[Berlin, 9. Oktober 2018] – Große Konzerne bestimmen die Regeln in der digitalisierten Landwirtschaft und bäuerliche Landwirtschaft gerät zunehmend unter Druck: Das ist die Kernaussage der Studie „Blocking the chain – Konzernmacht und Big-Data-Plattformen im globalen Ernährungssystem“, die die Herausgeber ETC Group, GLOCON, INKOTA-netzwerk und die Rosa-Luxemburg-Stiftung heute in Berlin der Öffentlichkeit vorstellen. Die Studie zeigt in alarmierender Weise, wie das massenhafte Sammeln landwirtschaftlicher Daten in neuen Big-Data-Plattformen mündet, auf denen Boden- und Wetterdaten und Informationen über Verbraucher*innen zentral gespeichert und ausgewertet werden. Vor allem Agrarkonzerne wie Bayer oder AGCO und Internet-konzerne wie Google oder Amazon dominieren diese Plattformen und profitieren von ihnen. Die Herausgeber der Studie fordern darum eine strenge Regulierung der Digitalisierung in der Landwirtschaft.
Pat Mooney, Träger des Alternativen Nobelpreises und Autor der Studie, argumentiert: „Mit der Digitalisierung steht eine Transformation des Landwirtschafts- und Ernährungsbereichs an. An wichtigen Knotenpunkten der Agrarlieferkette für landwirtschaftliche Betriebsmittel wie Saatgut, Pestizide und Landmaschinen sowie im Bereich der Lebensmittelverarbeitung bestimmen künftig wenige Konzerne, welche Lebensmittel angebaut werden und was Roboter brauen oder backen.“
Über Big-Data-Plattformen vertreiben Konzerne nicht nur patentiertes, genmanipuliertes Saatgut, sondern auch den dazu passenden Dünger, die Pestizide und die Maschinen. Indem der autonom fahrende Traktor Daten sammelt und mit Algorithmen auswertet, entscheidet nur das Gerät, wann welches Saatgut oder welche Pestizide genutzt werden sollen.
„Neben dem schwindenden Entscheidungsspielraum von Bauern und Bäuerinnen sind Fehlentscheidungen durch den Algorithmus sehr wahrscheinlich und können ganze Ernten vernichten”, sagt Jan Urhahn vom entwicklungspolitischen INKOTA-Netzwerk. Für lohnabhängig Beschäftigte in Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie bedeute die Digitalisierung Jobverluste und mehr Überwachung und Kontrolle. Auf Palmölplantagen in Indonesien werden Drohnen bereits zur Überwachung der Arbeiter*innen eingesetzt.
„Solange die neuen Big-Data-Plattformen in den Händen einiger weniger Konzerne liegen, werden sie nicht zum Wohle der Allgemeinheit wirken“, so Urhahn. Ernährungssouveränität könne nur erreicht werden, wenn digitale Technologien, die Sammlung und die Auswertung von Daten demokratisch kontrolliert werden. Deshalb müssten die Konzerne künftig strenger reguliert werden.
Die Studie „Blocking the chain – Konzernmacht und Big-Data-Plattformen im globalen Ernährungssystem“ von Pat Mooney wird gemeinsam von ETC Group, GLOCON, INKOTA-netzwerk und der Rosa-Luxemburg-Stiftung in deutscher und englischer Sprache herausgegeben. Sie kann bei den Herausgebern kostenfrei bestellt werden und steht hier zum Download zur Verfügung.
Presse-Hintergrundgespräch und Präsentation der Studie „Blocking the chain“
Mit: Pat Mooney (ETC Group) und Jan Urhahn (INKOTA-netzwerk)
Moderation: Franza Drechsel (GLOCON/Rosa-Luxemburg-Stiftung)
Wann: Dienstag, den 9.10.2018 von 16:30 bis 17:30 Uhr
Wo: Rosa-Luxemburg-Stiftung – Raum 121 – Franz-Mehring-Platz 1 – 10243 Berlin
Das Gespräch findet auf Deutsch und Englisch mit Simultan-Übersetzung statt.
Stationen der Rundreise von Pat Mooney in Deutschland mit Möglichkeiten für Interviews
Pat Mooney ist vom 9. bis zum 12. Oktober in Deutschland und wird in Berlin (9.10.), in Hamburg (10.10.) und in Köln (11.10.) bei Abendveranstaltungen zu Gast sein, um die Studie vorzustellen.
Genauere Information zu den Veranstaltungen finden Sie hier.
Ansprechpartnerin (auch für Interviewanfragen mit Pat Mooney): Franza Drechsel, Rosa-Luxemburg-Stiftung, franza.drechsel@rosalux.org, Büro: 030/44310-445, mobil: 0151 206 096 49.