Vor hundert Jahren begann der Erste Weltkrieg, jener Völkermord, dem rund 17 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Die Publizistik läuft auf Hochtouren. Über 150 Untersuchungen sind auf dem Markt, kaum eine marxistische ist darunter. Nicht wenige buhlen um Aufmerksamkeit mit abstrusen Theorien. Schlafwandeln und verhinderte Siege sollen Deutschland von seiner aktiven, besonders aggressiven Rolle als Kriegstreiber 1914 entlasten. Auch alle anderen waren schuld. Das ist bei einem imperialistischen Krieg kein Wunder, denn es geht um Macht, Geopolitik, vor allem um Wirtschaftsinteressen. Nationalismus, Chauvinismus, Religion sind nur die Kostümierungen. Nur, die meisten der vielen Autoren blenden die tieferen Fragen nach den tieferen, sozialökonomischen Ursachen aus. Dem muss widersprochen werden. Fast alle ignorieren, was auf diesem Felde kritische vorgelegt haben, Selbst die bislang als gesichert geltende Erkenntnis des Hamburger Historikers Fritz Fischer aus den 1960er Jahren, Berlins "Griff nach der Weltmacht" sei die Hauptursache des großen Sterbens gewesen, wird in Abrede gestellt. Nur konsequent ist es, dass auch die substantiellen Untersuchungen von DDR-Historiker ignoriert werden.
Das vorliegende Buch dringt dagegen zu Ursprung und Wesen dieses (wie aller) Kriege vor. Er beschäftigt sich aber auch mit der verhängnisvollen Rolle der Sozialdemokratie, die ihren Burgfrieden schloss mit den Kriegstreibern ihrer Länder und mit der herrschenden Klasse, was zwangsläufig zur Zerreißprobe für die linken Kräfte wurde und zur Gründung neuer Parteien führte. Nein, Geschichte wiederholt sich nicht. Aber Fehler können zweimal gemacht werden.
Stefan Bollinger: Weltbrand, "Urkatastrophe" und linke Scheidewege. Fragen an den Großen Krieg, Verlag am Park, Berlin 2014 (ISBN 978-3-945187-00-5, 220 Seiten, 16,99 EUR)
Bollinger, geb. 1954 ist u.a. Mitglied des Gesprächskreises Geschichte der RLS, der Leibniz-Sozietät, der Historischen Kommission beim Parteivorstand der Partei Die Linke, und ehrenamtlicher Stellvertretender Vorsitzender von Helle Panke e.V./Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin.