Der Wiener Historiker und Verleger Hannes Hofbauer war am 27. April 2016 zum wiederholten Mal Gast der Brandenburger Rosa-Luxemburg-Stiftung. In Potsdam stellte er sein zur Leipziger Buchmesse 2016 im Wiener Promedia Verlag erschienenes Buch mit dem Titel „Feindbild Russland“ in einer mit etwa 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besuchten Veranstaltung vor.
In seinem Buch spannt Hofbauer einen breiten historischen Bogen. Er beginnt im 15. Jahrhundert, als im Jahre 1480 die „mongolisch-tatarische Oberherrschaft“ über Russland abgeschüttelt worden ist. Die etwa 240 Jahre währende Herrschaft der sog. „Goldenen Horde“ gilt bis in die Gegenwart als ein russisches Trauma. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in den folgenden Jahrhunderten mit den europäischen Nachbarn bildeten in West- und Mitteleuropa das nun schon traditionelle Feindbild über Russland heraus, dass in dem Vorurteil wurzelte, die Russen seien keine Europäer und gehörten nicht zum christlich-abendländischen Kulturkreis. Solche abwertenden Feindbilder sind auch in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts und selbst in den politischen Konflikten der jüngsten Zeit immer wieder bedient worden. Die in Deutschland und hier zum Teil auch in den Medien bis in die Gegenwart anzutreffende Russophobie ist also deutlich älter, als häufig angenommen. In der Zeit des Kaiserreichs und der NS-Herrschaft habe man sich dieser tradierten Vorurteile jedoch in besonderer Weise bedient.
Hofbauer ging in seinem Vortrag auf die Jelzin-Ära (1991 bis 1999) ein und bezeichnet dieses Jahrzehnt des Zerfalls der Sowjetunion als „vom Internationalen Währungsfonds gesteuerte Schocktherapie“, die letztlich auch zum militärischen Vormarsch der NATO an die Grenze zur Russischen Föderation geführt habe. Mit der Machtübernahme durch Wladimir Putin nach der Präsidentenwahl Ende März 2000 habe in Moskau eine „Konsolidierung der Macht und eine Administrative Re-Zentralisierung“ stattgefunden, mit der allerdings keineswegs die Macht der Oligarchen in Russland eingeschränkt worden sei.
Noch während der Jelzin-Administration habe es jedoch eine Zäsur im Verhältnis des Westens zum Kreml gegeben, als 1999 der völkerrechtswidrige NATO-Krieg gegen Jugoslawien und die Bombardierung Belgrads begann. Auch die Besetzung der Krim 2013 nannte Hofbauer „völkerrechtswidrig“, lehnte jedoch den Begriff „Annektion“ ab. Aus seiner Sicht sei die Ukraine auf Dauer in einen Ostteil mit den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie dem übrigen Teil des Landes gespalten. Die mit dem Ukraine-Konflikt verbundenen Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland bezeichnete der Autor als „Wirtschaftskrieg auf kleiner Flamme“, der natürlich Wirkungen in Russland habe, aber auch die Landwirtschaft vor allem in Polen, Ungarn und auch Deutschland treffe.
In der Diskussion und den Anfragen während der Buchpräsentation zeigte sich, dass es weiterhin ein großes Interesse an Themen des Verhältnis Deutschlands zu den Staaten Ost- und Ostmitteleuropas gibt. Dies sollte in der zukünftigen politischen Bildungsarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung weiterhin Beachtung finden.
Hannes Hofbauer: Feindbild Russland. Geschichte einer Dämonisierung. Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Wien 2016, 303 Seiten, 19,95 Euro.