Wo sind meine Leute da draußen«, fragten sich die Linken der Linkspartei und debattierten am vergangenen Samstag in Düsseldorf vor rund 200 Zuhörern über das Verhältnis von linkem Parlamentarismus und außerparlamentarischer Bewegung. Leute wie Peter Grottian, Horst Schmitthenner, Ulla Jelpke, Karl Heinz Roth, Tobias Pflüger und Alex Demirovic widmeten sich in Arbeitskreisen unter anderem den Chancen und Grenzen antikapitalistischer Politik im Kapitalismus, der Möglichkeit von nationalstaatlichem Keynesianismus, den alten und neuen sozialen Bewegungen und den bisherigen Erfahrungen der Linken im Bundestag.
Als Erfolge des linken Parlamentarismus pries die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke etwa die Entschädigung von Zwangsarbeitern und die eingeforderten Berichte zur Lage des Rechtsextremismus. Tobias Pflüger, der für die Partei im Europa-Parlament sitzt und aus der antimilitaristischen Bewegung stammt, verwies auf den privilegierten Zugang zu Informationen und den nicht nur bei Demonstrationen hilfreichen Status als Mandatsträger. Für beide bedeutet »linker Parlamentarismus«, sich abseits des üblichen institutionellen Rahmens zu bewegen. Statt der »Beschäftigungstherapie in Ausschüssen« zu frönen, verstehen sie sich als »Sachwalter« außerparlamentarischer Gruppen.
Das gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Peter Grottian geplante Komitee zu den Zwangsumzügen wegen Hartz IV nannte Jelpke als Beispiel für eine solche Politik. Mit der Einrichtung eines Verbindungsbüros will die Linkspartei diese Zusammenarbeit verstetigen.
Einige sehen das allerdings nur als Alibiveranstaltung an. »Wenn es einmal läuft, bist du zu 80 Prozent mit Parlamentsarbeit beschäftigt«, habe ein Parteikollege ihr prophezeit, erzählte Jelpke. Gleichermaßen skeptisch beurteilten sie und Pflüger wiederum das Treiben mancher Fraktionskollegen. Sie kritisierten die 14 Enthaltungen bei der Abstimmung über den Sudan-Einsatz, die Berliner Senatoren der Linkspartei, die sogar noch hinter ihre Koalitionsvereinbarungen zurückfielen, oder die emsig an einer »Regierungsfähigkeit« im Bund arbeitenden Parteikollegen.
Helmut Manz vom Landesvorstand in Nordrhein-Westfalen hingegen betrachtet das Projekt »Linke im Parlament« an sich als ein höchst paradoxes Unterfangen, wovon schon Formulierungen wie »radikale Reformpolitik« oder »Übergangsforderungen« kündeten.
Die Historiker Wolfgang Dreßen und Karl Heinz Roth bewegten sich auf der Konferenz im widerspruchslosen Raum. Kurz und schmerzlos erledigten sie den Keynesianismus mit dem Verweis auf die »Globalisierung« und den »Fetisch Lohnarbeit«. Ihre Einlassungen blieben folgenlos. Roth bemühte sich auch gar nicht erst, seine Alternative, die »Emanzipation aus entfremdeter Lohnarbeit«, den Linken in der Linkspartei schmackhaft zu machen. Die Zuhörer hingegen schienen einen Keynesianisten auf dem Podium schmerzlich zu vermissen.
Aber obwohl die Linken in Düsseldorf unter sich blieben, gab es Streit. In dem Anspruch der Linkspartei, »die Vertretungslücke zu schließen, aber nicht durch Stellvertreterpolitik«, wie es Edith Bartelmus-Scholich von der Wasg ausdrückte, vermuteten einige eine »fürsorgliche Belagerung«. So entwickelte das Forum drei Prüfsteine für die außerparlamentarische Koalitionsfähigkeit der Partei. Es forderte eine Unterstützung der Großdemonstration gegen die Dienstleistungsrichtlinie der EU, die Anwesenheit in den sozialen Bewegungen und die Einrichtung eines Rates aus linken Gewerkschaftern, Sozialbewegten und Angehörigen der Linkspartei als »institutionalisiertes Korrektiv« gegen Rechtsabweichungen. Ob’s hilft?