Nachricht | Kultur / Medien - Kommunikation / Öffentlichkeit - Geschlechterverhältnisse Die Norm der «Normalen» aufbrechen

Gesellschaftliche Normen bestimmen unseren Alltag. Wie wir im bestmöglichen Fall handeln sollten, wird von eigenen und äußeren Erwartungen der Gesellschaft beeinflusst.

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Autorin

Eleonora Han,

Ob in der Werbung, im Radio, Film oder Fernsehen – Stereotypen und Schablonen prägen täglich unsere Sicht der Dinge. Dabei kristallisiert sich in unserer Gesellschaft eine «normale» Norm heraus. Doch wer hat «normal» für uns definiert? Wer hat das Recht, etwas als normal zu bezeichnen und kann man überhaupt von einer «normalen» Norm sprechen?

Sexismus, Feminismus, Rassismus, Homophobie, Fremdenhass – kurz gesagt: Kritik an jeglicher Art von Diskriminierung war die Agenda der diesjährigen Sommerakademie der Linken Medienakademie, unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Da ging es im wahrsten Sinne queer durch die gesellschaftlichen Zustände. Seien es Ängste, Verlustängste zumal, oder das Bewahren gewohnten Hab und Guts, seien es unklare Identitäten, verlorene Orientierungen oder das Klammern an alte, konservative Werte. Unterschiedlichste Strukturen und Hierarchien sind, das wurde an den drei Tagen klar, in den Institutionen und unseren Köpfen verankert. Es gilt, ein waches Bewusstsein für die internalisierten Geschlechterrollen zu schaffen. Genau dem widmete sich die «#Gendermania». Mit rund einhundertfünfzig Teilnehmer*innen besetzte die Linke Medienakademie am letzten Augustwochenende das Seminargebäude der HU Berlin am Hegelplatz zum diesjährigen Medienkongress unter dem Motto Gender und Medien.

Für die Linke Medienakademie war «Gendermania» ein Einstieg in ein zwar neues, aber nichtsdestotrotz «unverzichtbares Thema, hatte Geschäftsführer Jörg Staude zur Begrüßung erklärt. Das sei aktuell um so notwendiger, als sich gegenwärtig Anders-Aussehende, Anders-Seiende und Anders-Geprägte verstärkten Druck nicht nur von den rechten Rändern, sondern auch aus der Mitte der Gesellschaft ausgesetzt sehen.

Deren Programm bot jedem die Möglichkeit, eigene Schwerpunkte zu setzen, gewissermaßen ein persönliches Bildungsprogramm zusammenzustellen. Ergänzt wurde das Programm um die Kurzfilme der FilmArche, die Menschen eine Stimme geben, die sonst nicht repräsentiert sind und durch den Autor und Regisseur Falk Richter mit seiner Lesung in der Berliner «Buchbox!” über Identitätspolitik, Kunstrechtfertigung und die «Wellness-Hipster-Gesellschaft».

«HOMO PROPAGANDA» – stand in kyrillischer Schrift auf dem T-shirt von Jenny Renner, der ersten LSBTTIQ-Vertretung im Fernsehrat des öffentlich-rechtlichen ZDF und eine unserer Podiumsgäste bei der «Tagesschau mal Queer?!». Sie werde hoffentlich für «mächtig Wirbel im Fernsehrat» sorgen, sagte sie. Das scheint auch höchste Zeit zu sein, denn ein Großteil der Arbeit im Fernsehrat ist nicht öffentlich und viele Akteure bleiben nahezu unsichtbar. Beschwerden so etwa über diskriminierende Darstellungen würden oft als «Versehen» abgetan. Deshalb ist es Renner wichtig, die Gremien für ein Gender-Bewusstsein und die Darstellung von LSBTTIQ zu sensibilisieren. Momentan sei die klischeehafte Darstellung noch eine Katastrophe. Schwule oder lesbische Personen würden sich in ihren Rollen im öffentlich-rechtlichen TV meist auf den Wunsch nach Sex und Kinder reduziert und der Wahrheitsanspruch von der hetero weißen Person wird immer höher gewertet.

Als Einzelkämpferin werde sie dagegen nicht aufkommen, räumte Jenny Renner ein, und forderte das Publikum zur TV-Guerilla, beispielweise durch Beschwerden, auf. Ihr Ziel sei es, eine Community zu bilden, die sich für Sichtbarkeit und Sensibilisierung der LSBTTIQ in den Medien einsetzt.

Wie stark die Schablonen der Medienwelt unsere Sicht der Dinge prägen und unsere Meinung dominieren, was als «normal” anerkannt wird und als solches gilt, kam in der anschließenden Podiumsdebatte gut zur Geltung. «Wie viele dicke Nachrichtensprecher*innen habt ihr schon gesehen?» machte Magda Albrecht, politische Bildner*in, Blogger*in (mädchenmannschaft.net), auf eine subtile Ausblendung von Realität aufmerksam. Es handelt sich nicht nur um Sexismus, sondern um Diskriminierung jeglicher Art.

Albrecht hofft auf eine nächste Revolution und gab dem Publikum einen Rat auf den Weg: «Überlegt Euch, in welche Jobs ihr gehen könnt, um Dinge aufzubrechen. Wir brauchen kluge, junge Leute, die sensibel dafür sind, Hemmnisse von Menschen zu akzeptieren und damit zu arbeiten.» Renner unterstützt Albrecht in ihrer Aussage, in dem sie betont, dass wir unsere Machtstrukturen selber schaffen und beeinflussen können.

Man müsse mehr Verbindungen schaffen und eine Multiperspektive eröffnen, bilanzierte Moderatorin Nadja Bungard (mondpropaganda) die Runde. Gemeinsam sollten wir die «normale» Norm, an die wir nur gewöhnt sind und die nicht existent ist, ändern und Hierarchien sichtbar machen und aufbrechen, um Platz für alle Lebensrealitäten zu schaffen.

Die Besucher selbst bildeten eine «bunte» Vielfalt: Väter, Berufstätige, Student*innen, Werdende Mütter. «Alle profitieren voneinander! Ich freue mich sehr über die Diskurserweiterung, die durch die Gendermania geschaffen wird», meinte Teilnehmer*In Marie . Nicht nur das Dozent*Innen- und Teilnehmer*Innen-Verhältnis hat gestimmt, sondern auch die persönliche Bereicherung durch die Themenauswahl, Einflüsse von Reden oder selbstgeschriebenen Texten untereinander, haben für Verlust für das Zeitgefühl gesorgt.

«Tschüss, schön wars bei euch! Dankeschön» – verabschiedet sich ein Teilnehmer zufrieden winkend von der Gendermania? Und verschwand hinter der Tür. Vielleicht sieht man sich bei der nächsten LiMA im April 2017 wieder, wenn es wieder heißt, gemeinsam Medien zu analysieren und kritisieren.