Wenn ein neugeborenes Baby auf den nackten Bauch seiner Eltern gelegt wird, dann sprechen Hebammen von „bonding“. Der enge Kontakt soll für eine starke, vertrauensvolle Beziehung zueinander sorgen. In Berlin jedoch kamen am 11. und 12. September 2015 unter dem Titel „bridging and bonding“ Protest- und Bewegungsforscher*innen zu einer Vernetzungstagung zusammen. Eingeladen hatte der vor drei Jahren gegründete Verein für Protest- und Bewegungsforschung. Seine Mitglieder engagieren sich für die qualitative und quantitative Entwicklung des Forschungsfeldes und gegen die vorherrschenden Tendenzen dessen institutioneller Auflösung. Erklärter Anspruch der Tagung war es daher, Verbindungen zwischen den verstreut arbeitenden Forscher*innen herzustellen und gemeinsame Aktivitäten zu initiieren. Das Interesse daran war überraschend groß. Angereist kamen rund 100 Forscher*innen verschiedener Disziplinen, deren Arbeiten auf unterschiedliche Weise mit dem Forschungsfeld zu Protesten, sozialen Bewegungen und Widerstand in Verbindung stehen. 50 weitere fanden sich im Vorfeld lediglich auf einer Warteliste wieder. Denn der restaurative Charme der Tagungsräume im Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB), unterlag strengen Nutzungsauflagen.
Der enorme Andrang machte die Tagung zum „größten Treffen von Protest- und Bewegungsforscher*innen seit Menschengedenken in deutscher Sprache“. Darauf wurde gleich zur Begrüßung hingewiesen. Aber auch methodisch zeigten sich die Organisator*innen innovativ. Tuschelrunde, Worldcafé sowie Schnupper- und Workshop-Phasen bezogen die Teilnehmer*innen gleich von der ersten Minute an geschickt mit ein. Im Zentrum stand dabei die Arbeit in elf angekündigten Arbeitskreisen zu den Themenfeldern Arbeit und Wirtschaft, Bewegungen und Institutionen, Medien, Geschlechterbewegungen, Klima- und Umweltbewegung, Poststrukturalistische Perspektiven, Riots and Resistance, Soziale Bewegungen in Afrika, Stadt/Raum, Technik und soziale Bewegungen sowie Theorien sozialer Bewegungen. Ihre Konstituierung sollte die Basis für die Entfaltung eigenständiger gemeinsamer Aktivitäten über die Tagung hinaus schaffen.
Aus dem gegenseitigen Abtasten entwickelte sich dabei in fast allen Arbeitskreisen ein Austausch über zentrale Grundbegriffe und ihre verschiedenen Interpretationen. Was ist eigentlich ein Medium? Was ist Arbeit, was Feminismus oder was urban? Die ganz unterschiedlichen Antworten offenbarten die Heterogenität der Diskutierenden und ihrer akademischen Verwurzelungen etwa in der Politikwissenschaft, der Soziologie, der Medien- oder Kommunikationswissenschaft, der Kulturwissenschaft oder sogar der Japanologie. Dennoch reichte das kurze Aufeinandertreffen bisweilen auch zur Formulierung spannender Thesen zum gemeinsamen Forschungsfeld.
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