Das Lesebuch „Kunst und Kampf“ erzählt Geschichten. So zu Beginn die des Bernd Langer selbst, wie und aus welchen Gründen er ein antifaschistischer Künstler und Kämpfer geworden ist. Ihn haben die Kriegsgeschichten seiner Großeltern und die Aussagen seiner Eltern geprägt. Im Ort, in dem er aufwuchs, bemerkte hat er rasch, dass es ideologische bis hin zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen „Ewiggestrigen“ und Kriegsgegner_innen gab. Er hat sich dort eingebracht. Sein Hauptaugenmerk lag jedoch darauf, auf welche Art und Weise Veranstaltungen ankündigt werden. Dazu sprach er mit einem Zeitzeugen. Dennoch wollte er nicht den Aspekt des sozialen Leidens „der Klasse“ in den Mittelpunkt gestellt wissen, sondern den eigenen Angriff. Er machte sich mit seinen Freund_innen Gedanken, die Schritt für Schritt zu parteilichen Abbildungen (Zeichnungen, Malerei, Applikationen, Plakaten) führten, die die eigene Aktion und das Widerstehen ausdrückten.
Autodidaktisch setzte er sich jahrelang mit der Geschichte der Kunst und einzelnen KünstlerInnen in ihrer Zeit auseinander und hat deren fortschrittliche Momente bzw. Phasen herausgearbeitet. Bernd Langer beobachtete aber auch ihre politische Stagnation, Anpassung, Unterwerfung bis hin zur ideologischen und künstlerischen Transformation hin zum Gegner genauestens. Besonders faszinierten ihn beispielsweise Künstler in den Bauernkriegen, z. B. Matthias Grünewald, Jörg Ratgeb oder Tilman Riemenschneider. Aber auch Hieronimus Bosch und später Wieland Herzfelde, George Grosz oder John Heartfield entdeckte er als gestalterische Vorbilder. Auch aus DaDa, den russischen Futuristen und dem Nachkriegskünstler Beuys schöpfte er Inspiration. Seine Bilder, Logos, Gemälde, Fotoabbilder und Plakate entstanden nicht nur in dem Ziel, mit einer dokumentarischen Propagandaabbildung für eine Aktion zu motivieren, sondern es wurde immer wieder von Neuem auch nach Formen der Herstellung mittels verschiedener Formen des Malens, Einbinden von Fotos, des Druckes und der Abbildungen von Farben gesucht. Aus dem alten Emblem des Antifaschismus von 1932 entstanden die Logos der antifaschistischen Aktion.
Das Lesebuch vermittelt die Geschichte der Herausbildung und der Auflösung der Autonomen Antifa (M) aus Göttingen aus der Sicht des Künstlers und seiner Motivation für die Kämpfe in Auseinandersetzung mit der Polizei und Justiz. Deutlich wird hierbei, wie nach der „Wiedervereinigung“ im Jahr 1990 aus verschiedenen Gründen vorher gültige, sinnvolle Kooperationen und Kampfformen der Antifa sowie ihre Auftritte als Masse zurückgehen. Übrig bleibt scheinbar der Künstler selbst, der aus seinen Erkenntnissen und Erlebnissen heraus Bücher schreibt, mit den Plakaten Ausstellungen gestaltet, an Versteigerungen teilnimmt, und immer wieder auch versucht, in seinen neuen Wirkungsstätten mit seiner politischen Kunst aufzurütteln. Kritisch auffällig ist ein Verschwimmen der Kämpfer_innen vorrangig in männliche Gestalten, was wo möglich auf die Schlankheit, die schwarze Bekleidung und die Vermummung der Personen zurückzuführen sein mag. Trotz seiner autonomen Ansprüche scheint der Künstler und Kämpfer in dieser Hinsicht eine gewisse patriarchalische Tradition der Darstellungen in der Arbeiterbewegung fortzuführen. Dies ist verwunderlich: Denn es ist nicht unbekannt, dass es sowohl regionale und bundesweite Frauen-Antifa - (Zusammenhänge) gibt, als auch überhaupt eine große Anzahl weiblicher Antifas.
Das Lesebuch gewinnt durch sein Format, seine große und farbige Schrift und freilich nicht zuletzt durch die Farbabbildungen der Werke von Bernd Langer selbst. Es ist nicht nur lesenswert, um über die Geschichte einer regionalen Antifa Aufschluss zu erlangen. Besonders ist das Lesebuch jüngeren Antifaschist_innen anempfohlen, um daraus Erfahrungen zur Entstehung von Kunst aus den antifaschistischen Kämpfen selbst zu gewinnen und Kunst als Mittel der politischen, antifaschistischen Arbeit zu begreifen. Ein Anspruch lautet, sich mit allen individuell zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten in die antifaschistische Arbeit einzubringen. Ein anderer Anspruch sicherlich, nicht aufzugeben, sondern seinen eigenen Weg weiter zu gehen und neue Mitstreiter_innen zu finden, damit der Geist in der Flasche bleibt, sowie es das Titelbild eindrücklich zu verstehen geben möchte.
Ena Bonar
Bernd Langer: Kunst und Kampf; Unrast-Verlag, Münster 2016, ISBN 978-3-89771-582-0, 256 Seiten, 19,80 EUR