Nachricht | Partizipation / Bürgerrechte - Kapitalismusanalyse - Gesellschaftliche Alternativen Menschenrechte vs. Investorenrechte

Deutschland boykottiert die Beratungen im Menschenrechtsrat

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Till Bender,

 

Auf einer Diskussionsveranstaltung in Berlin forderten NGOs von der Bundesregierung, sich für ein verbindliches Abkommen zu Unternehmen und Menschenrechten einzusetzen. Bisher boykottiert Deutschland die Beratungen im Menschenrechtsrat zu einem solchen Abkommen.

Die internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik erlebt derzeit eine neue Welle von Deregulierungs- und Liberalisierungsbemühungen, was sich vor allem an den Verhandlungen über diverse Handels- und Investitionsabkommen zeigt. Eine wesentliche Intention dieser Abkommen ist es, die Marktzugänge für transnational agierende Unternehmen weltweit zu vergrößern und die Rechte ausländischer Investoren zu stärken. Gleichzeitig hat in den letzten Jahren aber auch die internationale Debatte über die ökologische, soziale und menschenrechtliche Verantwortung der Wirtschaft an Dynamik gewonnen. Grund dafür war nicht zuletzt die wachsende öffentliche Kritik an transnationalen Konzernen und Banken wegen Missachtung grundlegender Arbeits- und Menschenrechtsstandards, Umweltvergehen und Betrügereien.

Vor diesem Hintergrund setzte im Juni 2014, auf Initiative von Ecuador und Südafrika, der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Arbeitsgruppe ein. Sie soll ein rechtsverbindliches Instrument oder Abkommen («Treaty») entwickeln, mit dessen Hilfe transnationale Konzerne und andere Unternehmen wirksamer für Menschenrechtsvergehen zur Verantwortung gezogen werden können.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat zusammen mit dem Global Policy Forum eine Studie zum sogenannten «Treaty-Prozess» bei den Vereinten Nationen veröffentlicht, und in Zusammenarbeit mit dem Global Policy Forum und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen eine dreiteilige Veranstaltungsreihe initiiert:

Am 27.09.2016 diskutierten bei der ersten Veranstaltung in Berlin die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Bärbel Kofler, der Direktor Corporate Responsibility der Otto Group, Johannes Merck, und die Referatsleiterin Menschenrechte und Frieden bei Brot für die Welt, Julia Duchrow, über Regulierungsmöglichkeiten auf nationaler Ebene im Rahmen des ausstehenden Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte sowie über die Notwendigkeit eines internationalen Abkommens zur Regulierung transnationaler Unternehmen und die bisherige Haltung Deutschlands, sich an den internationalen Verhandlungen nicht zu beteiligen. In der Diskussion ließ die Menschenrechtsbeauftrage durchblicken, dass sie sich für eine Beteiligung Deutschlands an den Verhandlungen einsetzen will. Dass sich dort Deutschland für verbindliche Regeln einsetzen würde, scheint im Moment allerdings unwahrscheinlich. Denn Frau Kofler berichtete auch, dass sich in der regierungsinternen Abstimmung zum «Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte» – Teil der freiwilligen UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschrechte – das Finanzministerium gegen jede Formulierung wehrt, die Unternehmen auf bestimmte Sorgfaltspflichten auf dem Gebiet der Menschenrechte verpflichten könnte.

Am 4.10.2016 befasste sich die zweite Veranstaltung in New York bei den Vereinten Nationen mit dem Stand der Verhandlungen zu einem international verbindlichen Abkommen in Bezug auf Unternehmen und Menschenrechte. Barbara Adams, Global Policy Forum New York, Jens Martens, Global Policy Forum Europe, sowie Dominic Renfrey, Corporate Accountability and Economic Policy Program Coordinator, ESCR-Net, diskutierten dabei auch über Verbindungen zu einem anderen sehr wichtigen UN-Prozess, der 2030 Agenda und den Zielen für nachhaltige Entwicklung. Schließlich ging es auch um die Frage der Unternehmensverantwortung und des Unternehmenseinflusses innerhalb der Vereinten Nationen.

An diese Frage wird die dritte und letzte Veranstaltung in Genf anschließen, die während der zweiten Sitzung der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines internationalen Abkommens zu Wirtschaft und Menschenrechte stattfinden wird. Die Diskussion wird sich im Spannungsfeld zwischen steigendem Unternehmenseinfluss auf UN-Ebene, etwa in den Bereichen Gesundheit, Landwirtschaft und Ernährung, auf der einen Seite, und der Zunahme von Initiativen, Unternehmen stärker und vor allem auch verbindlich zu regulieren, auf der anderen Seite bewegen.

Text und Fotos: Till Bender, RLS, CC BY-NC-ND 2.0.