ZeitRäume erscheint jährlich als Almanach des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam, erstmals 2005. Von 1994 bis 2009 war das "Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien" erschienen, das sich ebenfalls an eine breitere Öffentlichkeit richtete und aus dem die meisten Texte mittlerweile online zugänglich sind.
ZeitRäume hat laut Verlagsangaben „nicht den Anspruch, die am ZZF betriebenen Forschungen repräsentativ zu spiegeln“, sondern will eine „Auswahl von zeitgeschichtlichen Analysen“ bieten. Die Jahresbände wollen einen „Eindruck von der Vielfalt und Vielgestalt“ geben und tun dies auch. Der in diesen Tagen erschienene Band zu 2016 enthält 13 Beiträge, von denen sechs hier vorgestellt werden.
Mario Kessler stellt in einer biographischen Studie (politisches und privates) Leben und Werk von Arthur Rosenberg (1889- 1943) vor. Rosenberg ist ursprünglich Althistoriker und für seine mehrfach aufgelegten Bücher „Entstehung der Weimarer Republik“, Geschichte der Weimarer Republik und „Geschichte des Bolschewismus“ bekannt. Er findet erst spät den Weg zu den Parteien der Arbeiterbewegung (zur USPD 1918) zur KPD dann 1920), wird Reichstagsabgeordneter der KPD und tritt einige Jahre später wieder aus, muss schließlich emigrieren und stirbt in den USA.
Peter Ulrich Weiß berichtet über die alternative und autonome Antifa-Szene in der DDR vor und nach 1989 und trägt somit dazu bei, dieses unbekannte Kapitel der Geschichte sozialer Bewegungen etwas ins Licht zu rücken. Weiß erwähnt die bisher relative unbekannte Internetseite http://www.antifa-nazis-ddr.de/index.php , die weiteres Material zum Thema enthält.
Dominik Rigoll stellt Ergebnisse aus der Forschung zum Personal verschiedener westdeutscher Bundesbehörden nach ihrer Wiederbegründung Anfang der 1950er Jahre vor. Er identifiziert verschiedene Generationen, und zeigt, wie die Ministerialbürokratie wieder von Nazis okkupiert wurde, die sich ihre (zweite) Karriere mit dem Versprechen, sich nicht mehr organisationspolitisch als Nazis zu betätigen, erkauften. Gustav Heinemann, der erste Innenminister der BRD und damals noch Mitglied der CDU, sieht dies mit großer Sorge, ist aber letztlich machtlos. Näheres zum Forschungsprojekt hier: http://geschichte-innenministerien.de/
René Schlott berichtet über die Dissertation von Raul Hilberg, in der dieser die Grundlinien seiner später sehr berühmt werdenden Holocaustforschung bereits entwickelte; sein Doktorvater war der 1933 aus Deutschland emigrierte und 1954 verstorbene Franz L. Neumann.
Patrick Bernhard schreibt über den Boom, den die italienische Küche ab den 1970er Jahren in Westdeutschland erfährt und begründet auch, warum dieser nach seiner Deutung von den Deutschen selbst, und ihrem Wunsch nach „Zivilisierung“ ausging, und weniger der Anwesenheit aus Italien stammender ArbeitsmigrantInnen zuzuschreiben ist.
Ein weiterer, lesenswerter Text stellt verschiedene, gelungene und weniger gelungene Websites zum Thema „(Geschichte der) DDR“ vor. Er bemängelt, dass in vielen Angeboten, etwa des Rundfunks Berlin-Brandenburg oder auch des Robert-Havemann-Archiv die Darstellung von Opposition einen zu großen Raum einnehme und damit die Situation der übergroßen Mehrheit der DDR-BürgerInnen nicht behandelt werde.
Die Beiträge dieses Jahrbuchs geben der Leserin einen ungefähre Vorstellung von der umfangreichen Forschung am ZZF, an dem alleine vier Dutzend Doktorandinnen sitzen und Publikationen in größerem Umfang erscheinen.
ZeitRäume : Potsdamer Almanach des Zentrums für Zeithistorische Forschung, Band 2016, Wallstein-Verlag, Göttingen 2016, 213 S., 19,80 EUR