Tagungsbericht zur 51. Konferenz der ITH (International Conference of Labour and Social History / Internationale Tagung der HistorikerInnen der Arbeiter- und anderer sozialer Bewegungen) in Zusammenarbeit mit dem „International Research Center Work and Human Life Cycle in Global History (re:work)“
Die 51. Konferenz der ITH schloss den Tagungszyklus zu Arbeitsverhältnissen außerhalb und an den Rändern der klassischen industriellen Lohnarbeit ab. Bereits auf den beiden Konferenzen 2013 und 2014, welche die Hausarbeit und die reproduktive Arbeit (siehe den Bericht hier) sowie unterschiedliche Formen der Zwangsarbeit (Bericht hier) behandelt hatten, waren die teils fließenden Übergänge zwischen verschiedenen Arbeitsformen und die politisch umkämpfte Anerkennung gesellschaftlicher Aktivitäten als Arbeit ein wiederkehrendes Thema. Die Sitzung des Vorstandes und Beirates der ITH fasste auch wichtige Beschlüsse zur Zukunft der ITH. Über diese wird am Ende dieses Textes informiert.
Die diesjährige, von ca. 75 Teilnehmer*innen besuchte Konferenz widmete sich nun ganz dem Konzept Arbeit und den Grenzziehungen zur Nicht-Arbeit. Dabei wurde davon ausgegangen, dass diese historisch stets fluktuieren und Gegenstand von umkämpften Definitionen im Zusammenhang mit sozialökonomischen Politiken sind. Das Ziel der Organisatoren bestand daher darin, dazu beizutragen, dass Konzept Arbeit zu denaturalisieren und zu repolitisieren sowie Arbeit und Nicht-Arbeit als gesellschaftliche Verhältnisse in globalhistorischer Perspektive zu beleuchten.
Die Konferenz fand dieses Jahr zum ersten Mal nicht im zur Zeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossenen Jägermayrhof in Linz statt, sondern im Wissenschaftszentrum Berlin, in Kooperation mit dem an der Humboldt-Universität angesiedelten geisteswissenschaftlichen Kolleg „Arbeit und Lebenslauf in globalhistorischer Perspektive“ (re:work). Dabei war eine bereits in den letzten Jahren zu beobachtende stärkere sozialwissenschaftliche Ausrichtung der Beiträge und Akademisierung des Publikums zu verzeichnen. Letzteres wurde sicherlich auch dadurch verstärkt, dass sämtliche Vorträge auf Englisch gehalten wurden, ohne eine in den Vorjahren noch übliche Simultanübersetzung bereitzustellen. Es darf davon ausgegangen werden, dass dieser Trend die ITH-Konferenzen, auch aus Kostengründen, in Zukunft weiterhin begleiten wird.
In ihrem Eröffnungsvortrag skizzierte Ilse Lenz von der Ruhr Universität Bochum, die Grenzziehungen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit in der modernen postkolonialen Welt. Sie ging dabei von dem Konzept eines Kapitalismus multipler Modernen aus, mit unterschiedlichen Entwicklungspfaden in den verschiedenen Regionen und verschiedenen nebeneinander existierenden und ineinander übergehenden Arbeitsformen. Das Spektrum reicht von Lohnarbeit, Hausarbeit, erzwungener Arbeit bis zu Arbeit in der Freizeit, die zwar durch den globalen kapitalistischen Markt miteinander vermittelt sind, aber unterschiedliches Gewicht in Zentrums- und Peripherieregionen besitzen und ebenfalls von Geschlechter- und „Rassen“verhältnissen durchzogen sind. Global lässt sich dabei keine Universalisierung der industriellen Lohnarbeit feststellen, während Prekarisierung, Flexibilisierung und die Kommerzialisierung von ehemals gemeinschaftlichen Reproduktionsräumen (den sogenannten Commons) in allen Regionen zunehmen. Zudem werden viele Arbeiten nicht nur unbezahlt, sondern auch „ehrenamtlich“, während der Freizeit, erledigt, weshalb sie eine allgemeinere Definition von Arbeit, als „intendierte Aktivität zur Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen für die Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse“, vorschlägt. Das politische Anliegen einer Forschung zu einem solchen Mosaik an unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen sollte dabei, angelehnt an die Tradition der Geschichte der Arbeiterbewegung, sein, beim Aufbau von breiten Koalitionen für den Kampf um eine gleichere und friedlichere Welt beizutragen.
Wie Letzteres möglich sein könnte, wurde dabei im Laufe der Konferenz jedoch kaum behandelt, während die Beiträge durchaus eine breite Thematisierung des Verhältnisses von Arbeit und Nicht-Arbeit über verschiedene Zeiträume, Regionen und Arbeitsregimes hinweg lieferten.
Die öffentliche Abendveranstaltung am Freitag fand in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt. Unter dem Motto „Ist das Arbeit?“ diskutierten Ute Finckh-Krämer, MdB (SPD), Robert Foltin, Autor und Politaktivist, Wien, Till Kössler, Professor am Institut für Erziehungswissenschaften, Ruhr-Universität Bochum und Dieter Plehwe, Vorstandsmitglied von LobbyControl – Initiative für Transparenz und Demokratie e.V. über „Politisches Engagement in Geschichte und Gegenwart“.
Da es unmöglich ist, dass gesamte Panorama der insgesamt 24 Beiträge nachzuzeichnen (hierzu sei auf das Programm der Konferenz verwiesen: PDF) und diese auch auf den einzelnen Panels nicht immer thematisch zueinander gepasst haben, wird im Folgenden eine sehr subjektive Auswahl anhand von einigen gemeinsamen Berührungspunkten behandelt.
Weiterlesen bzw. der gesamte Konferenzbericht im PDF.
Bild: Eine breite Beißzange. Fotograf: Frank C. Müller. Aufnahmedatum: 18.10.2005. Aufnahmeort: Baden-Baden [Bild-CC-by-sa/2.0/de].