Pressemeldung | Studie «Kinderarmut und Reichtum in Deutschland»

Vorstellung im «Netzwerk gegen Kinderarmut» - mit Dietmar Bartsch, Dagmar Enkelmann und Michael Klundt.

11. Mai 2017, 11.00 Uhr
Bundestag, Jakob-Kaiser-Haus, Raum 2.732, Goldener Saal
Eingang Dorotheenstr. 101 oder Wilhelmstr. 68, 10117 Berlin
 
«Ene, mene, muh, und raus bist du!» Das Kind, auf das mit der letzten Silbe dieses bekannten Abzählreims der Finger zeigt, ist raus aus dem Spiel und muss fortan daneben sitzen und zusehen. Ähnlich wirkt sich auch Armut auf das Leben von Kindern aus – nur ungleich dramatischer.

«Lebensqualität, Bildung, Gesundheit und Zukunftschancen von Kindern sind durch das Aufwachsen in Armut massiv beeinflusst», fasst Prof. Dr. Michael Klundt von der Hochschule Magdeburg-Stendal die Auswirkungen von Armut auf das gesamte Leben zusammen. Was der Autor der Studie «Ene, mene, muh, und raus bist du? Kinderarmut und Reichtum in Deutschland» so schlicht und prägnant formuliert, ist ein handfester Skandal. Kinderarmut in einem der reichsten Länder der Welt kommt nicht aus dem Nichts, sondern ist direkte Folge politischer Entscheidungen. Dabei erleiden arme Kinder in Deutschland kaum absolutes Elend oder bedrohlichen Hunger. Verglichen mit dem durchschnittlichen Lebensstandard sind sie jedoch mit Entbehrungen, Ausgrenzungen und Benachteiligungen konfrontiert.

Am 11. Mai 2017 um 11.00 Uhr stellen die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der LINKEN Landes- und Bundestagsfraktionen die Studie zur Kinderarmut im Netzwerk gegen Kinderarmut in den Räumen des Deutschen Bundestages vor. Die Studie zeigt auf, wie die politischen Entscheidungen der letzten Jahre mit der Entwicklung und Verschärfung von Kinderarmut zusammenhängen. Ziel der Studie ist es, Empfehlungen zur Bekämpfung von Kinderarmut für die kommunale, landes- und bundespolitische Ebene zu erarbeiten. Es werden sowohl parlamentarische Initiativen angeregt, als auch Möglichkeiten aufgezeigt, auf allen sozialen Ebenen in die Debatten einzugreifen. Das Netzwerk, das von der Linksfraktion im Bundestag ins Leben gerufen wurde, hat sich zur Aufgabe gemacht, den politischen Druck im Kampf gegen Kinderarmut zu erhöhen.

Über Ihr Interesse an den Studienergebnissen und Ihre Anmeldung zur Teilnahme am presseöffentlichen ersten Teil des Netzwerktreffens am 11. Mai ab 11.00 Uhr an jannine.hamilton@rosalux.org würde ich mich freuen.

Mit freundlichem Gruß,
Jannine Hamilton
Presse | Rosa Luxemburg Stiftung
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Kernaussagen der Studie zur Kinderarmut

«Lebensqualität, Bildung, Gesundheit und Zukunftschancen von Kindern sind durch das Aufwachsen in Armut massiv beeinflusst.» (Zitat Klundt im Interview)
 
Aus der Studie:

Das Reden über Arme (Kinder und Familien) und über Reichtum in Politik, Wissenschaft und Medien macht einen zentralen Faktor für die Umgangsweisen dieser Gesellschaft mit sozialer Polarisierung aus. [S.2]

Der Anstieg der Ungleichheit war nicht die ‚natürliche‘ Folge von digitaler Revolution, Wissensökonomie und kühner schöpferischer Zerstörung. Er war vor allem eine Folge politischer Entscheidungen (Merkel 2016, S. 14-19, hier: S. 14). Doch das musste auch in Deutschland von Politikern, Wissenschaftlern und Medien vorbereitet, begleitet und durchgesetzt werden. [S.8]

Wer sich über gravierende Kinderarmut aufregt, muss wissen, dass sie politisch befördert wurde. Eltern sollten durch zu niedrige Regelsätze nach SGB II für sich und ihre Kinder sowie durch verschärfte Sanktionen dazu gezwungen werden, jede Arbeit anzunehmen, auch wenn sie von diesem Gehalt sich und ihre Familie nicht einmal ernähren konnten. [S.16]

Kinderarmut bedeutet in Deutschland Armut in einem der reichsten Länder dieser Erde. Es weniger um absolutes Elend und Verhungern, sondern um Entbehrungen, Ausgrenzungen und Benachteiligungen im Verhältnis zum durchschnittlichen gesellschaftlichen Lebensstandard. […]

Das Reden über (arme) Kinder und ihre Familien macht also einen Teil der Problematik von Arm und Reich aus. Dies gilt vor allem, wenn die Betrachtung von (Kinder-)Armut durch ein Wechselspiel zwischen Ignoranz, Krokodilstränen und Schicksalsgläubigkeit gekennzeichnet ist. [S.45]

Angesichts der gigantischen Reichtumsentwicklung in Deutschland, der explodierenden Unternehmensgewinne und Managergehälter stellt die Armut von Millionen von Kindern und Jugendlichen einen verfassungswidrigen Skandal erster Güte und eine Form der Kindeswohlgefährdung dar (vgl. das Urteil des BVerfG von 2010; Lenze 2011, S. 534ff.; Martens 2011, S. 5ff.). [S.52]

Trotz aller Bedenken hinsichtlich methodischer und empirischer Schwierigkeiten der Sozial- und Gesundheitsberichterstattung in der Bundesrepublik kann als gesichert gelten, dass materielle Armut immer auch Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Personen, die in sozial benachteiligten Verhältnissen leben, sind in mehrfacher Hinsicht gefährdet. [S.53]

Die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen liegt in staatlicher Verantwortung. Außerdem können gesellschaftliche Diskurse über Familien- und Kinderarmut als zentrale Angelpunkte für die Verwehrung oder Verwirklichung von Kinderrechten in Deutschland angesehen werden. [S.65]

Die Herausforderung besteht darin […], sich täglich kundig zu machen über gesellschaftliche Zusammenhänge […], gemeinsam für Alternativen zu werben und eine Gegen-Macht aufzubauen gegen diejenigen, die von Benachteiligung und Unterdrückung nicht nur profitieren, sondern Benachteiligte und Unterdrückte auch noch ihrer Menschenwürde berauben. Die Organisierung und Mobilisierung solidarischer Öffentlichkeit muss sich parlamentarisch und außerparlamentarisch mit einflussreichen und mächtigen Interessensgruppen anlegen. [S.67]