausschüsse in Berlin und anderen Bundesländern, eineinhalb Jahren Prozess in München und vielen weiteren Recherchen von unterschiedlichen Seiten sind mehr Fragen offen als geklärt. Die Arbeit will sensibilisieren für diese größte rassistisch motivierte Mord- und Anschlagsserie in der Geschichte der Bundesrepublik und das, was an gesellschaftlich verankertem Denken und Verhalten dazu führen konnte, und sie will eine kritische Auseinandersetzung damit befördern.
Die Gleichmütigkeit einer breiten Bevölkerung und ein von staatlichen Behörden getragener Unwille, wirklich aufzuklären, zeigen, wie zwingend notwendig es ist, daß weiter Aufklärung gefordert wird und eine andere, weitergehende Bewußtseinsbildung in der Bevölkerung und den Behörden stattfindet.»