Nachricht | COP 21 klimadiplomatie.de | Paris-Gipfel beschließt neuen Weltklimavertrag

Nach einer dramatischen Schlussrunde haben die Delegierten in Paris den neuen Weltklimavertrag angenommen. Beschlossen wurde, dass die Menschheit ab 2050 "klimaneutral" lebt. Jetzt beginnt die Arbeit.


Diesen Text veröffentlichen wir in Kooperation mit dem Portal www.klimadiplomatie.de


"Historisch." Das war das meistbeanspruchte Wort, das am späten Samstag im Konferenzzentrum im Pariser Vorort La Bourget strapaziert wurde. US-Außenminister John Kerry benutzte es genau so wie der indische Umweltminister Prakash Javadekar oder UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. In der Tat bringt das "Paris Agreement" – der Vertrag von Paris – der Menschheit eine Zeitenwende.

"Wir senden an die Märkte dieser Welt mit dem Vertrag das Signal: Jetzt kommt der grüne Umbau", sagte Kerry. Der Vertrag sei ein "Sieg für alle Menschen auf dem Globus und die kommenden Generationen".

Dabei hatte es am Nachmittag noch nach einem Scheitern der Verhandlungen ausgesehen. Ein ums andere Mal wurde die Plenarsitzung verschoben, in der der Vertrag beschlossen werden sollte. Und als das Plenum für 17.30 Uhr endlich einberufen wurde, ging es nicht los. Gerüchte machten die Runde, die USA wollten noch Änderungen, die Türkei sei überhaupt nicht einverstanden und jetzt komme auch noch eine Attacke der Saudis. Die Unterhändler wurden sichtlich unruhig, weil außerhalb des Saals offenbar noch Absprachen getroffen wurden, von denen sie nichts wussten.

Bündnis der "Ehrgeizigen" gab den Ausschlag

"Ganz entscheidend war die "Koalition der Ambitionierten", sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, als der Knoten dann gegen 20 Uhr doch zerschlagen war. "Mit dieser Koalition ist die Bipolarität der Welt aufgehoben." In der "High Ambition Coalition" hatten sich Industriestaaten mit Entwicklungs- und Schwellenländern wie Brasilien, Mexiko, den Philippinen oder Kolumbien zusammengefunden. Vor allem China, Saudi-Arabien, Indien und Südafrika hatten sich bisher immer auf Paragraf 4.2 der Klimarahmenkonvention aus dem Jahr 1992 berufen und so die Verhandlungen blockiert.

In Paragraf 4.2 ist festgeschrieben, dass die Industriestaaten "schuld" an der Erderwärmung sind. Tatsächlich stammten 80 Prozent aller menschengemachten Treibhausgase in der Atmosphäre Anfang der 1990er Jahre aus ihren Schloten. Deshalb waren die Industriestaaten auch in der Verantwortung, während die Entwicklungsländer keine Pflichten hatten. Mit Verweis auf Paragraf 4.2 wollten China, Indien und Co erreichen, dass sie auch weiterhin viel weniger für den Klimaschutz und die Klimafinanzen tun müssen als die Industriestaaten – obwohl China mittlerweile der größte und Indien der drittgrößte Produzent von Treibhausgasen ist, jedenfalls in absoluten Zahlen.

"Klimaneutral" statt Nullemission

Aber die Koalition der "Ambitionierten" hat sich schließlich durchgesetzt. Beschlossen wurde, dass die Menschheit ab 2050 "klimaneutral" lebt. Ursprünglich sollte im Vertrag stehen, dass die Menschheit ab 2050 "Treibhausgas-frei" lebt. Aber das scheiterte an den erdölproduzierenden Ländern. "Treibhausgas-frei" hätte bedeutet, dass diese Länder bald kein Erdöl mehr fördern dürften. Der jetzige Beschluss besagt, dass die Treibhausgase, die nach 2050 noch entstehen, kompensiert werden müssen – etwa durch Aufforstung oder Technologien wie CCS.

Beschlossen wurde zweitens, dass die Industriestaaten zwischen 2020 und 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar "mobilisieren" müssen, um die Entwicklungsländer in die Lage zu versetzen, sich an die bereits eintretenden Folgen der Erderwärmung anzupassen. Schwellen- und Entwicklungsländer, die das können, sollen Beiträge auf "freiwilliger" Basis leisten. Doch für die Zeit ab 2026 ist der Geberkreis nicht definiert. Dann werden sich wohl auch wohlhabende "Entwicklungsländer" an den Klimahilfen beteiligen müssen.

Angenommen wurde ein 1,5-Grad-Ziel. Und es wurden ein Transparenz- und ein Ambitionsmechanismus beschlossen: Die Länder sollen über ihren Klimaschutzerfolg einheitlich berichten. Und ab 2018 sollen die freiwilligen Ambitionen – die so genannten INDCs – "überprüft" werden. Denn das, was die Staaten bislang als Beitrag zum Klimaschutz versprochen haben, reicht nur aus, um die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts nicht über drei Grad ansteigen zu lassen.

Die Arbeit beginnt jetzt

"Wir sind extrem glücklich", sagte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete. Die Schweizer Bundesrätin Doris Leuthard erklärte: "Für die Schweiz war es wichtig, dass alle Verantwortung übernehmen und die Zweiteilung aufgehoben wird." Aber auch Südafrikas Umweltministerin Edna Molewa sieht einen "Wendepunkt zu einer besseren und sichereren Welt". Frankreichs Präsident François Hollande sagte sogar: "Wir haben heute die beste und friedlichste Revolution geschafft – eine Revolution für den Klimaschutz". Und Bubu Pateh Jallow, einer der Chefunterhändler der ärmsten Staaten, sagte: "Der Vertrag ist eine wirklich gute Arbeitsbasis".

Damit warf Jallow aber auch einen anderen Blick auf den Vertrag. "Die Unterschrift ist nur der Anfang, jetzt geht es darum, ihn auch umzusetzen." Russlands Umweltminister Sergej Donskoj betonte: "Jetzt steht uns die Ratifikation bevor!" Der hintere Teil der Vereinbarung nämlich, zwölf der 31 Seiten, muss zu nationalem Recht werden. Und das in jedem der 195 Mitgliedsländer, ein Prozess, der im Falle des Kyoto-Vertrages acht Jahre gedauert hat. Aber diesmal soll der Paris-Vertrag bereits ab 2020 gelten – in vier Jahren.