Im Mittelpunkt dieses voluminösen Buches steht das Werk von Heinrich Vogeler und dessen Entwicklung. Die wechselhafte Biographie des 1872 geborenen Künstlers spielt selbstverständlich auch eine Rolle, ist aber eher Nebensache (1).
1894 kommt Vogeler erstmals nach Worpswede, kauft bald danach das Anwesen „Barkenhoff“, das 1919 bis 1923 (1919 ist Vogeler bereits 47 Jahre alt) als Kommune und Lebensexperiment mehr schlecht als recht und unter großem menschlichen Einsatz und ebensolchen Verwerfungen genutzt wird. 15 Erwachsene und bis zu zehn Kinder leben auf den fünf Hektar Acker- und Gartenland. 1923 reist Vogeler erstmals in die Sowjetunion. Er hat sich, ausgelöst durch persönliche Krisen und noch mehr durch seine Kriegserlebnisse zwar organisatorisch dem Kommunismus zugewandt hat, ist aber lange Jahre eher von einem schwärmerischen, humanistischen, wenn nicht religiösen Sozialismus inspiriert. Käthe Kollwitz schreibt über Vogeler: „In Russland hat ihn das Leben wieder gepackt“. Dort malt er unter anderem die sog. Komplex-Bilder. Diese und auch andere Werke weisen eine große Ähnlichkeit mit den Ikonographien des ab 1932 propagierten sozialistischen Realismus auf. Vogeler verstirbt, von der Welt sprichwörtlich vergessen, unter jämmerlichen Umständen 1942, ja, man könnte fast sagen, er wurde ein Opfer des Stalinismus.
Der die erste Hälfte des Buches umfassende Textteil ist mit großformatigen, hochwertigen Reproduktionen versehen, die im Zusammenhang beschrieben werden. So werden alle Phasen des künstlerischen Schaffens Vogelers dokumentiert. Es ist frappierend zu sehen, wie Vogeler in seiner Phase in Russland und teilweise auch schon vorher ein Apologet von Industrie und Technik wird, wie er etwa Losungen zur Produktionssteigerung propagiert. Dies steht in starkem Gegensatz zu seinen romantisierenden, an Innerlichkeit gemahnenden Bildern. Die Beschäftigung mit Vogeler ist auch heute noch mehr als lohnend. Zum einen in ästhetischer Hinsicht, zum anderen scheint in seinem Leben die ganze Tragik des deutschen Kommunismus mit auf.
Die Arbeit, die in diesem famosen Band enthalten ist, wurde bereits Mitte der 1980er Jahre begonnen und mündete unter anderem in die 1995 abgeschlossene und 2000 in Weimar erschienene Dissertation von Rena Noltenius. Seitdem konnten 13 neue Werke von Vogeler nachgewiesen werden, so dass im nun vorliegenden Band im fast 100 Seiten umfassenden Katalogteil 337 Einträge mit Bild enthalten sind. Hinzu kommen Titel von (verschollenen) Werken, von denen keine Reproduktionen überliefert sind, ein Bericht zum Stand der Forschung zu und zur Literatur über Vogeler - und selbstverständlich eine umfangreiche Bibliographie.
Rena Noltenius: Heinrich Vogeler. Leben in Bildern. Text und Werkverzeichnis; 264 Seiten, 48 EUR, Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 2013
(1) Dazu vgl. Heinrich Petzet: Heinrich Vogeler. Von Worpswede nach Moskau. Ein Künstler zwischen den Zeiten, Köln 1972; Heinrich Vogeler: Werden, 2. überarb. Auflage 1989; David Erlay: Von Gold zu Rot: Heinrich Vogelers Weg in eine andere Welt, Bremen 2004